Franziska drückt nachdenklich die Tasten des Telefons. 0800/1110111, das ist die Nummer der Telefonseelsorge. Als Geschiedene lebt sie alleine. Franziska leidet unter Multipler Sklerose, der Ex-Mann, ihr Sohn und eine Freundin sind die einzigen Bezugspersonen. Corona hat Franziska noch einsamer gemacht. Sie geht nur selten an die frische Luft, wenn es ihr gesundheitlich etwas besser geht. Dabei hält sie zu allen Menschen großen Abstand. Eine Covid-Infektion wäre für sie tödlich, ist sie überzeugt. Die Frau um die 60 braucht jetzt einfach jemanden zum Reden.
"Telefonseelsorge", meldet sich Alois Nuber am anderen Ende. Der Ehrenamtliche hatte sich an diesem Tag für den Dienst eingetragen und nimmt Franziskas Anruf in den Räumen der Einrichtung entgegen. Für beide Seiten ist Anonymität garantiert, weshalb der Name der Ratsuchenden erfunden und der des Beraters geändert wurde. Als Franziska zu erzählen beginnt, erkennt Nuber ihre Stimme. Der Zufall hatte sie vor einigen Wochen schon einmal zusammengeführt. Damals berichtete die Anruferin, wie sehr es sie belastet, wenn Ex-Mann und Freundin die Lebensmittel nur vor die Tür stellen - ohne direkten Kontakt.
Sie wollte einfach gehört werden
Heute fühlt sich Franziska wieder besonders alleine. Ihre Freundin will sie nicht schon wieder am Telefon belästigen. Nuber hört aufmerksam zu, fragt nach, will verstehen. Sie kommen auch auf die Fernsehsendungen zu sprechen, die die wieder ansteigenden Infektionszahlen der Corona-Pandemie analysieren und diskutieren. Im Gegensatz zu anderen Anrufern sei Franziska zwar seelisch belastet, aber nicht psychisch erkrankt, erklärt Nuber hinterher. "Sie hat auch nicht gejammert, sie wollte einfach nur gehört werden", ergänzt der Seelsorger. Nach über einer Stunde ist Franziskas Redebedarf gestillt. Sie bedankt sich herzlich und legt auf.