Missbrauch und Prävention

Hinschauen und konsequent handeln

Die Pfarrer sitzen an Konferenztischen, die im Rechteck gestellt sind, und schauen auf die Präsentation auf der Leinwand.

Die leitenden Pfarrer der Seelsorgeeinheiten im katholischen Dekanat Biberach setzen sich in Heiligkreuztal mit Prävention und Schutzkonzepten zur Vermeidung sexualisierter Gewalt auseinander - Foto: DRS/Waggershauser

Katholische Pfarrer im Dekanat Biberach stellen sich der Verantwortung zur Vermeidung sexuellen Missbrauchs.

Die Schlagzeilen über sexuellen Missbrauch reißen nicht ab. Dabei richtet sich der Fokus häufig auf katholische Priester als Täter. Im Raum steht der Vorwurf, die Kirche ignoriere die Sichtweise der Opfer, um sich selbst zu schützen. Außerdem übernehme die Leitungsebene keine Verantwortung und verhindere Konsequenzen für die Täter.

So sehr sie der Generalverdacht gegenüber ihrer Berufsgruppe in der Öffentlichkeit schmerzt, die 22 Pfarrer, die die 119 Kirchengemeinden im Dekanat Biberach zusammen mit den Kirchengemeinderäten leiten, halten Aufklärung und Transparenz für dringend notwendig. Und den Geistlichen liegt daran, in der Kirche künftig alles zu vermeiden, was sexuellen Missbrauch ermöglicht oder fördert. Sie waren deshalb fast vollzählig bei einem Workshop im Tagungshaus Heiligkreuztal und setzten sich mit der Entwicklung von örtlichen Schutzkonzepten auseinander.

Schutzkonzept muss bis Ende 2023 stehen

Die Verpflichtung für Kirchengemeinden und kirchliche Einrichtungen, ein solches Schutzkonzept zu erstellen, besteht in der Diözese Rottenburg-Stuttgart seit 2015. Bis Ende nächsten Jahres sollen die Prozesse überall abgeschlossen sein. Dekan Stefan Ruf, Pfarrer der Seelsorgeeinheit Biberach-Stadt, arbeitet mit seinen Gemeinden daran. "Wir müssen noch einige Dinge auf den Weg bringen, aber ab Herbst geht es dann los", versichert er.

Für den Dekan war der Austausch unter den Kollegen und der gemeinsame Wille zum Handeln beim Workshop ein Motivationsschub. Pfarrer Johnson Kalathinkal von der Seelsorgeeinheit Mietingen konnte die vielen Fragen, die bei der Erstellung des Schutzkonzepts vor Ort auftauchten, klären. Eine Mustervorlage der Diözese, die erst neulich aktualisiert wurde, empfand der aus Indien stammende Priester dabei als sehr hilfreich. "Damit lässt es sich gut weiterarbeiten", freut er sich.

Das Wohl von Kindern und Jugendlichen steht im Vordergund

Bevor im Konzept Handlungsschritte festgelegt werden, steht die Bestandsaufnahme an, in welchen Feldern der kirchlichen Arbeit Kontakt zu Kindern, Jugendlichen und anderen Schutzbefohlenen besteht. Sabine Hesse, Leiterin der Stabsstelle Prävention, Kinder- und Jugendschutz im Bischöflichen Ordinariat, findet kaum mehr Platz zum Schreiben auf dem Flipchart, als ihr die Pfarrer die Bereiche nennen. "Da geschieht eine ganze Menge Wertvolles und sie haben mit einer ganzen Menge schützenswerter junger Menschen zu tun", stellt sie fest.

Eltern, die ihre Kinder katholischen Kindergärten, Jugendverbänden oder Ministrantengruppen anvertrauen, sollten sicher sein können, dass bei allen Spielen und Aktionen das körperliche und seelische Wohl der jungen Menschen absolut im Vordergrund steht.

In der Zusammenarbeit erleben wir eine große Bereitschaft und Offenheit, sich mit dem Thema sexualisierte Gewalt auseinanderzusetzen und auch präventive Maßnahmen einzuleiten

Das bestätigt Sandra Dengler von der kirchenunabhängigen Missbrauchsberatungsstelle "Brennessel" in Biberach. Sie kooperiert vor allem mit Kindertageseinrichtungen und Diensten der Caritas.

Führungszeugnis oder Selbstverpflichtung

Für hauptamtliche kirchliche Mitarbeitende, die dienstlich Kontakt zu Schutzbefohlenen haben, ist es schon länger vorgeschrieben, alle fünf Jahre ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis beim Arbeitgeber vorzulegen und eine Präventionsschulung zu absolvieren. Nicht nur bei Pfarrern achtet die Diözese penibel auf die Einhaltung der Vorschrift und geht allen Hinweisen auf "komische Situationen" nach.

Das jeweilige Schutzkonzept der Seelsorgeeinheiten und Kirchengemeinden legt fest, in welchen Bereichen das Führungszeugnis auch von Ehrenamtlichen gefordert wird und wo eine Unterschrift unter einen Verhaltenskodex und eine Selbstverpflichtungserklärung ausreicht. Jugendreferent Chris Schlecht, der sich zusammen mit Dekanatsreferent und Koordinator Björn Held des Themas Prävention im Biberacher Kirchensprengel annimmt, hält ersteres spätestens dann für notwendig, wenn es um eine Übernachtung geht.

Nicht für die Schublade

Von ehrenamtlichen Jugendruppenleitern oder Firmbegleiterinnen plötzlich eine schriftliche Erklärung zu verlangen, ohne die sie sich nicht mehr engagieren dürfen, fällt vielen Pfarrern schwer. "Die Leute vor Ort haben den Eindruck: Jetzt bekommen wir den schwarzen Peter und die Kirchenleitung selber steckt weiterhin den Kopf in den Sand", berichtet Pfarrer Walter Stegmann über entsprechende Reaktionen.

Der Riedlinger Seelsorger bemüht sich um persönliche Gespräche und um offenen Austausch in den Gremien über das Thema sexualisierter Missbrauch. "Es geht nicht um Misstrauen, sondern um die schutzbefohlenen Menschen", erkläre er immer wieder. Und auch das Schutzkonzept dürfe kein Papier sein, das dann in der Schublade lande, betont Sabine Hesse von der Diözese. Neben notwendigen Vorgaben und klaren Handlungsschritten ermuntere es im Idealfall dazu, wahrzunehmen, wo Kinder und Jugendliche sich wohlfühlen und wo nicht. Und sie dann auch darin zu stärken, es zu sagen, wenn etwas für sie "komisch" wird.

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