Geschichte

Imposante Einblicke ins „württembergische Rom“

Zwei imposante Referate ließen aufhorchen: Ein Studientag des Geschichtsvereins der Diözese Rottenburg-Stuttgart behandelte den Bau und die Finanzierung des Gmünder Münsters sowie konfessionelle und innerkatholische Konflikte im frühen 19. Jahrhundert. Foto: drs/Jerabek

Studientag des Geschichtsvereins der Diözese nahm Bau des Gmünder Münsters und konfessionelle Konflikte im frühen 19. Jahrhundert in den Blick.

„Spannungsverhältnisse und Prozesse gehören zur Stadt und zur Stadtgeschichte“, betonte Bürgermeister Julius Mihm zu Beginn des Studientags, den der Geschichtsverein in Kooperation mit dem Stadtarchiv Schwäbisch Gmünd organisierte. Das Grußwort des Bürgermeisters und die Einführung des Geschichtsvereins-Vorsitzenden Prof. Dominik Burkard bereiteten den Boden für zwei interessante Vorträge, die neueste Forschungsergebnisse präsentierten.

Die Kunsthistorikerin Nadja Lang von der Universität Heidelberg widmete sich in ihrer Dissertation dem Heilig-Kreuz-Münster. Dieses zählt „zu den großen Pfarrkirchen des 14. Jahrhunderts im Deutschen Reich“. Sie ging der Frage nach, ob es im Laufe des Baus zu Planänderungen gekommen war und wer für die Finanzierung aufkommen musste. Ein Wechsel des Baumeisters um 1320 führte auch zu einer „innovativen Architektur: Es ist ein Hallenumgangschor mit einem Binnenchor mit Hochaltar, umschlossen von einem Kranz von Kapellen“, so die Kunsthistorikerin. Am Bau seien auch Sparmaßnahmen zu erkennen - „dezent und ohne die Gesamtwirkung des Chorbaus zu beeinträchtigen“. Vor allem die Maßnahmen an den Strebepfeilern sind auffällig, die deutlich machten, „dass sich gegen Ende der Baumaßnahmen Schwierigkeiten einstellen“. Ein zunächst eingezogenes Flachdach mache das deutlich.

Die Stadt und ihre Bürger steuern Löwenanteil bei

Wie kommt man im Mittelalter als notleidende Kirche zu Geld? Durch Verkauf von Grundstücken oder Renten, so Nadja Lang, und natürlich durch Ablässe. Diese spielten – im Gegensatz zu anderen Kirchenbauten etwa in Lübeck – in Gmünd eine große Rolle. Der zügige Wiederaufbau des Münsters nach dem Einsturz der beiden Türme 1497 war „offensichtlich durch sieben Ablässe“ möglich geworden. Dass die Stadt und ihre Bürger aber den Löwenanteil zur Finanzierung des Heilig-Kreuz-Münsters beigetragen haben, war für die Expertin unstrittig. Der Chorbau des Münsters blieb lange eine Art Vorbild für andere vergleichbare Chorneubauten – etwa in Schorndorf.

Ist Gmünd das „schwäbisch Nazareth“ oder nicht doch das „württembergische Rom“? Dieser Frage ging Amelie Bieg, Landeshistorikerin aus Stuttgart, in ihrem Vortrag nach, der gespickt war von innerkatholischen und antireformatorischen Konflikten der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Gmünd gehörte nun zum evangelischen Württemberg, blieb aber als einzige ehemalige Reichsstadt katholisch. Das führte – natürlich – zu Konflikten mit der evangelisch ausgeprägten Regierung in Stuttgart. Diese wollte die zahlreichen Andachten und Prozessionen in der Stadt reduzieren und traf auf heftigen Widerstand im katholischen Gmünd. Selbst der Stadtrat musste eingreifen und veröffentlichte laut Stadtratsprotokoll aus dem Jahre 1831: „Bethen ist kein Misbrauch. Größere Pracht führt zu Hingebung und Andacht.“

Gmünder beharren auf bisherigen Frömmigkeitsformen

Amelie Bieg zeigte auf, wie sich die konfessionelle Zusammensetzung der Stadt veränderte. Anlässlich der Stadtschultheißenwahl 1840 „entspann sich in der Stadt ein Streit darüber, welche Konfession der künftige Stadtschultheiß haben sollte“, so Bieg. Es war eine Art Kampf der Toleranz gegen die katholische Mehrheit. Letztlich gewann der Katholik Franz Joseph Steinhäuser.

Auch im innerkatholischen Streite blieb Gmünd streng gläubig. Die Reformen der katholischen Aufklärung wurden schlicht abgelehnt. Das bekam Kaplan Wilibald Lauter 1839 zu spüren, der starke Befürworter seiner konservativen Haltung hatte, aber auch auf Gegenwehr stieß. Als gar seine Fenster eingeworfen worden waren, wurde er unter Protest der Gmünder Katholiken versetzt. Die Behauptung, Gmünd sei die „rechtgläubigste Stadt Württembergs“ und damit das „württembergische Rom“, sei, so Amelie Bieg, „sicher überspitzt formuliert“. Richtig bleibe aber das „Beharren der Gmünder Bevölkerung auf die bisherigen Frömmigkeitsformen und die Bereitschaft zum Konflikt mit den Protestanten und mit der protestantisch dominierten Obrigkeit Württembergs“.

Am Nachmittag konnten die Studientagsteilnehmer mit Führungen durch die „staufische Stadt“ (Julius Mihm) und durch „Gmünd im Mittelalter“ (Stadtarchivar Niklas Konzen) die konfessionelle Geschichte der Stadt regelrecht anschauen. Prof. Ulrich Müller referierte über die Stadtgeschichte des 20. Jahrhunderts, vor allem über den Konflikt mit dem Kriegs- und Nachkriegsbürgermeister Franz Konrad. Mit einer Führung durch das Münster endete der faktenreiche Studientag.

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