Das Nachdenken über „Gott und die Welt“ bildet seit langem einen Schwerpunkt im Dekanatsprogramm; das Jahr 2024 wird als „Jahr der Anthropologie“ begangen. „Was ist der Mensch, dass du an ihn denkst“ (Psalm 8,5) steht als Leitwort über der „Philotheo“-Reihe, die sich im Grenzbereich von Philosophie und Theologie bewegt. „Theologie ist verborgene Menschenkunde, also Kryptoanthropologie“, sagt Dekanatsreferent Dr. Wolfgang Steffel. „Und die Anthropologie, das heißt das Nachsinnen über das Wesen des Menschen, sagt viel darüber aus, was der Mensch vor und über und ohne Gott denkt, und so ist sie unausgesprochene Kryptotheologie.“
„Nein-sagen-Könner“ und „Ja-sagen-Dürfer"
Die beiden Extreme „ja“ und „nein“ als Ausdruck des freien Willens des Menschen und der Möglichkeit, Entscheidungen zu treffen, standen am Anfang der Überlegungen im traditionellen Haupt- und Leitvortrag. Das Bewusstsein für sich selbst und die Fähigkeit zu transzendieren, also Grenzen im Denken zu überschreiten und eine eigene ideale Wirklichkeit zu schaffen, mache den Menschen zu einem „Nein-sagen-Könner“, zum Asketen des Lebens und „ewigen Protestanten gegen alle bloße Wirklichkeit“, zitierte Steffel den Philosophen Max Scheler (1874-1928). Der durchschnittliche Mensch erlange seine Identität durch Akte der Abgrenzung und Unterscheidung und finde „am Widerstand, den uns das jeweilig andere entgegensetzt“, zu sich selbst, so Steffel unter Rückgriff auf Eugen Biser (1918-2014) weiter. In einer Gesellschaft, in der Abgrenzung, Distanz und Verweigerung oft konstitutiv zu sein scheint, seien Seminare zum „Nein sagen lernen“ fast schon folgerichtig.