Jugend

Ich habe lieber eine laute Schulklasse

Im Burghof von Schloss Beilstein verbringen die Schüler:innen ihre bewegten Pausen. Foto: DRS/ Nelly Swiebocki-Kisling

Auf Schloss Beilstein fanden die ersten ökumenischen Tage der Orientierung (TdO) statt - ein erfolgreiches Pilotprojekt.

Beeindruckend thront das mittelalterliche Schloss Beilstein auf halber Höhe unter der Burg Hohenbeilstein. In diesem romantischen Ambiente lässt es sich nicht nur gut feiern. Seit vielen Generationen wird das Schloss als Haus der Kinderkirche auch Gruppen aus den Kirchengemeinden zur Verfügung gestellt. Die Tage der Orientierung (TdO) haben hier würdige Räume für eine gute ökumenische Zusammenarbeit gefunden.

Fröhliche Stimmen

Schon von Weitem hört man fröhliche, jugendliche Stimmen aus dem Schlosshof. Es sind die Stimmen von 24 Schüler:innen - neun Jungen und 15 Mädchen - die gerade ihre Pause mit Spielen und privaten Gesprächen verbringen.

"Es geht immer um Persönliches"

Vom 2. bis 4.Juni und vom 4. bis 6 Juni sind in diesem Jahr zwei neunte Klassen des Zabergäugymnasiums in Brackenheim auf dem Schloss Beilstein in den Genuss gekommen, die ersten ökumenisch durchgeführten TdO zu erleben. TdO sind ein Angebot an Schulklassen ab Jahrgangsstufe neun, für 2½ Tage außerhalb der Schule, als Gruppe an einem selbstgewählten Thema zu arbeiten. Markus Erdmann erklärt, worum es geht: „Es geht immer um Persönliches, um das eigene Ich der Jugendlichen. Dabei ist die Konfession egal. Die Jugendlichen sind froh, dass da jemand ist, der zuhört. Das ist das Entscheidende.“

"Als Kirche sind wir für alle jungen Menschen da."

Markus Erdmann arbeitet für die Fachstelle Schulpastoral der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Seine Hauptaufgabe ist es, die TdO der Fachstelle Schulpastoral zu leiten und Teamer:innen weiterzubilden. Die meisten studieren in Tübingen und machen so wertvolle Erfahrungen im pädagogischen und theologischen Kontext. In diesem Jahr ist Erdmann bereits das 34. Mal bei den TdO dabei - zum ersten Mal in einer Kooperation mit dem Evangelischen Jugendwerk und Sabine Schmalzhaf, die für die Tage der Orientierung des Evangelischen Jugendwerks zuständig ist.
Das Angebot ist für die Schüler:innen freiwillig – dennoch nehmen die 14 bis 16-Jährigen immer gerne an den Tagen teil. Und auch für die Kirchen sind die Begegnungen wichtig, sagt Markus Erdmann: „Als Kirche sind wir für alle jungen Menschen da. Und wenn wir als Christen zu den Menschen gehen, dann hat das Relevanz.“

Im Fokus stehen die Fragen, die Jugendliche bewegen

Auf Schloss Beilstein wird Erdmann von den ehrenamtlichen Teamer:innen Rita Bartels, Nathalie Ulmer, Mathis Weisbach und Sarah Waneck unterstützt. „Im Fokus stehen die Fragen, die in diesem Alter viele junge Menschen beschäftigen, etwa zum Thema Partnerschaft, Sexualität, Elternhaus, Freundschaft, den Umgang mit Stress, aber auch über den Sinn des Lebens,“ erklärt Teamerin Rita Bartels. Ihre Kollegin Sarah Waneck ergänzt: „Dabei haben wir ein Rahmenprogramm mit einem Tag- und einem Nachtimpuls. Diese können christlich sein, das muss aber nicht sein.“ Für Teamer Mathis Weisbach ist die größte Herausforderung, eine stille Gruppe zum Reden zu bringen – denn darum geht es bei den TdO: „Ich habe lieber eine laute statt einer stillen Gruppe.“

Nach einem Tag schon die ersten Erkenntnisse

Natalie Dies (14) ist eine der Schüler:innen auf Schloss Beilstein. Die TdO tun ihr gut, bestätigt sie: „Wir haben uns mit unseren Gefühlen und Gedanken beschäftigt und mit den Fragen zu unserer Zukunft. Die ersten Antworten habe ich schon erhalten.“ Marko Osmjago-Arajs (15) geht es ähnlich, wie seiner Mitschülerin: „Mir war der Sinn des Lebens zuerst nicht klar. Schon nach einem Tag hatte ich aber die ersten Erkenntnisse. Ich nehme definitiv etwas mit.“ Und Sophia Sommer berichtet: „Am Anfang ist es mir schwergefallen, über Persönliches zu reden. Aber wir müssen hier gar nichts sagen. Deshalb habe ich mich in der Gruppe so wohl gefühlt, dass ich es mir dann irgendwann doch sehr gutgetan hat, über mich zu reden.“

Ein Baustein für ein gelingendes Aufwachsen

Teamer:in Natalie Ulmer war das erste Mal dabei und ist sehr zufrieden mit den Tagen auf Schloss Beilstein: „Wir haben uns zuerst mit der Vergangenheit der Schüler:innen beschäftigt. Später ging es dann in Richtung Zukunft. Am Ende haben wir in einem Rückblick die gemeinsamen Tage Revue passieren lassen. Die Zusammenarbeit war sehr toll und sehr offen.“ Auch Markus Erdmann zieht eine positive Bilanz: „Ich bin einfach dankbar, dass es solche Angebote gibt. Sie zeigen den Jugendlichen, dass sie gehört werden und sind ein Baustein für ein gelingendes Aufwachsen. Wenn Beziehungen gelingen, wenn wir auf Augenhöhe gearbeitet haben, dann waren wir erfolgreich. Das ist auch diesmal voll gelungen.“

Im Interview erklärt Markus Erdmann das Konzept der Ökumenischen Tage der Orientierung:

Wie muss man sich die ökumenische Zusammenarbeit während der ökumenischen TdO vorstellen?
Von katholischer Seite aus gibt es drei große Anbieter in der Diözese („der Berg“, SOG Oberschwaben, die Fachstelle Schulpastoral) plus die Jugendreferate und dann auch noch evangelische Anbieter. Jeder Anbieter hat sein eigenes Profil und sein eigenes Konzept. Diese erste ökumenische Zusammenarbeit zeichnet aus, dass wir bei einer Klasse das Konzept des Evangelischen Jugendwerks EJW mit einem ökumenischen Team und bei der Parallelklasse das Konzept der Schulpastoral gemeinsam durchführen.

Wer ist Ihre Zielgruppe?

Unsere Zielgruppe besteht generell aus Schulklassen ab der Klassenstufe 9. Egal welcher Schulform, auch Schulen der Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren (SBBZ), worauf ich sehr stolz bin. Wichtig ist hier, dass immer die gesamte Klasse auf freiwilliger Basis eingeladen ist. Alle Schüler:innen sind willkommen. Egal welcher Religion oder Konfession angehörig.

Wie wollen Sie Jugendliche in Ihrer Persönlichkeitsentwicklung begleiten?

Das Ziel ist es, „Räume“ anzubieten in denen Jugendliche ohne Leistungszwang sich Themen widmen können, die sie interessieren. Wir kommen nicht, um die Jugendlichen zu orientieren, sondern wir geben ihnen Zeit und gestaltbare Räume, damit die Schüler:innen sich überlegen können, was ihnen wichtig ist und wohin es in ihrem Leben gehen soll. Dies gestalten wir, indem wir als Ansprechpartner:innen und Gruppenleiter:innen fungieren und diesen Prozess mit verschiedenen Fragen und Methoden unterstützen.

Wie verlaufen die Tage?

Bei den Tagen der Orientierung der Schulpastoral wird der Fokus auf vier Kleingruppeneinheiten gelegt. Nach einem Kennenlernen im Plenum mit einer erlebnispädagogischen Einheit gehen die Schüler:innen in Kleingruppen zusammen, suchen sich eins der Themen aus ( zum Beispiel Sinn des Lebens, Umgang mit Ängsten, Selbst- und Fremdwahrnehmung, Liebe-Partnerschaft-Sexualität) und arbeiten dann an dem einen ausgesuchten Thema in vier Zeiteinheiten. Pro elf Schüler:inn geht ein:e Teamer:in mit. Eine Vorauswahl dieser Themen wird am Schulbesuch vor der TdO von den Schüler:innen ausgesucht. Morgens und abends gibt es dann noch spirituelle Im- und Expulse.

Warum ist die ökumenische Zusammenarbeit wichtig?

In der kirchlichen schulbezogenen Arbeit arbeiten und tagen wir schon seit vielen Jahren zusammen. Vor allem im „Kirsch“ Kontext, den es seit dem Jahr 2016 gibt.
Das Netzwerk Kirche und Schule ist eine ökumenische Initiative der Evangelischen Landeskirche in Württemberg und der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Die ökumenische Zusammenarbeit erfolgt in verschiedener Weise: von gemeinsamen Planungen und Aktionen vor Ort, Kooperationen verschiedener Institutionen, bis hin zu gelebter Gastfreundschaft. Alle unterstützen damit in Schulen ein menschenfreundliches Miteinander (Caring- und Sharing Community). Hier arbeiten Sabine Schmalzhaf und ich seit mehr als 3,5 Jahren zusammen und führen nun auch zum ersten Mal Tage der Orientierung zusammen durch, während es beispielsweise bei der Ausbildung der Schulselsorger:innen schon länger engere Kooperationen und Ausbildungskurse gibt.

Glauben Sie, dass Jugendliche gerade heute besonders viel Orientierungshilfe brauchen?

Krisen gibt es in der Menschheitsgeschichte schon immer. Auch meine Generation ist beispielsweise mit saurem Regen, Tschernobyl, dem 11. September und anderen Krisen und Katastrophen aufgewachsen.
Aber die Dichte an Ereignissen, die Unsicherheit am Arbeitsmarkt, die dramatischen Folgen des Klimawandels, den verschiedenen Kriegen, die Folgen der Corona Krise und eine Schnelllebigkeit unserer Zeit, gepaart mit der dauerhaften Verfügbarkeit und Überfrachtung dieser Ereignisse über social Media Kanäle, machen dieser Generation sehr zu schaffen. Hier müssen wir als Kirche Ansprechpartner sein, Räume schaffen und jungen Menschen Zeit zum Durchatmen und zum Orientieren bieten. Hierfür müssen wir im Kontext Schule präsent sein, damit wir beim gelingenden Aufwachsen aller Jugendlichen mitgestalten können und unsere Rolle in der Zivilgesellschaft gerecht werden können.

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