Betriebsseelsorge

Im Einsatz für Fernfahrer und die Demokratie

Verabschiedung von Josef Krebs

Die Arbeitsgemeinschaft Fernfahrerseelsorge dankt ihrem früheren Sprecher Josef Krebs (rechts). Foto: DRS/Guzy

Seit 50 Jahren gibt es in Heilbronn eine Betriebsseelsorge. Die Feier dieses Ereignisses markiert zugleich einen Einschnitt in der Geschichte.

Nicht nur wegen seiner langen, zu einem Pferdeschwanz gebundenen Haare ist Josef Krebs eine markante Person. Der Heilbronner Betriebsseelsorger hat auch einen besonderen Arbeitsschwerpunkt: Er kümmert sich seit vielen Jahren um Fernfahrer und setzt sich für sie ein. Krebs geht auf Autobahn-Raststätten, um mit Lkw-Fahrern ins Gespräch zu kommen und ihnen Wertschätzung zu zeigen. Viel Wertschätzung für seine Person und seine Arbeit hat er sich dabei auch selbst verdient.

So würdigten nicht nur Kolleginnen und Kollegen aus dem Dekanat Heilbronn-Neckarsulm, aus der Betriebsseelsorge beider Kirchen, aus der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung, sondern zum Beispiel auch Vertreter:innen der Heilbronner Stadtverwaltung den Einsatz des Betriebs- und Fernfahrerseelsorgers anlässlich seiner Verabschiedung in den Ruhestand. Denn in wenigen Wochen endet für Krebs diese berufliche Aufgabe. Sein Abschiedsfest in der Böllingertalhalle im Heilbronner Stadtteil Biberach war zugleich die Jubiläumsfeier anlässlich des 50-jährigen Bestehens der Betriebsseelsorge in Heilbronn.

Diese wurde im Dezember 1974 gegründet. Laut Pfarrer Paul Schobel, Betriebsseelsorge-Pionier in der Diözese, kam Heilbronn damals zu den bereits bestehenden drei Betriebsseelsorge-Standorten dazu. Die Anfänge sind eng verbunden mit Karl Keicher aus Erlenbach. Schobel erinnerte an den ersten Heilbronner Betriebsseelsorger. Dieser sei ein Betriebsseelsorger mit Leib und Seele gewesen. „Wo Not am Mann war, war Karl zu finden“, sagte Schobel. Keicher sei von der Werkbank gekommen, seine praktische Berufserfahrung habe immer wieder durchgeschlagen. Schobel erwähnte, dass die Betriebsseelsorge sich zu Beginn ihrer Geschichte gegen innerkirchliche Widerstände durchsetzen musste.

Aufgaben der Betriebsseelsorge

Diakon Matthias Schneider, Leiter des Fachbereichs Kirche und Arbeitswelt – Betriebsseelsorge im Bischöflichen Ordinariat, knüpfte in seiner Ansprache daran an: „Der Gedanke, Seelsorge nicht nur in der Kirche, in kirchlichen Räumen, sondern direkt im Arbeits- und Lebensumfeld der Menschen anzubieten, war neu und visionär und stieß nicht nur auf sofortige Akzeptanz.“

Wenn man Gott aber bei den Menschen finden wolle, komme man nicht umhin zu reflektieren, was sich sozial, politisch und gesellschaftlich entwickele. Man komme nicht daran vorbei, in die Lebenswelt der Menschen einzutauchen. Schneider spannte den Bogen von der Vergangenheit zur aktuellen Situation in der Automobilindustrie und den Zulieferbetrieben, wo Entlassungen drohen. Das seien Themenbereiche, wo Betriebsseelsorger:innen wichtig seien. Ohne diese wäre Kirche hier nicht vertreten. "Menschen zu begleiten, wenn sie sich herabgesetzt, benachteiligt, nicht wertgeschätzt fühlen oder gar ausgebeutet werden, das ist unsere Berufung und Aufgabe in der Betriebsseelsorge“, sagte der Fachbereichsleiter.

Mit Bus- und Lkw-Führerschein

Nach dem Eintritt von Keicher in den Ruhestand im Jahr 1999 und seinem frühen Tod im Jahr 2000 übernahm Josef Krebs die Nachfolge in Heilbronn. Im Jahr 2001 wurde er als Betriebsseelsorger eingeführt. Für die Feier damals hatte Krebs ganz bewusst keine Kirche, sondern ein Unternehmen für Kompressoren gewählt. Karl Rank, früher Betriebsratsvorsitzender in diesem Unternehmen, erzählte davon - und von seiner ersten Begegnung mit dem Mann, der einen Pferdeschwanz trägt.

„Die Botschaft Jesu macht nicht vor den Werkstoren halt“, sagte Krebs zu dieser Episode. Als Betriebsseelsorger widmete er sich ab 2003 schwerpunktmäßig der Fernfahrerseelsorge. Um den Job nicht allein aus der Schreibtisch-Perspektive zu erledigen, machte Krebs sogar den Bus- und Lkw-Führerschein und wurde ab 2005 neben seiner seelsorgerlichen Arbeit Aushilfsfahrer beim Busunternehmen Gross in Heilbronn.

Andreas Kühner, geschäftsführender Gesellschafter, erzählte, wie Krebs sich ohne Berufserfahrung bewarb. Die Probefahrt sei holprig gewesen. Doch habe der Fahrdienstleiter Potenzial gesehen. Krebs sei schnell eine Ansprechperson für die Kollegen geworden. Acht Jahre lang, von 2014 bis 2022, war er sogar Betriebsratsvorsitzender im Busunternehmen. Kühner berichtete von der Unterstützung durch Krebs während der Corona-Pandemie, als die Busse standen und der Betrieb zum ersten Mal Kurzarbeit anmelden musste; oder davon, wie der Betriebsseelsorger zwei Busfahrer und deren Familien nach nicht-verschuldeten Unfällen begleitete.

Zusammenarbeit mit der Stadt

Mit der Stadt Heilbronn – besonders dem Personal- und Organisationsamt und dem Betrieblichen Sozialdienst – kooperierte Krebs zum Beispiel bei der Gesundheitswoche. Von besten Erfahrungen sprach erster Bürgermeister Martin Diepgen (CDU). Er sagte: „Die Stadtverwaltung schätzt Sie für die Arbeit und Kooperation.“

Kontaktarbeit zu Gewerkschaften gehörte ebenfalls zu Krebs Aufgaben. Marianne Kugler-Wendt, frühere, regionale Ver.di-Verantwortliche, hob das Zuhören als wichtigen Teil der Arbeit hervor. Als Video eingespielt wurde ein Grußwort von Pfarrer Wolfgang Herrmann, dem einstigen Leiter des Fachbereichs Kirche und Arbeitswelt – Betriebsseelsorge. Er würdigte nicht nur Krebs’ „sympathische Art, das Leben der Menschen zu verstehen und zu begleiten“, sondern ebenso seinen Einsatz für die freiheitlich-demokratische Grundordnung. So geht die Gründung der Initiative GleichWert im Dekanat Heilbronn-Neckarsulm vor allem auf seine Anregung zurück. Krebs war es außerdem immer wichtig, am Tag des Grundgesetzes mit einer Aktion in der Heilbronner Innenstadt für Freiheit und Würde einzutreten.

Ein besonderes Geschenk

Krebs habe es verstanden, ins Evangelium gleichsam hineinzuwachsen, sagte Pfarrer und Dekan Roland Rossnagel. Er dankte Krebs „für den Einsatz, wie nur Sie ihn zeigen konnten“. Volker Stücklen, einst Sozialsekretär beim Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt der evangelischen Kirche, stellte das gute ökumenische Miteinander heraus, das er als großen Schatz bezeichnete. Ein Symbol für diese Zusammenarbeit sei seine eigene Verabschiedung in den Ruhestand gewesen, führte Stücklen aus. Diese fand 2010 im katholischen Heinrich-Fries-Haus statt. Mit einem Seitenhieb auf die heutige betriebsseelsorgerliche Situation in seiner Kirche, zeigte sich Stücklen beeindruckt von der Präsenz der Diözese Rottenburg-Stuttgart in der Betriebsseelsorge.

Die Kollegen von der Arbeitsgemeinschaft Fernfahrerseelsorge, der Mitglieder mehrerer Diözesen angehören, verabschiedeten Krebs, bis vor Kurzem ihr Sprecher. Geschenke unter anderem in Liedform gab es ebenfalls von den Kollegen und Kolleginnen aus dem Dekanat. Ulrike Häffner, Mitarbeiterin bei der Betriebsseelsorge Heilbronn, hatte für Krebs eine besondere Überraschung vorbereitet, die für einen Moment der Rührung sorgte: In Anspielung auf den Handy-Klingelton des Betriebsseelsorgers spielte Jörg Venth auf dem Dudelsack das schottische Stück „Highland Cathedral“.

Appell zum Schluss

Einen emotionalen Appell für Menschlichkeit setzte Krebs zum Schluss der Veranstaltung. Er forderte alle auf, sich die Herzlichkeit nicht nehmen zu lassen. Die Feier ging - nach dem Lied "Brot und Rosen" - zugleich mit einer Ungewissheit zu Ende. Denn derzeit gibt es noch keine direkte Nachfolge für die Heilbronner Betriebsseelsorge-Stelle. Schneider versprach, alles zu tun, damit es eine Kontinuität der Arbeit gebe.

Eine gewisse Kontinuität zeichnet sich dagegen schon jetzt bei Krebs persönlich ab: Er will nach dem Ende als Betriebsseelsorger weiterhin als Aushilfsbusfahrer unterwegs sein.

Zur Person

Josef Krebs wurde 1958 geboren. Er ist in Marbach am Neckar aufgewachsen. Krebs machte eine Ausbildung zum Elektroanlageninstallateur in Ludwigsburg und dann das Abitur auf dem zweiten Bildungsweg. Nach dem Studium der katholischen Theologie in Tübingen folgte die Ausbildungszeit als Pastoralassistent. Als Pastoralreferent arbeitete er dann von 1991 bis 2001 in Tübingen. Einer der Schwerpunkte in der Zeit war die Jugendarbeit. So war Krebs fünf Jahre lang Dekanatsjugendseelsorger. Auch die Arbeit mit obdach- und arbeitslosen Menschen gehörte dazu. Krebs zählte zu den Mitbegründern des Tübinger Arbeitslosentreffs, der bis heute als Beratungsstelle existiert. Im Jahr 2001 wechselte er dann als Betriebsseelsorger nach Heilbronn. Er organisierte auf Raststätten verschiedene Aktionen für Fernfahrer und war auch beim Truckerfestival in Geiselwind präsent.

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