Kommt ihr Sohn an Weihnachten oder nicht? Und wie ist es dann miteinander? Die ältere Dame wirkt verunsichert und freut sich, dass Andrea Rehm ihr zuhört, sie ausreden lässt und interessiert nachfragt. Die Seniorin hat das Gefühl verstanden zu werden. Rehm engagiert sich seit zehn Jahren bei "Orte des Zuhörens", ein niederschwelliges Gesprächsangebot der katholischen Kirchengemeinden in Ravensburg und der Caritas Bodensee-Oberschwaben. Einsamkeit und familiäre Konflikte seien gerade um Weihnachten herum häufig ein Thema, weiß die 60-Jährige aus ihrer langen Erfahrung.
An drei regelmäßigen Terminen in der Woche sind die etwa 25 Zuhörerinnen und Zuhörer im Eingangsbereich der Liebfrauenkirche und im Haus der Katholischen Kirche jeweils zu zweit und für zwei Stunden anzutreffen. Außerdem begleiten sie Aktionen in der Kirche St. Jodok. An allen Orten machen Aufsteller auf das Angebot aufmerksam. Ausgebildete Ehrenamtliche wie Andrea Rehm, aber auch Mitglieder des Pastoralteams tragen sich für die einzelnen Dienste ein. Von zufälligen Besucherinnen und Besuchern bis zu Menschen, die regelmäßig bewusst mit einem Anliegen vorbeischauen - sie heißen alle willkommen. "Ich selber kann mir fremde Kirchen woanders auch immer besser merken, wenn da ein Gesicht war", bemerkt Andrea Rehm.
Offen sein und wertschätzen
Zuhören zu können sei eine hohe Kunst. Die Ehrenamtliche, die ansonsten im Bildungszentrum St. Konrad in der Schülerbetreuung tätig ist, hat Respekt vor dem nicht planbaren Dienst. Immer wieder mache sie sich darüber Gedanken, wie ihre Körperhaltung auf andere wirke und wie offen sie sei. "Man muss das Feingefühl haben zu sehen, wer kommt und Ruhe braucht und wer auf der Suche ist", erklärt Andrea Rehm. Reagiere jemand auf den Blickkontakt, biete sie den Leuten einen Tee oder ein Glas Wasser an. Das sei oft der Türöffner für ein Gespräch. "Es gibt auch Leute, die dann gehen und erst beim nächsten Mal wieder kommen", fügt sie hinzu.