Die Liebe zu Gott gibt Halt und lässt die Menschen zu Zeugen der Hoffnung werden – mit diesem Zuspruch, der auch ein Auftrag ist, wandte sich Pfarrer Gianfranco Loi beim Gottesdienst zu Ehren des heiligen Tiberius an die Wallfahrer und alle, die es gerne gewesen wären. Denn wo sich sonst die Gläubigen aus der ganzen Region selbst oben in den Galerien eines rappelvollen Münsters in mehreren Reihen drängen und mit einem prominenten Festprediger, zehn bis 15 Konzelebranten und 50 Ministranten ein großes Fest des Glaubens feiern, waren die Obermarchtaler und einige wenige Ehrengäste fast familiär unter sich. Doch indem man „aufgrund der Verordnungen, aber auch aufgrund der uns als Christen aufgetragenen Nächstenliebe“ dieses Jahr auf große Feierlichkeiten verzichte, sich aber dennoch zur Feier der Eucharistie versammele, sei die diesjährige Wallfahrt ein großes Glaubenszeugnis und „vielleicht mehr denn je ein Fest des Glaubens“, sagte Loi.
Hoffnung zu den Menschen tragen
Befördert wurde der Festcharakter durch die erhabene Ausstrahlung des hell erleuchteten Münsters und eine würdige Liturgie. Mit nur acht Chorsängerinnen und –sängern, die sich im Chorraum der Kirche verteilten und das Lob Gottes stellvertretend für die Gemeinde anstimmten, erreichte Kirchenmusiker Gregor Simon eine erstaunliche Klangfülle – und natürlich auf der berühmten Holzhey-Orgel, die einem sofort warm ums Herz werden lässt. Und gleich zum Einzug gab es eine Weltpremiere: Simon spielte sein für diesen Anlass komponierte Präludium zum Tiberiuslied.
Christen sollen Zeugen der Hoffnung sein
In seiner Predigt lenkte der Pfarrer und stellvertretende Dekan von Ehingen-Ulm den Blick auf das Leben des heiligen Tiberius von Marchtal, seine Prägung und seine Motivation, sich auf Neues einzulassen und trotz aller Widrigkeiten seinen Weg als Christ zu gehen. „So wie der heilige Tiberius in schwerer Zeit der Christenverfolgungen den Menschen Hoffnung geschenkt hat, so sollen auch wir, gerade in diesen Coronazeiten, Zeugen der Hoffnung sein“, sagte Loi. Geprägt und beeinflusst hätten den frühchristlichen Märtyrer „sicher die Worte der Heiligen Schrift. Ihn hat die Liebe zu Gott und zum Nächsten getragen und sicher auch die Tatsache, wie die Christen diese Liebe zu Gott und zum Nächsten damals überzeugend gelebt haben. Denn gerade in der Zeit der Verfolgung und vieler Unsicherheiten haben die ersten Christen zusammengehalten, einander geholfen, sich gestützt und getragen. Sie waren ein Herz und eine Seele.“
Stichwort
Heiliger Tiberius
Der Heilige Tiberius, so ist es überliefert, hat sich als Jugendlicher zum Christentum bekannt und in der Zeit der Christenverfolgungen viele Martyrien erlitten. Sein Haupt kam im Jahre 1626 als Reliquie in die Barockkirche des ehemaligen Prämonstratenserstifts Obermarchtal. Seit damals wird über Jahrhunderte alljährlich zur Verehrung des Märtyrers eine Wallfahrt für den Hauspatron gefeiert. Mit der Auflösung des Klosters im Rahmen der Säkularisation fiel der wertvolle Brauch in den Dornröschenschlaf, bis der Allmendinger Mediziner Dr. Hermann Blankenhorn die Wallfahrt im Jahre 2010 wieder zum Leben erweckt hat.
Die Liebe zu Gott gebe Halt in diesen schweren Zeiten. Zugleich sei den Christen die Liebe zum Nächsten aufgetragen. „Wir sind der verlängerte Arm Gottes in der Welt, um den Menschen seine Liebe sichtbar zu machen. Gerade in diesen Pandemiezeiten mit Kontaktbeschränkungen genügen Dinge wie ein Griff zum Hörer, ein Wort der Hoffnung, Hilfen beim Einkaufen für Ältere und Erkrankte oder natürlich auch, dass wir für diejenigen beten, die es gerade nicht können“, sagte Loi.
Wallfahrten und nicht zuletzt der Tiberiussegen könnten gerade in schweren Zeiten dem einen und anderen Kraft spenden. Aus dem Zuspruch Jesu, dass er Menschen, die ihm vertrauen, nicht allein lasse, könnten Christen Zuversicht schöpfen und müssten sich nicht fürchten, sagte Pfarrer Loi mit Blick auf das Tagesevangelium.
Zeichen dieser Zuversicht und Ausdruck des Vertrauens in die Fürsprache des heiligen Tiberius sind die Fläschchen mit „Tiberiuswasser“, die in dem Gottesdienst gesegnet wurden. Unter Berufung auf des heiligen Tiberius Verdienst und Fürbitte „werde dieses Wasser all denen, die damit besprengt werden oder in Berührung kommen, zum Schutz vor allem Unheil und zum Heilmittel für Gesundheit und gutes Gedeihen“, betete Pfarrer Loi. Beim Spenden des Tiberiussegens erbaten die Segensspender Heil und Frieden, während sie den Gläubigen einzeln das Kissen mit der Reliquie über das Haupt hielten.
Jungen Menschen den Glauben vermitteln
Im Rahmen des Gottesdienstes wurde außerdem der Tiberiuspreis verliehen. In Erinnerung an Märtyrer, der als junger Christ für seinen Glauben einstand, werden damit jedes Jahr junge Christen sowie Menschen, die sich aus ihrem Glauben heraus für die Jugend einsetzen, ausgezeichnet. Dieses Jahr geht der Tiberiuspreis an die Jugend 2000 Oberschwaben. Die jungen Ehrenamtlichen organisieren seit vielen Jahren Gebets- und Vortragsabende sowie Prayerfestivals, um Jugendlichen und jungen Menschen den Glauben zu vermitteln. „Damit stellen sie sich in den Dienst Gottes an uns Menschen, vor allem an den Jugendlichen und jungen Menschen. Durch dieses Engagement bekennen sie sich im Sinne des heiligen Tiberius zu ihrem Glauben in vorbildhafter Weise. Dieses Bekenntnis zu den christlich-katholischen Werten ist, besonders in dieser Zeit, für uns hoch zu schätzen“, heißt es in der Verleihungsurkunde.
In einem kurzen Dankeswort stellte Christopher Hog die Jugend 2000 vor und berichtete, wie vor Jahren eine Jugendwallfahrt zu einer Art Wende in seinem Glaubensleben wurde: „Die Kirche ist lebendig, die Kirche ist jung, die Kirche ist dynamisch, die Kirche ist cool, Glaube ist faszinierend“ – das strahle diese jugendliche Bewegung aus und davon habe er sich angezogen gefühlt. Junge Menschen zu einer persönlichen Beziehung zu Jesus zu führen, sei die Mission der Jugend 2000, die in elf deutschen Diözesen und auch international aktiv ist. Der geistliche Begleiter der Jugend 2000 in der Diözese Rottenburg-Stuttgart, Pfarrer Kilian Krug (Seelsorgeeinheit Schemmerhofen), konzelebrierte beim Wallfahrtsgottesdienst.
Jugend 2000
Die Jugend 2000 ist eine internationale katholische Bewegung junger Menschen, die den Wunsch haben, ihren Glauben zu vertiefen und ihre Begeisterung für Christus und seine Kirche mit anderen zu teilen. Durch die Weltjugendtage und die Aufforderungen Johannes Pauls II., die Protagonisten der Neuevangelisierung zu werden, ist die Jugend 2000 im Jahr 1989 entstanden und möchte diesen Auftrag erfüllen. "Wir haben die Vision, die Jugend der Welt um die Eucharistie zu versammeln. Nach dem Vorbild der Muttergottes wollen wir selbst immer mehr zu Menschen der Anbetung werden. Wir wollen mit unserem Leben Zeugnis für Christus geben, Wächter des neuen Morgens und Baumeister einer neuen Zivilisation der Liebe sein", schreibt die Bewegung über sich.
Der Tiberiusorden geht an Brunhilde Barth und Kirstin Mark, die sich seit Jahren ehrenamtlich in den Schülergottesdiensten in Ober- und Untermarchtal engagieren und ihnen mit Gitarren- oder Keyboardspiel einen schönen musikalischen Rahmen schenken.