Jubiläum

„Ich bin Schwabe. Ich bin Pfarrer. Ich male Bilder.“

Start ins „Sieger-Köder-Jahr 2025“: Mit einem umfangreichen Programm wird in diesem Jahr an den berühmten Malerpfarrer von der Ostalb erinnert. Das Foto zeigt ihn vor dem Uracher Altar (Ausschnitt Mitteltafel: „Das neue Jerusalem“). Foto: Hermann Sorg

Am 3. Januar wäre Malerpfarrer Sieger Köder 100 Jahre alt geworden. Weggefährte Hermann Sorg stellt das Programm des Sieger-Köder-Jahres 2025 vor.

Ausstellungen, Führungen, Vorträge, Exkursionen – Mit einem umfangreichen Programm wird in diesem Jahr an den Pfarrer und Künstler Sieger Köder (1925-2015) erinnert. Im Mittelpunkt des Festjahres stehen seine wichtigsten Wirkungsstätten auf der Ostalb. Im Interview erläutert Köders Weggefährte Hermann Sorg, Gründungsvorsitzender der Stiftung „Kunst und Kultur in Rosenberg“, die die Erhaltung und Verbreitung des künstlerischen Werkes von Sieger Köder fördert, verschiedene Facetten des berühmten Malerpfarrers. Zur Eröffnung des Sieger-Köder-Jahres feiert Bischof Dr. Klaus Krämer am 3. Januar um 17 Uhr in Wasseralfingen, seinem Geburtsort, einen Festgottesdienst.

Herr Sorg, wir wissen nicht, wie es im Himmel ist, aber angenommen, Sieger Köder könnte im umfangreichen Programm zu seinem 100. Geburtstag blättern: Was würde er dazu sagen?

Sieger Köder hat nie viel Aufhebens um sich gemacht, aber er wusste sehr wohl, dass seine Ideen und seine Gestaltungsmöglichkeiten durchaus bedeutend waren. Er hat sich immer gefreut, wenn davon etwas hinausgetragen wurde und bei den Menschen angekommen ist. Er hatte ja als Seelsorger eine relativ einfache Formel: „Ich möchte mit Bildern predigen und ich möchte‘, dass die Leute in den Himmel kommen“ – so hat er einmal gesagt. Und er hoffte, dort einmal alle wiederzusehen.

Köder ist deutschland- und europaweit bekannt geworden, seine wichtigsten Wirkungsstätten sind aber drei Orte auf der Ostalb – Wasseralfingen, Rosenberg und Ellwangen. Als Initiator des Sieger-Köder-Jahres haben Sie die meisten Veranstaltungen dort geplant. Was sind die Highlights des Programms?

Erstes Highlight ist der Eröffnungsgottesdienst mit unserem neuen Bischof am 3. Januar, dem 100. Geburtstag Köders, in Wasseralfingen, seinem Geburtsort. Am selben Tag wird dort auch eine Ausstellung eröffnet. Wir wollen mit den Veranstaltungen seinen Lebensweg nachgehen: Dazu gehört ein Gedenkgottesdienst anlässlich des 10. Todestages am 9. Februar, der dementsprechend in Ellwangen gefeiert wird. In Rosenberg, wo Sieger Köder 20 Jahre Pfarrer war, wird Ende März eine Ausstellung mit Zeichnungen eröffnet und im Sommer wird es ein kleines Fest geben, wo wir viele Freunde erwarten, um uns über Sieger zu unterhalten.

Man kennt Sieger Köder vor allem mit seinen farbenprächtigen Bildern und auch Glasfenstern. Was hat es denn mit den Zeichnungen auf sich, die Sie zeigen wollen?

Köder hat auch ein großes Talent für Zeichnungen gehabt, und für Karikaturen. Wir haben in seinem Nachlass, der ja hier in Rosenberg aufgearbeitet wird, bis jetzt etwa 700 Zeichnungen entdeckt, die nach und nach digitalisiert und verschlagwortet werden, um sie der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Oft ist das nur eine Skizze auf einem Papiertischtuch, aber es gibt auch bis zur Druckreife gefertigte Zeichnungen. Auf jeden Fall ist das eine neue Seite von Sieger Köder, die wir in der Ausstellung zeigen, eine eher humorige Seite, weil man ja über Karikaturen auch lachen darf.

Worum geht es da?

Als Karikaturist vermochte er Themen und Sachverhalte, die man in Worten schwer fassen kann, zeichnerisch zu bearbeiten. Ein Beispiel: In seinem Nachlass fanden wir eine Mitschrift aus einer Kirchengeschichtsvorlesung von Professor Karl August Fink an der Uni Tübingen. Sieger Köder hat nicht nur mitgeschrieben, sondern immer wieder auch gezeichnet. In einer Zeichnung, die prägend ist und mir dieser Tage wieder in den Sinn gekommen ist, geht es um die synodale Kirche: Auf der einen Seite sieht man karikiert den hierarchischen Aufbau der Kirche, auf der anderen Seite einen Kreis, wo alle zusammensitzen.

Synodalität ist ja ein großes Thema unserer Zeit. War Köder ein Visionär?

Auf jeden Fall hat Sieger Köder ein großes Geschichtswissen gehabt. Exemplarisch zeigt das ein Ölbild, in der die Kirchengeschichte als Pokerspiel um Macht und Einfluss zwischen Papst, Kaiser, Bischöfen und Kardinälen dargestellt ist. Auf einigen Karten sind aber auch Persönlichkeiten zu sehen, die für eine andere Geschichte der Kirche stehen, wie Franz von Assisi oder Joachim von Fiore. Um dieses Thema – Sieger Köder und die Kirchengeschichte – geht es in einem Vortrag des Kirchenhistorikers Professor Hubert Wolf am 5. November in Rosenberg. Das ist ein Höhepunkt zum Ende des Sieger-Köder-Jahres.

Da wir schon bei den Visionen sind: Wie hat sich Köder zur Rolle der Frau in der Kirche künstlerisch positioniert?

Im Obergaden der Hohenberger Jakobuskirche, die Sieger Köder mit Bildfenstern ausgestaltete, sind auf der Nordseite Personen des Alten Bundes und auf der Südseite Heilige unserer Tage zu sehen. An den vier Eckpunkten finden sich jeweils Frauenfiguren: auf der alttestamentarischen Seite die Ähren lesende Ruth sowie Anna selbdritt, also die heiligen Anna mit ihrer Tochter Maria und dem Jesuskind; auf der anderen Seite Maria sowie Edith Stein. Dazu sagte Sieger Köder: „An den Eckpunkten unserer Kirche sind Frauengestalten.“ In Sankt Stephanus in Wasseralfingen schuf er den sogenannten Frauenaltar, den linken Seitenaltar um die spätgotische Marienfigur, und malte Frauen, die sich wie Maria von Gott in besonderer Weise ansprechen ließen: Elisabeth von Thüringen, Edith Stein, Jeanne d’Arc und Mutter Teresa. Ich freue mich sehr auf den Vortrag von Pfarrerin i.R. Kathrin Buchhorn-Maurer, eine evangelische Theologin, die hier zu Zeiten von Sieger Köder Pfarrerin war, was sie am 14. November in Wasseralfingen zu diesem Thema sagen wird.

Sie waren Wegbegleiter und guter Freund des Malerpfarrers. Was sind die wichtigsten Facetten, die sein Werk und die ihn als Mensch charakterisieren?

Zunächst einmal der Mensch: Sieger Köder hat immer das Positive und das Gute gesehen. Er war ein Mensch, der nie über andere schlecht geredet hat. Ich erinnere mich an eine Situation, da ging es um moderne Kunst, die absolut niemand verstanden hat, und Sieger Köder sagte dazu: Du weißt nicht, was der Künstler dabei gedacht hat, und deswegen lassen wir das so stehen… Für Sieger Köder war der Austausch mit anderen immer wichtig. Er war ein Mensch mit Schalk im Nacken und mit Tiefgang, der nach allem, was ihm als junger Mann an Leid im Krieg passiert ist, auch über sich selbst nachgedacht hat.

Und sein Werk?

Vielfalt und Ideenreichtum. Immer wieder tauchen Dinge auf, die soweit ich weiß in der Kunst neu waren, zum Beispiel in dem berühmten Bild von Emmaus: Die beiden Jünger laufen weg von Jerusalem nach Emmaus. Sieger malt drei Schatten, von den beiden Jüngern und vom auferstandenen Jesus, der nicht erkannt wird. Dieser hat einen leuchtenden Schatten – das ist etwas, das es so in der Kunst vorher wohl noch nicht gegeben hat. Oder an Weihnachten: Er malt in die Krippe das Evangelienbuch hinein: „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt. Und wir?“ Und jetzt kann man anfangen, selbst nachzudenken, was er damit gemeint hat.

Der knitze Humor von Sieger Köder klang schon an. Berühmt sind ja seine Clowns-Darstellungen, von denen es zwei lebensgroße Skulpturen und verschiedene Bilder auch im Sieger-Köder-Zentrum gibt. Warum war Köder der Humor so wichtig?

Das hat viel mit seinem Gottesbild zu tun, das eigentlich immer positiv gestimmt ist. Im übrigen ist sein Humor tiefgründiger, als es auf den ersten Blick den Anschein hat. Sieger Köder war seit Kindesbeinen ein begeisterter Zirkusfan. Der Clown, der Harlekin, der Narr, den er hundertmal gemalt hat, ist ja nicht unbedingt nur zum Lachen, sondern hat auch eine melancholische oder traurige Seite. Im Studium entdeckte er den Narren als Sinnbild des Menschen überhaupt. Im Narren erkennt man den wahren Menschen. Der Narr war ja früher derjenige, der beim Herrscher die Wahrheit sagen und ihn kritisieren durfte und von daher auch eine grundlegende Korrekturfunktion hatte.

Soeben ist das Heilige Jahr zum Thema „Pilger der Hoffnung“ eröffnet worden. Welche Rolle spielte das Pilgern für Sieger Köder?

Sieger Köder war 1,90 groß, von starker Statur, hatte früher Fußball gespielt und dann das Wandern für sich entdeckt. Als er 1975 auf den Hohenberg kam, hat ihn sein Freund Bruno Heck, ein gebürtiger Aalener, ehemals Bundesfamilienminister und zu der Zeit Chef der Konrad-Adenauer-Stiftung, darauf gebracht, dass es einen Jakobsweg gibt. Diesen Jakobsweg, zu dem es damals kaum Literatur gab und der selbst in Spanien etwas in Vergessenheit geraten war, haben die beiden dann zusammen mit weiteren Freunden Ende der 1970er-Jahre unter die Sohlen genommen. Sieger Köder war ja Pfarrer einer Jakobuspfarrei und hat diesen Weg auch als spirituellen Weg des Lebens empfunden: Der Mensch ist ein dauernd unterwegs Seiender, ein Pilger, der von Anfang bis Ende des Lebens unterwegs ist auf Gott hin. Insofern war er vom Thema des Pilgerns einfach fasziniert und ist mit seinen Ministranten, zu denen ich gehörte, auf verschiedenen Jakobsrouten in Süddeutschland gelaufen.

Im Programm des Sieger-Köder-Jahres gibt es noch viele weitere Veranstaltungen zu entdecken – Vorträge, Exkursionen, Ausstellungen… Wie würden Sie Sieger Köder mit seinen vielfältigen Facetten in wenigen Worten beschreiben?

Am knappsten ist seine Selbstbeschreibung, die er einmal bei Radio Vatikan gegeben hat: „Ich bin Schwabe. Ich bin Pfarrer. Ich male Bilder.“

Hinweis

Das Programm zum Sieger-Köder-Jahr gibt es (auch zum Download) bei der Stiftung „Kunst und Kultur in Rosenberg“: https://kukir.de/100-jahre-sieger-koeder/

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