Menschen mit und ohne Behinderungen nahmen an einem zweitägigen inklusiven Fotoworkshop mit Fotograf Felix Kästle teil. Im Mittelpunkt des Workshops stand ein Bild aus dem Archivbestand der Stiftung Liebenau, das eine Deportationsszene von 1940 zeigt. Mit den Mitteln der Fotografie näherten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dem Thema „Euthanasie“ an. Der Fotoworkshop ist Teil von „Was geht mich das an? Workshop-Reihe zur Auseinandersetzung mit der Liebenauer Geschichte in der Zeit des Nationalsozialismus“.
Es ist das meistabgedruckte historische Foto aus dem Archiv der Stiftung Liebenau. Zu sehen sind zwei Männer in weißen Kitteln, eine Ordensschwester, drei Bewohner der damaligen Heil- und Pfleganstalt und drei weitere Männer. Das Bild zeigt eine Szene, die sich in den Jahren 1940/41 zehn Mal in Liebenau abgespielt hat: So oft kamen die Busse nach Liebenau, um insgesamt 501 „Pfleglinge“ zu deportieren. Ihr Reiseziel: der Tod. Sie wurden im Zuge der Naziideologie in Grafeneck und Hadamar mit Giftgas ermordet. Das Foto wurde heimlich von dem zu der Zeit in Liebenau weilenden Pfarrer Alfons Dangelmeier aufgenommen.
Fotografieren am Originalschauplatz
Die Teilnehmenden, die zuvor teils noch nie eine Kamera in der Hand hatten, lernten unter Anleitung von Fotograf Felix Kästle mit ihr umzugehen. Um die Szene nachzustellen, schlüpften je zwei Personen in weiße Kittel und weitere nahmen ähnliche Positionen wie auf dem alten Foto ein. Spontan entstand ein Rollenspiel. Die Namen der „Pfleglinge“ wurden akribisch mit der Transportliste abgeglichen und mit bestimmender Geste zum Bus geführt. Die anderen nahmen die Szene aus verschiedenen Perspektiven auf, unter anderem aus dem Fenster im Anbau der Liebenauer Kirche St. Maria, aus dem Pfarrer Dangelmeier damals die Szene fotografierte.