Die Situation in der größten Demokratie der Welt ist ernst. Indien ist dicht bevölkert, vor allem in den Slums der großen Städte drängen sich die Menschen.
Soziale Distanzierung ist hier unmöglich. Zugleich sind viele unterernährt und damit extrem anfällig für ein aggressives Virus. Alle Voraussetzungen dafür, dass die Covid-19-Pandemie Indien heftig erfasst.
Vor diesem Hintergrund hat am 25. März die indische Regierung zirka 1,3 Milliarden Menschen mit der Ankündigung eines dreiwöchigen Lockdowns überrascht. Das rigorose Einfrieren des sozialen und wirtschaftlichen Lebens war zunächst auf drei Wochen befristet, wurde aber im April um weitere drei Wochen verlängert.
Die Rücksichtslosigkeit der Regierung ist unvergleichlich: Hundertausende Wanderarbeiter sind plötzlich arbeitslos, gestrandet und versuchen, zu Fuß in ihre teils hunderte Kilometer entfernten Dörfer zu kommen. Daran werden sie an manchen Bundesstaatsgrenzen mit Gewalt gehindert.
Millionen informell Beschäftigter und Arbeitsloser bekommen dürftige Hilfspakete von der öffentlichen Hand – sofern sie offiziell registriert sind, was aber auf sehr viele nicht zutrifft. Während die Wohlhabenden in ihren Vierteln darauf hoffen, dass die Seuche eingedämmt wird, sind Millionen Menschen in den Slums und den ländlichen Gegenden ernsthaft von Hunger bedroht.
Die Diözese Rottenburg-Stuttgart unterstützt mehrere Diözesen und Ordensgemeinschaften dabei, Lebens- und Hygienepakete zu verteilen, um das Schlimmste zu verhindern.
Wie viele Corona-Infizierte es in Indien gibt, vermag niemand zu sagen. Am Beispiel des Bundesstaats Meghalaya kann man dies verdeutlichen. Dort leben zirka 3 Millionen Menschen. Nur in der Hauptstadt Shillong gibt es ein Testzentrum, in dem wöchentlich 200 Tests durchgeführt werden können. Das Gesundheitssystem wird kaum in der Lage sein, die Versorgung zu bewältigen, wenn die Pandemie um sich greift.
„Als das Gesundheitsamt angefragt hat, haben wir sofort Unterstützung angeboten“, sagt Jose Chirackal, Weihbischof der Diözese Tura. Nun helfen sie sogar doppelt: Zum einen übernimmt das diözesane Heilig-Geist-Krankenhaus Patienten von der staatlichen Klinik, um Betten für Covid-19-Patienten frei zu setzen.
Zum anderen hat die Diözese das von der Hauptabteilung Weltkirche mitfinanzierte Pastoralzentrum zur Verfügung gestellt, um dort ein Covid-19-Isolationszentrum mit 138 Betten einzurichten. Vielleicht ein kleines Hoffnungszeichen für ein Land, in dem die Kooperation zwischen Kirche und staatlichen Behörden selten glückt.