Ein Umzug, ein Arbeitsplatzwechsel oder die Geburt von Kindern machen Paaren Stress. Dazu kommt in den vergangenen zwei Jahren die besondere Belastung durch Corona. Jetzt haben die „Sinnsucher“, ein Kreis von Theologinnen und Theologen in der Diözese Rottenburg-Stuttgart, Materialien für Paare herausgegeben. Der Titel: „Paare in Zeiten des Umbruchs“. Annedore Barbier-Piepenbrock von der Psychologischen Beratungsstelle „Ruf und Rat“ in Stuttgart hat daran mitgewirkt.
Frau Barbier-Piepenbrock, Paare erleben immer wieder Wendepunkte im Leben, an denen sie ihre Beziehung überdenken. Dazu kam in den vergangenen zwei Jahren der Coronastress mit Homeoffice, Homeschooling und eingeschränkten Freizeitmöglichkeiten. Haben Sie diese Belastungen in Ihrer Beratung für Paare gemerkt?
Die familiären Mehrbelastungen haben in vielen Familien zu höherem Stress- und Konfliktpotential geführt. Es gab nicht genug Raum, weder ganz real für die Arbeitsplätze für Eltern und Kinder in einer Wohnung noch um sich zurückzuziehen oder auf die eigenen Bedürfnisse zu achten. Das kam auch bei uns in der Beratungsstelle an.
Was waren die häufigsten Probleme der Paare in Ihrer Beratung?
Meist hat sich verstärkt, was vorher auch schon schwierig war. Kommunikation und Austausch waren oft nicht in gelingender Weise möglich oder eskalierten leichter. Ein entlastender Ausgleich „außen“ war kaum möglich, weil fast alle Sport- und Freizeitmöglichkeiten oder Kulturangebote und Restaurants geschlossen hatten
Was haben Sie Paaren im Coronastress raten können?
Hilfreich ist es, wenn in diesen Belastungsphasen nicht auch noch schwierige Themen „hochgekocht“ werden. Dafür sind wenig Kraft und Energie da. Alle sollten ein bisschen zurückstehen – gleichzeitig aber auch schauen, wie jedes Familienmitglied Momente, kleine „Sternstunden“ bekommt, etwas zu tun, was ihm oder ihr guttut. Oft sehen wir in der Familie eher unseren eignen Einsatz und nicht, was der oder die andere einbringt und leistet. Das wahrzunehmen und wertzuschätzen und auch auszusprechen ist sehr wohltuend für die Beziehung.
Sie haben an den „Sinnsucher“ Materialien „Paare in Zeiten des Umbruchs“ mitgewirkt, die als Vorlage für Gespräche von Paaren in besonderen Zeiten dienen sollen. Was war Ihnen dabei besonders wichtig?
Umbruch- oder Wechselzeiten bringen neue Anforderungen, aber auch neue Möglichkeiten in die Beziehung. Oft nehmen sich Paare nicht die Zeit, in dieser Phase innezuhalten und miteinander zu besprechen, was ihnen jetzt wichtig ist. Dafür kann dieses Material ein Impuls sein und es kann auch Spaß machen!
Geben Sie ein, zwei Beispiele für die Anregungen aus den Sinnsucher-Materialien, die für Paare hilfreich sein können.
Pare können mit Hilfe von Fotos auf Ereignisse ihres Lebens schauen, die sie gemeinsam erlebt, aber auch bewältigt haben. Im gemeinsamen Erinnern kann Verbindung spürbar werden. In der Einheit „Koffer neu packen“ können sie überlegen, was sie in dieser Lebensphase ausprobieren und neu wagen wollen, was sie aber auch nicht mehr brauchen und deswegen „auspacken“.
Bei welchen „Zeiten des Umbruchs“ können die Materialien der Sinnsucher hilfreich sein?
In jeder Lebensphase, die Veränderungen mit sich bringt – und dass passiert in einer Partnerschaft ja sehr oft: Geburt der Kinder oder ihr Auszug aus dem Haus, eine schwere Krankheit und ihre Bewältigung, Ein neuer Arbeitsplatz oder das Ende der Berufstätigkeit, Einzug in eine neue Wohnung …Im Grunde sind diese Materialien für alle Wechselzeiten geeignet, es gibt ja auch die kleineren Veränderungen, z. B. von der Ferienphase wieder in den Arbeitsalltag, nach einem Winter in die Frühlings- und Freiluftsaison, beim Übergang eines Kindes aus dem Kindergarten in die Schule …
Wie können einfache Spiele Paaren gerade im Umbruch helfen, eine Krise zu bewältigen?
Der Alltag mit seinen Aufgaben und Herausforderungen nimmt einen riesengroßen Raum in der Partnerschaft / Familie ein. Gerade in Umbruchzeiten muss vieles bewältigt und neu organisiert werden. Ein Spiel kann wie eine Haltstelle sein, bei der ich aus dem normalen Alltag aussteige und mir Zeit nehme für MICH, für DICH und besonders für UNS.
Was ist Ihrer Ansicht nach die erste Aufgabe, die Paare im Umbruch bewältigen sollten?
Es geht darum, wahrzunehmen, was jetzt ist und was sich in dieser neuen Lebensphase verändert hat. Die erste Aufgabe kann sein, bei mir selber zu spüren, wie es mir damit geht, was ich fühle, wovor ich Angst habe, was mir wichtig ist - und es dann im zweiten Schritt mit meiner Partnerin, meinem Partner auszutauschen. Es schafft Nähe, wenn ich weiß, wie der oder die andere fühlt und denkt.