Haushalt

„In der Krise müssen wir die Spielräume nutzen“

Der Stadtdekanatsrat hat in dieser Woche den kirchlichen Haushalt 2023 verabschiedet, der erstmals im doppischen Verfahren aufgestellt worden ist.

Die Erträge liegen bei 66,98 Millionen Euro, denen Aufwendungen in Höhe von 66,65 Millionen Euro entgegenstehen. In seiner Haushaltsrede machte Stadtdekan Christian Hermes deutlich, dass die Herausforderungen für die katholische Kirche größer sind denn je. „Wir werden uns von vielem Vertrauten, nicht nur der behaglichen Wärme in den Kirchen verabschieden müssen. Es wird weniger Priester und pastorale Mitarbeitende geben. Es wird weniger Standorte geben. Wir werden uns weniger leisten können. Lassen Sie uns den Kopf nicht in den Sand stecken, sondern die Spielräume in der Krise nutzen!“ Seine Vision ist: die Eigenverantwortlichkeit der Gemeinden vor Ort und vernetzt in den Sozialraum zu stärken, um als Kirche und Gemeinde lebendig und gesellschaftlich relevant zu bleiben. 

Zu Beginn seiner Rede bedankte sich Stadtdekan Christian Hermes erst einmal bei der ukrainisch griechisch-katholischen Gemeinde, deren Mitglieder seit Monaten nicht nur viele nach Stuttgart geflüchtete Ukrainerinnen und Ukrainer unterstützen, sondern die vom Fasanenhof aus auch viele Hilfstransporte in die Ukraine organisiert haben und weitere planen. „Dieser grausame Krieg dauert inzwischen zehn Monate an und ein Ende ist nicht absehbar, deshalb möchte ich unseren ukrainischen Schwestern und Brüdern erneut unsere Solidarität, in Wort und Tag, in Gebet und materieller Unterstützung versichern.“ Mehr als 400 000 Euro an Spenden sind bereits eingegangen, die die Hilfstransporte möglich gemacht haben.

Gefordert ist die katholische Kirche nicht nur in ihrer Unterstützung für die ukrainische Gemeinde, gefordert ist sie auch im Umgang mit dem Klimawandel und der Energiekrise. „Wir müssen für das Stadtdekanat und die Kirchengemeinde von zwei- bis dreifach höheren Kosten für Strom und Gas ausgehen. Ich danke sehr dafür, dass alle den Ernst der Lage erkannt haben und entsprechende Schlüsse gezogen haben, etwa bei der Beheizung von Kirchen und Gemeinderäumen. Die Kirchen sind kälter geworden, aber das werden wir aushalten“, sagte der Stuttgarter Stadtdekan. Die aktuelle Energiekrise sieht Hermes als Booster bei den Bemühungen um Energieeinsparung und Klimaneutralität, zu der sich das Stadtdekanat bis zum Jahr 2035 verpflichtet hat. Dazu beitragen, dieses Ziel zu erreichen, werde die Arbeit des Umwelt- und Energiebeauftragten im Stadtdekanat und auch die „Grüne Bauordnung“ der Diözese.

Die größte Herausforderung für die Kirche bleiben die hohen Austrittszahlen. Bereits im Jahr 2021 hat die katholische Kirche in Stuttgart Mitglieder im Umfang einer großen Kirchengemeinde verloren und für das Jahr 2022 zeichnen sich noch höhere Zahlen ab. Gründe sind die weitergehende Vertrauenskrise der Kirche, das mühsame Ringen um Reformen im Rahmen des Synodalen Weges, aber auch die Inflationsentwicklung, die viele Menschen zum Austritt bewegt, weil sie nach Sparmöglichkeiten suchen. „Deshalb ist es wichtig, dass die unerwünschten Einnahmen aus der Besteuerung der Energiepauschale in unserer Diözese besonders den Menschen zugute kommen, die von Armut bedroht sind.“

Um den Herausforderungen zu begegnen, setzt der Stuttgarter Stadtdekan auf die Stärkung von Eigenverantwortlichkeiten in den Gemeinden. „Mitgliederrückgang, geringere finanzielle Möglichkeiten, aber auch absehbar fehlendes Personal zwingen uns dazu, vorausschauend die Pastoral in den Kirchengemeinden und muttersprachlichen Gemeinden auszurichten. Es zeichnet sich schon jetzt ab, dass wir die Eigenverantwortlichkeit der Gemeinden vor Ort und vernetzt im Sozialraum stärken müssen, sowohl im spirituellen und gottesdienstlichen Leben, im Dienst am Nächsten, in der Weitergabe des Glaubens und im Aufbau tragfähiger Gemeinschaftsformen“, so der Stadtdekan. Gemeinde werde dort lebendig sein, wo Menschen vor Ort effektiv Verantwortung übernehmen. Ein pastoraler Entwicklungsprozess in Stuttgart, der 2023 starten soll, wird die Veränderungen begleiten und steuern.

Einen Überblick über den doppischen Haushalt gab die Verwaltungschefin Regina Neuhöfer, die erst einmal erläuterte, warum die Umstellung auf Doppik nötig war: „Ein wesentlicher Vorteil der Doppik ist, dass sie den kompletten Ressourcenverbrauch erfasst und damit auch die künftigen Generationen mitdenkt.“ Der Ergebnishaushalt des Stadtdekanats weist 2023 66,98 Millionen Euro Erträge und 66,66 Millionen an Aufwendungen auf. Ein großer Teil der Zuschüsse von Stadt, Land und Bund und auch ein Teil der Kirchensteuermittel fließen in die 60 katholischen Kindertagesstätten, von denen 12 zu Kinder- und Familienzentren weiterentwickelt worden sind. Im Kita-Bereich macht sich der Fachkräftemangel immer stärker bemerkbar, gegengesteuert werde mit einer Ausbildungsoffensive, Maßnahmen zur Personalentwicklung und verstärktem Personalrecruiting.

Auch im nächsten Jahr unterstützt das Stadtdekanat Investitionen in Kirchen und Gemeindehäuser, dazu zählt zum Beispiel die Sanierung der Kirche Mariä Himmelfahrt in Degerloch, der Einbau einer Kita in die Kirche St. Ulrich im Fasanenhof, die Sanierung der Kirche St. Nikolaus im Stuttgarter Osten und der Neubau des Gemeindehauses zum Guten Hirten in Stammheim. Mit Blick auf die vielen Krisen und die hohen Austrittszahlen machte die Verwaltungschefin Regina Neuhöfer deutlich: „Unsere Ressourcen sind begrenzt. Wir werden die hohen Kosten in der Unterhaltung und dem Betrieb unserer Gebäude nicht dauerhaft leisten können. Deshalb müssen wir unseren Gebäudebestand kritisch in den Blick nehmen.“ Viele Gesamtkirchengemeinden aber haben sich bereits auf den Weg gemacht, ihre Standorte langfristig zu entwickeln und kritisch abzuwägen. „Ich möchte Sie darin bestärken, diese schwierigen Abwägungsprozesse miteinander zu wagen und die Entwicklung aktiv zu steuern.“

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