Dekanat

Ist Künstliche Intelligenz besser als der Mensch?

Die Referentin steht an der Leinwand und spricht zwei Zuhörerinnen an.

Dr. Martina Flatscher von ZF Friedrichshafen erklärt die Anmwendungsgebiete Künstlicher Intelligenz - Foto: DRS/Waggershauser

Gewählte Vertreter:innen und Pastorale Mitarbeiter:innen im Dekanat Friedrichshafen erweitern bei einem Vortrag ihren Horizont.

"Wer nutzt KI?" Mit dieser Frage startete Dr. Martina Flatscher ihre Präsentation. Nur zwei der knapp 30 Mitglieder von Dekanatsrat und Dekanatskonferenz heben die Hand. Als die Strategin für Künstliche Intelligenz bei ZF in Friedrichshafen mit Navi, Übersetzungstools, Sprachassistent und Chatbot einige Anwendungsbeispiele aufzählt, kann sie beobachten, wie so manches Fragezeichen aus den Gesichtern verschwindet. Bekannt ist in Friedrichshafen natürlich auch der Test eines fahrerlosen Kleinbusses, den ihr Technologiekonzern für Fortbewegungssysteme derzeit durchführt. "KI betrifft uns alle", betont die Referentin.

Flatscher meint damit auch die Kirchenleute und berichtet von Predigten und ganzen Gottesdiensten, die mit ChatGPT und anderen KI-Tools bereits erstellt wurden. Und sie verweist auf die Luzerner Kunstinstallation "Deus in Machina", wo ein von KI gesteuerter Avatar in einer Art Beichtstuhl spirituelle "Gespräche" mit "Jesus" am Bildschirm ermöglicht. Der KI-Strategin geht es an dem Abend im Haus der Kirchlichen Dienste jedoch nicht um konkrete christliche Anwendungsbeispiele, sondern darum, ein Bewusstsein zu schaffen. Oft werde sehr oberflächlich über KI diskutiert, ohne verstanden zu haben, was dahintersteckt, begründet sie ihr Vorhaben.

Unbegründete Ängste und wirkliche Gefahren

Mit zahlreichen Folien ihrer Präsentation erläutert die Referentin, wie Künstliche Intelligenz mit Daten gefüttert, trainiert und bei Fehlern bestraft wird. Ziel ist, dass sie sich ständig verbessert und den Menschen das Leben und Arbeiten erleichtern kann. Neben der überwachten KI gibt es durchaus Bereiche, wo die generative KI selbst kreativ werden soll. Die Horrorvorstellung einer "starken KI" dagegen, die ein eigenes individuelles Bewusstsein entwickelt und an die Stelle des Menschen tritt, sieht Flatscher im Moment nicht. "Ich weiß nicht, ob wir das je erreichen", ergänzt sie.

Die KI-Expertin weiß jeoch sehr wohl um die Gefahren der Technologie. ChatGPT könne beispielsweise "halluzinieren" und wegen fehlender Daten einfach falsche Antworten erfinden. Oder die KI identifizere eine Frau auf einem Foto diskriminierend als Gorilla. Reglierungen seien unbedingt notwendig und die existierten auch. Aber da sich die Technoligie so rasant entwickle, sei vieles im Fluss und Abwägungssache. Dafür gebe es bei ZF einen Ethikrat. Bernhard Vesenmayer, gewählter Vorsitzender des Dekanatsrats, schlägt vor, neben internen Fachleuten auch Geisteswissenschaftler in ein solches Gremium einzubinden.

Zusammen besser als alleine

KI vernichtet Arbeitsplätze - diesen Einwand kann die Referentin nicht von der Hand weisen. Aber die Technologie erledige auch viele Tätigkeiten, für die keine Mitarbeitenden mehr zu finden seien. "Das ist wie früher, als man dachte, der Computer macht die Sekretärinnen kaputt", gibt Dekan Bernd Herbinger zu bedenken. Flatscher empfiehlt, Mensch und KI nicht gegeneinander auszuspielen. Seien etwa Urteile menschlicher Richter:innen neutraler, als wenn die Technik alle Aspekte berücksichtige? Und weshalb könne man bei Unfällen menschliches Versagen nachvollziehen, die weniger anfällige Technik müsse aber zu 100 Prozent perfekt sein?

"KI und Mensch zusammen sind immer besser als einer allein", lautet Flatschers Fazit. Die Technik brauche Menschen als Datengeber, Trainer und Kontrolleure, könne aber das Leben und die Arbeit in ganz vielen Bereichen erleichtern. Zum Bedienen sei natürlich ein gewisses Bildungsniveau Voraussetzung, gibt ein Teilnehmer zu bedenken. Für die Referentin ist der Abend spannend, weil sie in der Firma vorrangig mit Leuten arbeite, die Lust darauf haben, KI einzusetzen. Dekan Herbinger zeige der Vortrag, wie umfassend die Wirklichkeit sei, die das Leben beeinflusse. "Ich lerne dadurch auch das Wirken des Schöpfergottes neu zu schätzen", sagt er.

Musik verbindet und erdet

Und wie kam die ZF-Strategin zur Dekanatsveranstaltung? Ihr einziger kirchlicher Bezugspunkt sei, dass sie in der Nikolauskirche mit ihrem Cello im Orchester mitspiele, verriet Flatscher. So sei sie auch mit Dekan Herbinger ins Gespräch gekommen und habe ihn kennengelernt. Dieser fand wiederum ihren beruflichen Schwerpunkt auch für seine Gremien spannend. Nach dem umfassenden Input, der vielen bisher unbekannte Horizonte aufzeigte, können die Zuhörer:innen entspannt in ihre Welt zurückkehren, als Martina Flatscher ihr Cello zur Hand nimmt und - begleitet von Kantor Nikolai Geršak - mit einem Werk von Felix Mendelssohn Bartholdy den Abend beschließt.

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