Podium

Himmel, Hölle, gar nix?

"Zwischenton Tod: Und was passiert danach?" Auf Einladung der Volkshochschule Ulm tauschten sich (von links) Imam Israfil Polat, Dekan Ulrich Kloos, vh-Leiter und Moderator Dr. Christoph Hantel und Rabbi Schneur Trebnik über Antworten der Religionen auf den Tod aus. Foto: drs/Jerabek

Tod und dann? Vertreter dreier Weltreligionen geben spannende Antworten zu einem Tabuthema.

Für Rabbi Schneur Trebnik zählt es zu seinen Lieblingsfragen, wenn bei Synagogenführungen in Ulm Besucher wissen wollen, was nach jüdischem Glauben nach dem Tod passiert. „Ich sage dann den Leuten: Das ist eine supergute Frage: Da kann ich Ihnen alles Mögliche erzählen und niemand kann widersprechen.“ Seine ehrliche Antwort sei: „Keine Ahnung.“ – Das Sprechen über den Tod und das „Danach“ hat viele Klangfarben: von düster bis hoffnungsvoll, meist nachdenklich und auch mal heiter. Die Reihe „Zwischenton: Tod“ der Ulmer Volkshochschule will Resonanzräume eröffnen. Auf Einladung von vh-Leiter Dr. Christoph Hantel berichteten neben dem Rabbi auch der katholische Ulmer Dekan Ulrich Kloos und der Imam Israfil Polat über Jenseits-Vorstellungen ihrer Religionsgemeinschaften und erzählten von ihren ganz persönlichen Hoffnungen.

Es sei viel geschrieben worden darüber, was mit der Seele passiert, so Rabbi Trebnik weiter, über Belohnung und Strafe, „aber im Endeffekt ist alles abstrakt“. Was Juden dennoch glauben, sei, dass jeder Mensch auf der Erde sowohl Gutes als auch weniger Gutes getan habe und dass folglich jeder und jede entsprechend seiner Taten belohnt und bestraft werde. Es gebe keinen Menschen, der nur Strafe zu erwarten habe, und auch keinen, der nur belohnt werde. „Das ist eigentlich alles, was wir dazu sagen können.“

Vollendung des Lebens bei Gott

Natürlich wisse niemand, was nach dem Tod ist, gibt auch Dekan Kloos zu bedenken, „und doch stehen in der Bibel Bilder, die uns helfen, eine Vorstellung zu haben, was uns nach dem Tod erwartet“. Die Vision vom himmlischen Jerusalem sei das Bild, das seine Jenseitsvorstellung prägt. „Die Stadt ist erbaut aus kostbarsten Materialien – das heißt für mich, dass das Leben mit allem, was bei uns noch unzulänglich ist, bei Gott seine Vollendung findet.“ Wenn davon die Rede sei, dass die Tore der Stadt Tag und Nacht offenstehen, bedeute das, „dass wir bei Gott willkommen sind“. Es gebe keine Feinseligkeiten mehr wie auf Erden und man könne auch Gott direkt begegnen. Vom Thron Gottes quelle das Wasser des Lebens als Nahrung für alle Menschen. Dieses Bild als Vorstellung von Auferstehung führe den Paradiesgarten aus der Schöpfungserzählung und die Kulturleistung des Menschen, nämlich Städte zu bauen, zusammen, so Kloos.

Vom Tod als dem „Beginn des eigentlichen Lebens“ und von einer absoluten Gerechtigkeit, die es nur im Jenseits gebe, spricht Imam Israfil Polat und zitiert aus dem Koran, wo es heißt, dass man für seine Taten und Untaten, auch für unterlassene Taten, zur Rechenschaft gezogen werde. Wie bei einem Schulzeugnis, das über das berufliche Fortkommen mitentscheidet, wirke sich die Gestaltung des irdischen Lebens auf das Jenseits aus: „Was ich auf Erden säe, werde ich im Jenseits ernten“, sagt Imam Polat. Die Aussicht auf Belohnung wirke sich letztlich auch auf die Motivation aus, das irdische Leben gut und aufrichtig zu gestalten.

Keine leichten Antworten

Wie aber verhält es sich, „wenn der Tod konkret an Sie herantritt und Sie innerhalb der Gemeinde Antworten geben sollen oder wenn Sie die Gewalt des Todes mit begleiten müssen, etwa beim Tod eines jungen Menschen oder wenn jemand bei einem Unglück ums Leben kommt“, will der Moderator wissen. Da gebe es keine leichten Antworten, sind sich die Gesprächsgäste einig, erst recht keine Routine, vielmehr das Eingeständnis, dass „wir Menschen das oft nicht verstehen können“, sagt Rabbi Trebnik.

Dekan Kloos erinnert sich an das Jahr 2009, als er nach dem Amoklauf in Winnenden – damals tötete ein 17-Jähriger 15 junge Menschen – als Seelsorger im Einsatz war und selbst an seine Grenzen stieß: „Die Frage nach dem Warum bohrt natürlich.“ Allerdings werde es als hilfreich empfunden, „einfach da zu sein und mit den Leuten zusammen die Ohnmacht auszuhalten“, sagt Kloos. Hilfreich seien auch einfache Rituale wie das Entzünden einer Kerze oder das Schreiben eines Klagezettels, auf dem Gefühle wie Wut und Zweifel Platz finden und einen Adressaten haben.

Perspektiven, die Halt geben

Bei älteren Menschen mache er die Erfahrung, dass sie nach Empfang der Sakramente, die sie aus dem Glauben als vertraute Zeichen der Gegenwart Gottes kennen, ihr Leben loslassen können, so Kloos. Nach den Worten von Imam Polat wissen gläubige Menschen, „ich verabschiede mich nur für eine kurze Zeit und werde im Jenseits irgendwann wieder zusammen sein mit dem geliebten Angehörigen“. Diese Perspektive gebe Halt und spende Trost. Aufgabe des Seelsorgers sei es, die Glaubensstruktur des konkreten Menschen zu erfassen und adäquat darauf einzugehen.

Als besondere Herausforderung für die Religionen beschreibt vh-Leiter Hantel die Neigung vieler Menschen heute, das Sterben aus dem Leben zu verbannen, ihm auszuweichen oder ihn zu einer „formalen, sachlich abzuarbeitenden Angelegenheit“ zu machen. „Wo finden denn überhaupt noch die Gefühle, die wir im Umgang mit dem Tod haben, ihren Ausdruck“, will er wissen.

Eingeschrieben in Gottes Hand

Als Orte oder Räume, wo der Tod noch eine Rolle spielt, beschreiben alle Religionsvertreter ihre Gemeinden. Was die gesellschaftliche und kulturelle Verankerung Trost spendender und Halt gebender religiöser Riten und Rituale anbelangt, erweisen sich – so hat es den Anschein – Judentum und Islam als resistenter gegen den Trend der Säkularisierung. Für die christliche Religion bedauert Dekan Kloos, dass Tod und Leid immer mehr aus der Öffentlichkeit ins Private verdrängt werden. Belegungszeiten der Gräber würden kürzer, der Name des Verstorbenen werde bisweilen gar nicht mehr in den Grabstein eingraviert, wenn nicht gar eine Beisetzung im Friedwald jedes öffentliche Erinnern ausschließe. Dies stehe im Kontrast zur christlichen Überzeugung, „dass wir Geschöpfe Gottes sind und unsere Namen bei ihm eingeschrieben sind“.

In islamischen Gemeinden würden die Angehörigen eines Verstorbenen oft tagelang begleitet, sagt Imam Polat. Die Anteilnahme und die Bereitschaft, das Leid zu teilen, sei keineswegs weniger geworden. Eine ganze Trauerwoche, in der die engsten Angehörigen zuhause bleiben, gibt es Rabbi Trebnik zufolge im Judentum. Gemeindemitglieder, Verwandte und Freunde kommen zu Besuch, um Trost zu spenden; in der Synagoge werde der Trauerprozess monatelang durch Gebete begleitet. Im Judentum sei es immer noch so: „die Gräber bleiben für ewig, die Namen sind eingraviert, die Grabsteine sind Teil unserer Tradition“. Da gebe es fast keine Ausnahmen, „auch sehr säkulare Juden halten sich daran“, berichtet Trebnik.

So formuliert Dekan Kloos dann auch den Wunsch, „dass der Tod nicht aus unserer Öffentlichkeit verschwindet, dass Friedhöfe als Ort des öffentlichen Abschiednehmens erhalten bleiben in unserer Kultur“. Es werde „uns allen guttun, dass wir den Tod als Teil unseres Lebens im Blick haben, ohne dass er uns Angst macht“.

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