Wenn sich keine Angehörigen um die Bestattung eines Verstorbenen oder einer Verstorbenen kümmern, ordnen kommunale Behörden die Einäscherung und Beisetzung an. In Heilbronn sorgt der Arbeitskreis (AK) Armenbegräbnis dafür, dass mittellos oder vereinsamt Verstorbene trotzdem einen würdigen Abschied bekommen. Der AK wurde vor 15 Jahren auf Initiative der Mitternachtsmission der Diakonie und der katholischen Kirchengemeinde St. Augustinus gegründet. Vertreter:innen der beiden Kirchen, der Stadt und aus sozialen Einrichtungen gehören dem AK an und haben sich auf einen Ablauf verständigt. Johannes Bläsi, Diakon im Zivilberuf in St. Augustinus, erklärt im Interview, wie dieser aussieht, wie er etwas über die Verstorbenen herauszufinden versucht und wie er die Urnenbeisetzungen gestaltet.
Herr Bläsi, wen bestatten Sie?
In den meisten Fällen sind es vereinsamte Menschen, die sich zurückgezogen haben und über die die Nachbarn nicht viel wissen. Viele lebten vereinsamt, obwohl sie auf dem Papier Kinder hatten. Zu denen hatten sie – aus unterschiedlichen Gründen – aber keinen Kontakt.
Wie kommt in solchen Fällen der AK ins Spiel?
Durch den AK ist zusammen mit der Stadt ein System entstanden. Das Ordnungsamt informiert einen Seelsorger: Bei katholischen oder konfessionslosen Verstorbenen bekomme ich eine E-Mail. Darin steht die letzte Wohnadresse. Die Todesnachricht geht gleichzeitig an verschiedene soziale Einrichtungen. Die Urne darf bis zu sechs Wochen stehen bleiben.
Was machen Sie mit der Information?
Ich gehe dorthin, wo die Verstorbenen zuletzt gelebt haben, klingle in der Nachbarschaft. Es ergeben sich Gespräche. So erfährt trotzdem jemand von dem Todesfall und kann durch das Gespräch von dem Verstorbenen Abschied nehmen. Ans Schwarze Brett im Wohnhaus hänge ich den Termin der Urnenbeisetzung, um dazu zu motivieren, daran teilzunehmen. Als ich erfuhr, dass ein Verstorbener oft in der Kneipe war, bin ich hingegangen. Dort wurde mir von ihm erzählt.
Sie recherchieren also zu den Verstorbenen?
Ja, ich recherchiere gern etwas zu der Geschichte der Menschen. Ich fühle mich beschenkt, wenn ich etwas über deren Leben erfahre, wenn ich auch an schwierigen Lebensläufen Anteil nehmen kann. Viele stehen mitten im Leben, dann geht die Ehe zu Bruch, es kommt zu Arbeitslosigkeit oder zu Suchtproblemen. Das katapultiert sie heraus, sodass niemand mehr da ist, wenn sie sterben. Es ist schlimm: Da hat jemand 70, 80 Jahre gelebt, und doch kennt ihn kein Mensch.
Was möchten Sie herausfinden?
Mich motiviert es, auch bei schwierigen Lebensläufen ein bisschen was zum Glänzen zu bringen. Es gibt fast immer etwas Positives, Liebenswertes über einen Menschen zu finden.
Wie gestalten Sie die Trauerfeier?
In der Trauerhalle fängt sie an. Es hängt alles davon ab, ob ich etwas über den Verstorbenen erzählen kann. Wenn ich nicht viel weiß, versuche ich, mit den Leuten, die sich einfinden, ins Gespräch zu kommen. Aus Pflegeheimen kommen zum Beispiel manchmal Mitarbeiter:innen zur Urnenbeisetzung. Nach einer Bibelstelle und dem Sterbesegen gehe ich aufs Feld, das von der Stadt für die Armenbegräbnisse vorgesehen ist.
Wie viele dieser Beisetzungen machen Sie?
Früher war es eine pro Monat, jetzt sind es mindestens zwei pro Monat. Es hat zugenommen. In diesem Jahr waren es bisher schon insgesamt 22.