"Ich konnte jetzt nochmals sein, was ich immer sein wollte: Seelsorger und Pfarrer", sagt Rudolf Hagmann im Rückblick auf die letzten neun Jahre in Tettnang. Eine so lange Zeit in einer Kirchengemeinde ist für den Neuruheständler nicht selbstverständlich. Von den beiden vorangegangenen Pfarrstellen berief ihn der jeweilige Bischof bereits nach zwei bis drei Jahren in eine überregionale Funktion. Zuletzt verließ er 2004 Ravensburg, um sich in der Diözesanleitung als Domkapitular um die 'Pastorale Konzeption' zu kümmern.
Kirche ist für die Menschen da
Auch für diese Zeit der Überlegungen und Strategien in Rottenburg ist Rudolf Hagmann sehr dankbar. Denn Theorie und Praxis korrigieren einander. Kirchliche Praxis werde ohne Reflexion zum Gewurstel und Theorie ohne Praxisbezug weltfremd. "Dass ich beides erlebt habe, ist wirklich heilsam", freut sich der 68-Jährige. So motivierte er zurück in der Gemeinde die Tettnanger, den diözesanen Prozess "Kirche am Ort, Kirche an vielen Orten" umzusetzen und sich mit Kooperationspartnern für das Wohl der Menschen in der Stadt einzusetzen.
"Da haben alle mitgemacht, es gab keine Widerstände", erzählt der engagierte Priester stolz. Beispielhaft nennt er das St.-Anna-Quartier, wo auf kirchlichem Grund bezahlbarer Wohnraum und eine integrative Form des Zusammenlebens entstand. Oder die Kapelle St. Georg in zentraler Innenstadtlage, die nun als Taufkirche und Pilgerherberge dient. Angestoßen hat die Kirchengemeinde in Hagmanns Amtszeit auch den Neubau des Loreto-Kindergartens, der nach der Fertigstellung ebenfalls nicht nur Katholiken offenstehen wird.
Den Blick nach vorne richten
Angesprochen auf unvollendete Baustellen denkt der zum 1. Oktober pensionierte Pfarrer aber nicht nur an Gebäude. Er sorge sich um die Zukunft der Kirche, was die Coronasituation noch verstärke. "Es geht mir dabei nicht um die Institution, sondern um die Botschaft", betont der Geistliche. Bei strukturellen Fragen wie der Zulassung von Frauen zu kirchlichen Ämtern bedauert er, dass sich die Institution nur mit der Vergangenheit beschäftige und frage, ob Frauen denn auch im Abendmahlssaal anwesend waren. Er richte den Blick eher nach vorne, wo der Geist Gottes die Kirche hinführen wolle.