Feierlich stehen Kinder, Jugendliche und Erwachsene auf der Bühne der Krebsbachhalle in Bodelshausen. Sie alle tragen vietnamesische Gewänder. Die beiden jungen Frauen in der Mitte stehen mit zwei großen Flaggen stolz und aufrecht – eine Deutschlandflagge und eine vietnamesische. Die Kinder auf der linken Seite halten ihre Notenhefte in schwarz-rot-gold vors Gesicht, fangen an die deutsche Nationalhymne zu singen und der ganze Saal erhebt sich. Direkt im Anschluss folgt die vietnamesische Nationalhymne – gesungen von den Erwachsenen, die gelbe Mappen mit drei roten Streifen halten.
Ins Drachenjahr mit Gott, Freunden und Familie starten
Totengedenken
Nach dieser eindrucksvollen Demonstration ihres sowohl deutschen als auch vietnamesischen Nationalgefühls geht es ernst und bedrückend weiter. Der ganze Saal, der zuvor noch von Gemurmel und Kinderlachen erfüllt war, wird andächtig. Denn nun betet eine junge Frau für die Verstorbenen. Explizit erwähnt sie besonders die unschuldigen Opfer des Vietnamkrieges und alle, die sich für den Frieden eingesetzt haben. So wird deutlich, dass neben dem traditionellen Totengedenken, das seit je her Teil des Tet-Festes ist, der Krieg und vor allem der Überraschungsangriff 1968 am Tet-Fest (Tet-Offensive) seine tiefen Spuren hinterlassen hat.
Familiäre Stimmung
Nach diesem intensiven Einstieg kehrt die fröhliche und ausgelassene Stimmung zurück. Etwa 1.000 Menschen jeden Alters tummeln sich im Saal: die vielen Kinder toben, die Jugendlichen kichern und die Erwachsenen holen sich und ihren Familien einige der vielen traditionellen vietnameschen Leckereien, die für einen guten Zweck verkauft werden.
Einnahmen für den guten Zweck
Bildungschancen für Kinder in Vietnam werden dieses Jahr dadurch gefördert. Wie wichtig das allen Beteiligten ist und besonders Pater Josef Hanh Huynh Cong, der für die vietnamesische Gemeinde in der Diözese Rottenburg-Stuttgart zuständig ist, wird durch die vielen Hinweise im ganzen Programm und auch in den persönlichen Gesprächen deutlich. Um den Erlös möglichst groß zu halten, agieren etwa 300 ehrenamtliche Helfer vor und hinter den Kulissen.
„Die viele kulturelle Bühnenprogramme sind sehr komplex. Das bedarf einer monatelange Probe“, erzählt Thi Tuyet Lan Nguyen, die sich um die Technik kümmert. Doch das mache sie gerne, denn vor allem beim Tet-Fest spüre sie die Verbundenheit zu ihrer vietnameschen Herkunft. Diese Tradition des Neujahrsfestes kenne sie nur aus der vietnamesisch-katholischen Gemeinde, da sie erst mit fünf Jahren nach Deutschland kam. „Früher in Vietnam kamen vor dem Tet die Frauen in der Verwandtschaft oder Bekanntschaft zusammen, um gemeinsam Bahn tet und weitere Köstlichkeiten zu kochen, backen und zu teilen. Gemeinschaft und Zusammenhalt entstanden durch die gemeinsame Zeit und die Frauen lernten neue Gerichte kennen oder die Tradition der Zubereitung wird darüber weitergegeben“, weiß sie zu berichten.
Buntes Programm
Das bunte Programm besteht aus traditionellen Tänzen und Gesängen, Kun-Fu Darbietungen und vielem mehr. Nguyen verrät, dass sich die Kinder immer besonders auf den Löwentanz freuen. In aufwendigen und farbenfrohen Kostümen tanzen mehrere drachenähnliche Löwen erst über die Bühne und dann durch das Publikum. Begleitet werden sie dabei von großen Trommeln und Schellen aller Art. Kaum von der Bühne runter werden die Löwen von den Kindern – und auch Erwachsenen – bedrängt. Jeder will sie mit Geld füttern, um allen Anwesenden im neuen Mondjahr – dem Jahr des Drachen – Glück und Wohlstand zu bescheren.
Verbunden mit Gott
Zu dem „Fest des ersten Morgens“ – wie das Neujahrsfest auf Vietnamesisch heißt – kommen nicht nur die Gemeindemitglieder. Viele andersgläubige Vietnamesen und auch einige deutsche Gäste lassen sich das Spektakel nicht entgehen. Dennoch steht für die vietnamesisch-katholische Gemeinde Gott im Vordergrund. Immer wieder sprechen die Beteiligten Gebete, Danken Gott und Bitten ihn um ein gutes neues Jahr und Frieden in der Welt. „Wir feiern das Tet-Fest immer verbunden mit IHM“, sagt Nguyen. Deswegen finde vor dem Bühnenprogramm auch immer ein Gottesdienst statt. Damit auch alle verstehen worum es geht, findet die Messe zweisprachig statt. Das Herzensanliegen von Pfarrer Huynh Cong, um Frieden in der Welt zu bitten, kommt so sowohl bei Deutschen als auch Vietnamesen an. Besondere Elemente lockern den Gottesdienst auf. So begleiten Trommler den Ein- und Auszug, Räucherstäbchen werden neben den Altar gestellt und bei der Gabenprozession werden auch die typischen Neujahrsblumen zum Altar gebracht. Zum Schluss nehmen sich alle Anwesenden einen ganz persönlichen Segen mit Bibelvers vom Segensbaum.
Jubiläumsjahr
Das diesjährig Tet-Fest zum Jahr des Drachen ist ein ganz besonderes. Denn es kommen gleich mehrere Jubiläen zusammen: 10 Jahre Tet-Fest in Bodelshausen, 20 Jahre Gründung der Come & See-Gruppe (Jugendgruppe der Vietnamesischen, Katholischen Gemeinde), 30 Jahre feiert die vietnamesische-katholisch Gemeinde das große gemeinsame Tet-Fest in Baden Württemberg, vor 40 Jahre entstanden die traditionellen Tet-Kuchen Bánh Chưng und Bánh Tét.
Podcast
Mehr über die vietnamesisch-katholische Gemeinde ist im Podcast „Kapellengespräche“ der Staffel „anders katholisch“ nachzuhören auf Youtube, Soundcloud, Spotify und in der Audiothek von drs.de.