Katholikentag

Hört uns endlich zu!

Politiker bekommt drei Friedenstauben mit den Wünschen der Jugendlichen. Diözese Rottenburg-Stuttgart / Nelly Swiebocki-Kisling

Gäste aus der Politik auf Landes- und Bundesebene diskutieren mit Jugendlichen und Mitarbeitenden des Jugendhauses Erfurter Brücke.

Junge Menschen suchen den Austausch. Sie suchen Halt und wünschen sich konkrete Unterstützung sowie Antworten auf ihre Fragen. Was wünscht sich die sogenannte Generation Z – also junge Menschen, die in unserem Jahrtausend geboren wurden - von uns Erwachsenen und von der Politik? Was müsste sich ändern, damit alle Jugendlichen gleiche Bildungs- und Berufschancen haben – unabhängig vom Elternhaus? Die Erfurter Brücke der Caritas bot bei der Veranstaltung „Hört uns endlich zu! Was junge Menschen in Zukunft von der Politik erwarten“ Politikern und Jugendlichen den Raum für einen fruchtbaren Austausch.

Was ist Politikern für die Zukunft der Jugendlichen wichtig?

Die Gesprächspartner der Jugendlichen waren Kerstin Griese, MdB und Parlamentarische Staatssekretärin für Arbeit und Soziales, SPD, Helmut Holter, Thüringer Minister für Bildung, Jugend und Sport, DIE LINKE,  Anke Hofmann-Domke, Bürgermeisterin und Beigeordnete  und zuständig für Soziales, Bildung, Jugend und Gesundheit, DIE LINKE sowie der Diözesancaritas Direktor Matthias Mitscherlich. Die Jugendlichen im lauschigen Innenhof des Caritas-Gebäudes stellten kritische und längst überfällige Fragen, die Moderatorin Dr. Ruth Bendel zu Beginn der Veranstaltung zusammenfasste: „Was ist Ihnen für die Zukunft der jungen Menschen in diesem Land wichtig?“ Die acht jungen Menschen im Podium hatten sich bereits im Vorfeld konkrete Gedanken gemacht, was sie fragen wollten.

Es gibt keine Chancengleichheit

Jenny ist eins dieser Mädchen. Sie wünscht sich während ihrer Ausbildung Unabhängigkeit von ihrem Elternhaus und sagte: „Es gibt keine Chancengleichheit. Das macht sich schon in der Schule bemerkbar. Ich fühle mich privilegiert und bin dankbar, weil meine Eltern mich unterstützen können. Aber auch wichtige Ausbildungsberufe sind mit hohen eigenen Kosten verbunden, wie etwa die Ausbildung zum Physiotherapeuten.“ Sie fragte die anwesenden Politiker, wann das endlich geändert werde.“ Die Politiker: innen boten Lösungsvorschläge, von der Aufstockung der Ausbildungsgehälter, schon alleine, um den Fachkräftemangel auffangen zu könne, über eine Mindestausbildungsvergütung bis hin zur beitragsfreien Ausbildung für alle, sowie Lehrmittelfreiheit für mehr Chancengleichheit. Auch eine duale Ausbildung für junge Lehrer:innen wurde angeboten.

Mehr Praxisnähe und Berufsorientierung

Maxi wünscht sich mehr Praxisnähe im Studium und einen frühen Zugang zur Praxis, etwa durch frühe Schnuppertage  schon in der Schulzeit in Unternehmen, um die richtige Berufswahl zu treffen. Sie sagt: „Mit einer Perspektive, einem konkreten Ziel, hätte ich auch die Schule viel besser abschließen können.“ Das Jugendhaus hat hier bereits ein nützliches Portfolio aus Berufsberatung, Bewerbungsunterstützung sowie konkrete Hilfen bei der Wohnsuche und bei persönlichen Problemen. Die anwesenden Politiker: innen versprachen Berufsorientierung ab der siebten Klasse sowie Netzwerkarbeit und Kooperationen mit der Wirtschaft. Kerstin Griese bedauerte: „Da würde ich mir wünschen, dass wir der Jugend mehr Berufsberatung anbieten, damit sie mehr Berufe kennenlernen, als die, die ihre Eltern kennen.“

„Ich mache mir Sorgen um meine Rente“

Jason macht sich, seit er in seinem Betrieb mit über 75-Jährigen in der Nachtschicht arbeitet, Gedanken über seine künftige Rente. Er prangerte in seinem Statement die aktuelle Rentenunsicherheit an und hinterfragte die unterschiedlichen Rentensysteme, bei welchen Beamte zum Beispiel, nicht in die gesetzliche Rentenkasse einzahlen. Die Politiker gaben auf diese Frage keine wirklich befriedigende Antwort, sprachen von privater Versorgung, vom Mindestlohn, der aufgestockt werde, von einer Stärkung des Arbeitsmarktes und vom Rentenpaket II, der aktuell auf den Weg gebracht werde, um das solidarische Umlagesystem auch für künftige Generationen sicherzustellen.

Jeder muss sich über die Konsequenz seiner Wahl im Klaren sein

Am Ende kam Anton zu Wort. Ein Junge mit Behinderung, der die mangelnden Investitionen in die politische Bildung beklagt: „Bei uns in der Schule wählen Schüler die AfD und wissen gar nicht, was sie tun. Die Schüler sind mit 16 ja noch Kinder und hinterfragen nicht die Worte der Politiker. Man muss doch in den Schulen mehr Aufklärung betreiben, welche Folgen die Wahl dieser Partei für uns hat.“ Gerade die Menschen, die aufgrund ihrer Behinderung die meiste Angst haben sollten, wählten oft die AfD, weil sie die einfache Sprache verstünden, die einfachen Lösungen, das Schwarzweißdenken - und so dem Populismus zum Opfer fielen. In diesem Punkt sind sich alle Anwesenden einig, dass es ein wichtiger Schritt ist, bereits mit 16 wählen zu gehen. Helmut Holter: „Jeder muss sich über die Konsequenzen seiner Wahl im Klaren sein. Und nicht nur die Schulen müssen in jedem Fach politische Bildung betreiben, auch die Schülervertretungen, die Jugendhäuser und Institutionen.“ 

Politische Neutralität hat auch in der Schule eine Grenze

Die Frage nach Neutralität beantwortete der LINKE-Politiker gerne: „Politische Neutralität hat auch in der Schule eine Grenze erreicht, wenn unsere Demokratie gefährdet ist!  Alle Bildung in der Schule ist auch politische Bildung!“ Und Kerstin Griese ergänzte: „Es wird Zeit, dass alle, die die Demokratie stärken wollen, auch ihre Stimme erheben. Wir lassen uns unsere Demokratie nicht kaputt machen. Jeder junge Mensch, der unsere Geschichte lernt, ist auch gegen die Gegner der Demokratie gewappnet und sorgt dafür, dass so etwas nie mehr passiert.“

Helmut Holter erinnerte am Ende der Diskussion daran, dass in Thüringen, auch wenn 30 Prozent der Wähler den rechten Parteien ihre Stimme gäben, noch immer 70 Prozent auf dem Boden der Demokratie stünden und sich auch jetzt vor den Wahlen eindeutig positionierten und engagierten. Er versicherte: „Die Mehrheit in Thüringen ist für eine Demokratie.“ Zum Abschluss erhält jede Politiker: in je drei Friedenstauben aus Papier mit den Wünschen der jungen Leute.

Über den Veranstalter in Erfurt:

Das Caritas Jugendhaus Erfurter Brücke bietet jungen Menschen vielfältige Unterstützung im Übergang von Schule, Ausbildung und Beruf. Er nennt sich Ort des Friedens, weil Jugendliche in dieser besonderen Lebensphase hier Ansprechpartner und Vertrauenspersonen für ihre Identitätsfindung finden. Das betrifft Fragen rund um Schule, Elternhaus sowie Ausbildung und Berufswahl.

„Hört uns endlich zu! Was junge Menschen in Zukunft von der Politik erwarten“ war eine gemeinsame Veranstaltung des Caritasverbandes für das Bistum Erfurt e.V. und des Deutschen Caritasverbandes e.V. in Kooperation mit IN VIA Katholischer Verband für Mädchen- und Frauensozialarbeit – Deutschland e.V.

Moderation: Dr. Ruth Bendels/ Dr. Anna-Maria Pedron (IN VIA Deustchland).

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