Soziale Gerechtigkeit, Menschenwürde, Klimawandel und die Suche nach dem Sinn des Lebens: Wo Menschen sich für andere einsetzen, wo sie Rückendeckung suchen, ein Leitwort und Antworten auf die wichtigen Fragen des Lebens, da kann Kirche für sie da sein. Aber wie erreicht Kirche die Menschen? Das Spannungsfeld ist weit, die Möglichkeiten scheinen unendlich und ein Patentrezept gibt es nicht.
Auch die Menschen finden, die nicht suchen
„Wir müssen auch die Menschen finden, die uns nicht suchen“, sagt Bischof Dr. Gebhard Fürst, Vorsitzender der Publizistischen Kommission der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) anlässlich der Vorstellung des MDG-Trendmonitors am Mittwoch in Bonn. Der Trendmonitor ist eine großangelegte Studie zur Religiösen Kommunikation in Deutschland. Das Institut für Demoskopie in Allensbach und das Markt- und Sozialforschungsinstitut SINUS haben im Auftrag der MDG Medien-Dienstleistung GmbH und mit Unterstützung der DBK umfangreiche Interviews mit 1.690 Katholikinnen und Katholiken ab 14 Jahren geführt und ausgewertet.
Die Studie bietet zahlreiche Informationen, die kirchlichen Medienschaffenden wie auch Seelsorgenden in der Glaubenskommunikation Aufschluss darüber geben können, welche Menschen aus welchen Altersgruppen, Milieus und Interessensgruppen sich in welchen Medien für welche Themen bewegen – und bewegen lassen. (Zur Pressemitteilung über die Vorstellung der Studie)
Nicht passiv, sondern in der Defensive
Die Bindung der Menschen zur Kirche schwinde, zugleich sei das Interesse an christlichen Kernthemen wie beispielsweise Klimaschutz und Klimagerechtigkeit („Bewahrung der Schöpfung“) ungebrochen groß, sagt Bischof Dr. Gebhard Fürst. Es sei ein großes Problem, dass die Kirche bei den großen Themen dieser Zeit oft nur in einer passiven Rolle wahrgenommen werde. „Wir sind gar nicht passiv, sondern ich sehe uns hier in der Defensive. Wir beziehen ganz deutlich Position und zeigen das auch im Handeln. Wir werden aber nicht gehört – vielleicht auch, weil die Menschen uns diese Themen nicht zutrauen.“
Hier kann und soll der MDG-Trendmonitor ein Wegweiser sein. Die Studie zeigt deshalb auch Anknüpfungspunkte und Handlungsfelder auf – im überdiözesanen wie im regionalen und lokalen Bereich. Das bedeute nicht, dass man jeden Trend unhinterfragt befördert, so Bischof Fürst. Gleichzeitig müsse die Kirche selbst kommunikationsfähig bleiben und die Menschen dort erreichen, wo sie unterwegs sind. „Kirchliche Medienarbeit muss sich also immer auch selbst hinterfragen und weiterentwickeln.“
Plädoyer für Experimentierfreudigkeit
Eine stärkere Konzentration auf digitale Medien und soziale Netzwerke bedeute nicht das Aus für etablierte Publikationen wie den Pfarrbrief, macht Ariadne Klingbeil klar, die die Studie als Geschäftsführerin der MDG Medien-Dienstleistungs GmbH in einer Pressekonferenz vorstellte. Vielmehr könne zum Beispiel ein digitaler Newsletter als verlängernder Arm dienen, um Inhalte einer breiteren Leserschaft zugänglich zu machen.
Zudem böten digitale Angebote gute Instrumente, um Daten zu sammeln und Reichweiten zu messen, erläutert der Medienethiker Prof. Alexander Filipović (Universität Wien), einer der Fachkommentatoren des Trendmonitors. So lasse sich sehr genau verfolgen, welche Angebote bei wem auf Interesse stoßen. In der Kommunikation der Kirchen gehe es derweil nicht nur um Ansprache, sondern auch darum, anwesend zu sein in der Welt der Menschen von heute. „Ich plädiere dabei für größte Experimentierfreudigkeit und sehe ein großes Potenzial!“
Interaktion und Teilhabe ermöglichen
Das Internet habe eine andere Kontaktmöglichkeit als ein haptisches Produkt, sagt Klingbeil. „Digitale Angebote ermöglichen Interaktion mit den Menschen und können eine große Durchschlagskraft entwickeln, wenn sie gut gemacht sind.“ Social Media sei ein sehr wertvolles, weil dialektisches Medium. Das sieht auch Medienbischof Fürst so: „Eine attraktive Kirche ist eine Kirche, in der man mitgestalten und mitwirken kann.“
In der Diözese Rottenburg-Stuttgart, die mit ihrem „Rottenburger Modell“ die Idee einer partizipativen Kirche lebt, in der Gemeinden kooperativ von Priestern und Laien geleitet werden und sich die Zusammenarbeit von Diensten und Ämtern, Hauptberuflichen und Ehrenamtlichen über alle Ebenen zieht, zeigt sich das im außerordentlichen Engagement der Menschen vor Ort. „So stelle ich mir das auch für die Medien vor“, sagt Fürst. „Wenn Interaktion und Teilhabe möglich werden, können wir Menschen wieder erreichen.“
In crossmediales Arbeiten investieren
Die digitale Transformation sei ein laufender Prozess, dessen aktive Gestaltung Kompetenzen und Ressourcen erfordere. Crossmediales Arbeiten, so Fürst, gewinne immer mehr an Bedeutung. Dies habe bereits der vorangegangene Trendmonitor im Jahr 2010 gezeigt, nach dessen Veröffentlichung in vielen diözesanen Medienstellen Personal und technisches Equipment deutlich verstärkt worden seien. „Hier müssen wir auf allen Ebenen – von der Bischofskonferenz über die Diözesen in die Dekanate und Gemeinden – weiter ausbauen und investieren.“