Solarboulevard. Zeitschrift für erneuerbare Energie. Ausgabe 1/2008, S. 20-22.
"Nicht reden, sondern handeln"
Bischof Gebhard Fürst engagiert sich nicht nur in Predigten für die Bewahrung der Schöpfung. Im Sommer initiierte er in der katholischen Diözese Rottenburg-Stuttgart eine Klimaschutzinitiative und einen zehn Millionen Euro starken Solarfonds. Warum erzählt er im Gespräch.
Wieso stehen für Sie der Klimaschutz und die Bewahrung der Schöpfung so im Fokus?
Ich verfolge schon seit vielen Jahren die ganze Frage der Umweltproblematik und der Energie. Das kommt auch daher, dass ich seit 1986 Direktor der Akademie unserer Diözese war. In Stuttgart und in Weingarten haben wir zwei große Tagungshäuser, wo wir neben der Theologie auch Fragen der Naturwissenschaft und der Politik erörtern. In diesem Zusammenhang ist für mich die Ökologie immer wichtig gewesen. Schon von meinem Elternhaus her bin ich mit der Schöpfung sehr vertraut. Ich komme aus einer Gärtnerfamilie, wo ich die Natur immer schätzen und lieben gelernt habe.
Welche Rolle spielt hierbei die biblische Botschaft?
Auf den ersten Seiten der Bibel steht der Schöpfungsbericht und der zweite Schöpfungsbericht sagt ja, man soll den Garten bebauen und pflegen. Das ist für mich das Urbild für den Auftrag eines Christen. Dass man mit der Schöpfung nicht umgeht wie nur mit einer bloßen materiellen Größe, sondern dass die Schöpfung auch ein Bild der Tätigkeit Gottes ist und dass wir beauftragt sind diese Schöpfung nicht zu zerstören. Die Kirche steht hier in der Verantwortung der Verkündigung der christlichen Botschaft und der Schöpfungsbotschaft.
Nicht nur in Sonntagspredigten, sondern auch durch praktisches Handeln?
Das ist meine Grundmotivation, dass ich mich immer bemüht habe, selbst einen Beitrag zu leisten. Mir ist es immer wichtig, dass wir nicht nur reden, sondern auch handeln. Denn die Glaubwürdigkeit von Kirche hängt wesentlich daran, dass man vorzeigen kann, worüber man redet. Dass man selber nicht nur in die Gesellschaft hineinruft und Appelle macht, sondern sich dann auch im eigenen Handeln daran messen lassen muss. Deshalb ist mir die Realisierung immer ganz wichtig.
1999 ließen Sie, erstmals in ganz Deutschland, auf dem Dach der katholischen Akademie in Stuttgart eine Photovoltaikanlage errichten. Gab es hierfür einen speziellen Anlass?
Ich war damals sehr intensiv mit einer Freiburger Solarfirma im Gespräch, deren Geschäftsführer Herr Schützeichel, ein früherer Referent an der katholischen Akademie in Freiburg war. Dabei ist mir einiges bewusst geworden. Ich habe mir mal hochrechnen lassen, wie viel Kohlendioxid wir einsparen könnten, wenn wir die freie Dachfläche unserer Stuttgarter Akademie mit einer 15 Kilowatt starken Solarstromanlage belegen. Heraus kam ein Einspareffekt von 40 Tonnen Kohlendioxid jährlich. Das ist doch beachtlich. Da wird’s einem ja ganz anders, wenn man überlegt, wie viel man normalerweise in die Luft bläst. Also nutzte ich die Chance, im Rahmen des Umbaus des Akademiegebäudes Solarmodule installieren zu lassen.
Wann folgte ihre nächste Solarstromanlage?
Das war 2001, als ich als Bischof hierher nach Rottenburg bekommen bin. Ich brachte ja die Erfahrungen aus Stuttgart mit und ließ ebenfalls eine 15 Kilowatt starke Anlage auf das Dach meines Bischofssitzes montieren.
Überraschte das einige Leute?
Viele sagten damals, was tut denn der neue Bischof so alles. Das war für manche schon etwas überraschend. Ich habe ja selbst mit an den Modulen geschraubt und das Fernsehen berichtete. Doch für mich war und ist das mehr als eine PR-Maßnahme. Ich stehe für eine schöpfungsfreundliche Kirche und dafür, dass von der Diözese aus nicht nur Papiere versendet werden, sondern vorbildliches Handeln geschieht. Mein Motto lautet „verba docent, exempla trahunt“, also nicht nur dozieren, sondern beispielhaft handeln und sichtbare Zeichen setzen.
Gab es Freunde oder Mitarbeiter, die Sie bei ihren Solaraktivitäten gestützt haben?
Ja, das ist etwas sehr wichtiges, was Sie ansprechen. Ich kenne vor allem zwei Leute, die in dem Bereich selbst intensiv investiert haben. Zum einen ein Abgeordneter der Grünen, mit dem ich seit vielen Jahren befreundet bin. Der hat auf seinem Privathaus Photovoltaikmodule und eine solarthermische Anlage. Und ich habe einen eigenen Mitarbeiter, Herr Barwig, den Sie ja heute auch kennen gelernt haben, der sich sehr intensiv eingebracht hat. Darüber hinaus gibt es ja schon seit Jahren viele Menschen in unserer Diözese, die sich stark für den Umweltschutz engagieren. Anfang der 1990er Jahre schufen wir die Stelle eines Umweltbeauftragten, unser kirchliches Siedlungswerk leistete Pionierarbeit im ökologischen Bauen, wir führten Öko-Audits durch und mittlerweile gibt es über 50 Solarstromanlagen auf kircheneigenen Gebäuden in der Diözese.
Also war schon ein guter Boden für ihre Klimaschutzinitiative und ihren Solarfonds bereitet?
Vor allem in jüngster Zeit gibt es ja im Zusammenhang mit dem UN-Klimabericht und der Fortschreibung des Kyoto-Protokolls eine große öffentliche Aufmerksamkeit für den Klimaschutz. Da habe ich gedacht, dass es sinnvoll ist, die unterschiedlichen Aktivitäten, die es in unserer Diözese gibt, besser zu bündeln. Ich habe meinen Pressesprecher Herrn Broch gebeten, dies einmal zusammenzutragen und es entwickelte sich ein dynamischer Prozess. Auf einmal hat einer gewusst, was die anderen machen. Dazu kamen weitere Vorschläge und Ideen und daraus hat sich dann ein zentrales Projekt ergeben.
Koordinator der Initiative ist ihr Pressesprecher?
Dadurch, dass Herr Broch die ganzen Aktivitäten zusammengetragen hat und dann auch die Leute zusammengeführt hat, gab er die Initialzündung für diesen Prozess. Verantwortlich für die Projektkoordination ist jedoch Herr Drumm, der in unserer Hauptabteilung für Kirche und Gesellschaft zuständig ist.
Setzten Sie sich konkrete Ziele für die Emissionsreduzierung oder den Ausbau der Photovoltaik?
Planzahlen haben wir bisher nicht ausgegeben. Da müssen wir mal schauen, ob wir das machen. Ich kann mir das schon vorstellen, der Erfolg lässt sich dann ja nachher besser messen. Aber jetzt haben wir ja mal mit dem Solarfonds zehn Millionen Euro als Kreditsumme zur Verfügung gestellt und ich denke, dass sich hierdurch und durch die bessere Vernetzung der Initiativen eine enorme Dynamik entwickelt. Ich möchte ja nicht so sehr ökologische Maßnahmen von oben per Dekret anweisen, sondern es ist am besten, wenn Leute dies zu ihrem eigenen Anliegen machen. Eine wichtige Rolle spielen hierbei die Diskussionen in den Kirchengemeinderäten. Wir haben auch Visitationen, da besucht der Dekan die Gemeinden und bespricht Dinge, die von Bedeutung sind. Wenn die jetzt wissen, dass wir eine Klimainitiative haben, dann fragt er auch da und dort mal nach solchen ökologischen Maßnahmen. Ich möchte jedoch die Gemeinden im Einzelnen nicht überfordern. Es läuft dort schon sehr viel und ich möchte mich dort jetzt nicht hineindrängen und was anderes, wo viel Ehrenamtliche tätig sind, wegdrängen. Aber ich habe das Vertrauen, dass die Leute heute zunehmend das Bewusstsein entwickeln, dass wir beim praktischen Klimaschutz dringend handeln müssen.
Gibt es auch Beratungsangebote oder Schulungen?
Wir sind gerade dabei ein ehrenamtliches Beratungsnetzwerk in der Diözese aufzubauen. Über unsere Umweltbeauftragten werden Umweltberater geschult, die dann in den Kirchengemeinden mit Rat und Tat zur Seite stehen. Das sind meist Leute, die operativ damit zu haben, also Mesner und Hausmeister. Aus finanziellen Gründen können wir uns allerdings kein Heer hauptamtlicher Umwelt- oder Solarberater leisten.
Zum Stichwort Finanzen: Wollen Sie mit ihrer Initiative auch Kosten einsparen, vor allem beim Energieverbrauch?
Das wird sicher zu Kosteneinsparungen führen. Wir müssen ja gerade als Kirche langfristig denken. Im Moment bekommen wir zwar wieder ein bisschen mehr Kirchensteuer, doch wir stehen in einem ziemlich ambitionierten Sparprozess. Und die Energiekosten sind in den Gemeinden sehr hoch. Sie müssen sich denken, jede Kirchengemeinde hat eine riesige Kirche, wo die Leute heute nicht reingehen, wenn sie da ihren Pelzmantel mitbringen müssen. Das macht man heute nicht mehr, man möchte heute eine geheizte Kirche. Wenn wir aber alternative Energien nutzen, dann können wir heizen und trotzdem Geld sparen.
Voraussetzung hierfür ist ja wohl, dass die Gebäude verstärkt energetisch saniert werden. Unterstützt ihr Solarfonds auch solche Maßnahmen?
Der Fonds zielt ja gerade auf Kombination einer ökologischen und energetischen Gebäudesanierung und dem Einsatz von Photovoltaik. Bevor Module aufs Dach kommen, schaut sich unser bischöfliches Bauamt den Gesamtzustand des Gebäudes an. Mit dem Fonds werden begleitend zur Installation von Solaranlagen vor allem Modernisierungsmaßnahmen unter dem Dach finanziert, wie eine verbesserte Dämmung, die Flachdachsanierung oder ein erhöhter Planungsaufwand. Viele unserer Gebäude sind ja stark sanierungsbedürftig.
Wie sieht denn die Struktur ihrer Liegenschaften aus?
Das ist eine bunte Mischung. Fast jede unserer 1.035 Kirchengemeinden in der Diözese hat neben einer Kirche ein Gemeindezentrum mit Jugendräumen und Kindergarten. Viele Gemeinden haben ein Seniorenstift oder Altenheim. Zudem haben wir Stiftungen, die große Behindertenwerkstätten haben mit Werkstätten für geistig und körperlich Behinderte. Wir haben jedoch auch einige Fachhochschulen und 80 katholische Schulen. Die meisten unserer rund kirchlichen 6.000 Gebäude sind groß und verschlingen viel Energie....
….die sich jedoch besonders gut für integrierte Energiekonzepte anbieten wie beispielsweise die Kombination von Solarenergie mit Nahwärmenutzung aus Biomasse?
Ja, in diese Richtung möchten wir verstärkt gehen. Und wissen Sie, gerade diese größeren Gebäude sind ja oft Vorbild für privates Verhalten. Denn wenn die Leute im Gemeindezentrum zusammensitzen und sie wissen, der Strom kommt von der Solaranlage auf dem Dach, dann kann mancher auch auf die Idee kommen, die Sonne zu Hause für die Steckdose anzuzapfen. Wenn ein Kirchendach mit Solarmodulen bestückt ist, ist dies im ganzen Ort bekannt und hunderte von Leuten sehen das jeden Sonntag. Wenn die dann an der Anzeigetafel vorbeigehen, sehen sie auch, wie viel Sonnenstrom produziert wurde, dadurch wächst das Bewusstsein.
Inwieweit wirkt Ihre Initiative über die Grenzen der Diözese hinaus? Welche Aktivitäten gibt es von Seiten der Deutschen Bischofskonferenz?
Unsere Aktivitäten werden stark wahrgenommen und es gibt natürlich auch andere Diözesen, die sich sehr für den Klimaschutz engagieren, wie beispielsweise in Freiburg. Dass die Deutsche Bischofskonferenz eine entsprechende Initiative ergreift, um zentral in die Diözesen hinein zu motivieren, ist nicht üblich, denn wir sind ja ein loser Zusammenschluss. Allerdings ist meines Wissens das neue Sekretariat der Bischofskonferenz in Bonn auch stark nach ökologischen Gesichtspunkten gebaut worden. Aber lassen Sie mich noch ein Projekt vor Ort erwähnen, das mich sehr gefreut hat. Nach dem Vorbild der Gemeinschafts-Photovoltaikanlage auf unserem Verwaltungsgebäude in Stuttgart-Hohenheim, hat nun auch die benachbarte Kirchengemeinde Jütlingen eine genossenschaftlich organisierte Solaranlage gebaut. Jetzt bezieht ein Teil des Städtchens den Solarstrom vom katholischen Gemeindezentrum. Das ist genau so, wie ich mir es wünsche. Nämlich dass wir zeichenhaft wirken, dass engagierte Christen schöpfungsgerecht handeln.
Gibt es auch Stimmen, die sagen, Sie gehen mir hier zu weit, mir ist dieser Bischof zu „grün“?
Als ich mich für den Bau einer Photovoltaikanlage auf unserem Stuttgarter Akademie entschieden hatte, hat mich der Direktor eines großen Stromkonzerns angerufen. Der behauptete, dass die Herstellung der Module aufwendiger als der Output sei. Allerdings hatte ich damals schon gegenteilige Daten zur Verfügung. Dies hat dazu geführt, dass er sagte: „Ich sehe schon, Sie wissen genau Bescheid, ich kann Sie also in dieser Hinsicht nicht bekehren“. Also der hat halt gemeint, da sei so ein frommer Gutmensch ohne Wissen tätig und den könne man in einer bestimmter Weise lenken. Das ist ihm jedoch nicht gelungen. Aber ich habe den Eindruck, dass die Industrie und die Energiekonzerne sich jetzt schon umstellen, zumindest vom Image her. Denn sie wissen, dass Klimaschutz und erneuerbare Energien in der Gesellschaft einen Drive haben, den sie nicht aufhalten können.
Das Gespräch führte Hans-Christoph Neidlein.