Inklusion

„Jesus kann das nicht alleine. Jesus braucht Freunde.“

Bibel in Leichter Sprache - Schuldekan Tobias Haas betet in Wort und Gebärdensprache mit dem Gebetbuch "Gott sei Dank". Foto: Diözese Rottenburg-Stuttgart/ Nelly Swiebocki-Kisling

Zum Festakt "Bibel in Leichter Sprache" in der Akademie in Hohenheim waren viele Vertreter der Diözese angereist - auch Diözesanadministrator Dr. Clemens Stroppel. Foto: Diözese Rottenburg-Stuttgart/ Nelly Swiebocki-Kisling

Der Festakt zum Projektabschluss „Bibel in leichter Sprache“ fand am 24. April in der Akademie in Hohenheim statt.

„Jesus kann das nicht alleine. Jesus braucht Freunde.“ Schuldekan Tobias Haas betet in Wort und Gebärdensprache. In leichter Sprache, in einfachen Worten und mit Gesten untermalt, damit jede und jeder Anwesende die Gebete versteht, erklärt Haas in der Kurzandacht zu Beginn des kurzweiligen Abends in der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart: „Es geht darum, auch Menschen, die nicht sehen oder hören können und Menschen, die kognitiv eingeschränkt sind, in das Dankgebet mit einzubeziehen.“

Gott sei Dank

In einem Rückblick stellten zunächst Lara Maier und Verena Ernst von der Projektgruppe „Leichte Sprache“ das Projekt und ihre Arbeit der letzten fünf Jahre vor, bevor sie zum Abendgebet mit Texten aus dem Gebetbuch „Gott sei Dank“ überleiteten. Musikalisch begleitet wurde der Abend von Raphael Schäfer an der Gitarre und Raphaela Vogel am Klavier. Nach diesem besinnlichen und informativen Start waren die etwa 80 geladenen Gästen aus Kirche und Gesellschaft mitten im Thema angekommen. Seit 2019 bieten eine Projektgruppe mit Mitarbeitern aus der Diözese und dem Katholischen Bibelwerk e.V., Fortbildungen zu Bibel und Leichter Sprache in der Diözese an. In diesem Projekt entstand unter anderen auch das Gebetbuch „Gott sei Dank“

Gebete auch in Gebärdensprache

Diözesanreferentin Verena Ernst erklärt, worum es bei den „Bibelübersetzungen“ – die eigentlich eine Übertragung ist - und auch bei der Gestaltung des Gebetbuchs geht: „Leichte Sprache ist eine barrierefreie Sprache, welche sich aus einfachen und klaren Sätzen zusammensetzt, um besser verständlich zu sein. Dazu gehören kurze Sätze, Prägnanz, eine klare Gesamtgliederung sowie eine einfache Sprache ohne Fremdwörter und Fachvokabular. Erklärende Bilder, Fotos und Grafiken tragen weiterhin zum Ziel der Textverständlichkeit bei.“ Im Gebetbuch, das die Anwesenden zum Mitsingen und Mitbeten in den Händen hielten, kommen ergänzend auch Gebete in einfacher Gebärdensprache hinzu, sowie QR-Codes, um die Lieder auch zu Hause hören zu können.

Der Mensch bleibt hängen, bekommt den Rest nicht mit

Dr. Katrin Brockmöller, Geschäftsführende Direktorin des Bibelwerks, erklärt, dass Texte in Leichter Sprache sich zwar in erster Linie an Menschen mit Behinderung richteten, allerdings auch an Menschen, die nicht so gut Deutsch sprechen: „Generell einfach an alle, die aus irgendeinem Grund sprachlich und/oder kognitiv eingeschränkt sind oder eine niedrige bzw. nicht so hohe Lesekompetenz haben. „Was für "normale Texte" gelte, sei doppelt nötig, wenn es sich um antike, biblische Texte in oft "schwierigen" deutschen Übersetzungen handele. Bei Menschen mit Beeinträchtigungen erschließe sich der Inhalt eines Textes oder einer Bibelstelle nicht nach und nach: „Wenn ein Mensch mit kognitiver Beeinträchtigung ein Wort nicht versteht, kommt er nicht über diese Hürde. Er bleibt hängen und bekommt den Rest nicht mehr mit.“

Mit einem neuen Projekt in der Tasche

Später am Abend erzählte Weihbischof Matthäus Karrer humorvoll, wie alles begann, als er 2018 auf dem Katholikentag in Münster eher zufällig an den Stand des Katholischen Bibelwerk e.V. kam – und mit einem neuen Projekt in der Tasche den Katholikentag wieder verließ. Im Gespräch mit Dr. Katrin Brockmöller entstand dort die Idee zu einer Adaptation der Evangelien für Menschen mit Behinderung. Schnell war klar, dass nicht nur die Texte übersetzt werden sollten, sondern auch Fortbildungen angeboten werden müssten, um Theologen und Pädagogen in diese ganz besondere Bibelarbeit einzuführen. Das Resultat war eine Projektgruppe mit Dieter Bauer vom Bibelwerk und Vertreter:innen aus der Gruppe der Seelsorger:innen bei Menschen mit Behinderung.

Ein ganz besonderer Schatz

Weihbischof Karrer sieht in der Bibel in leichter Sprache eine Ergänzung zur den vielen Bibelübersetzungen, um alle Menschen zu erreichen: „Es ist ein besonderer Schatz, dass wir viele unterschiedliche Bibelübersetzungen haben. Jede Zeit hat Einfluss auf die Übersetzung, jede "Zielgruppe" beeinflusst die Übersetzenden, neue Erkenntnisse der theologischen Wissenschaft beeinflussen Formulierungen und Texte, jede christliche Konfession setzt Schwerpunkte. Somit ist gerade diese Vielfalt für die pastorale Arbeit etwas sehr Wertvolles.“

Was? Das gibt es?

Die Zusammenarbeit bei diesem wertvollen Projekt erklärte Karrer folgendermaßen: „Das Katholische Bibelwerk hat die Übersetzungsarbeit geleistet, den Druck der Bücher realisiert und Fortbildungen für Interessierte konzipiert und durchgeführt. Die Diözese Rottenburg-Stuttgart hat das gesamte Projekt aus dem Haushalt des Bistums finanziert, über die Hauptabteilung Pastorale Konzeption die Engagierten in diesem Themenfeld vernetzt und die Fortbildungen in die Fläche der Diözese hinausgetragen.“ Und auch für Dr. Katrin Brockmöller ist die Zusammenarbeit mit der Diözese sehr besonders: „Das könnte man sich nicht besser wünschen! Die Diözese hat die Finanzierung ermöglicht dieser "Bildungsoffensive für Bibel in Leichter Sprache". Johannes Hoffmann und auch seine Nachfolgerin Frau Ernst arbeiten eng und sehr transparent mit uns zusammen. Das Projekt hat geholfen, das Evangelium in Leichter Sprache in der Diözese Rottenburg-Stuttgart weiter zu verbreiten und Mitarbeitenden in Pfarrei und Schule Möglichkeiten aufzuzeigen, mit den Texten in der Praxis zu arbeiten. Das ist eine echte win-win Situation.“ Und Weihbischof Karrer ergänzte: „Überall, wo ich vom Projekt erzählte, bekamen die Leute im wahrsten Sinne des Wortes, große Ohren. „Was? Das gibt es?“ Deshalb bin ich heute sehr dankbar, wenn ich an die vergangenen fünf Jahre zurückblicke.“ Sein besonderer Dank gelte auch den Menschen, die die Bibel in leichter Sprache auch lesen, denn für sie sei diese schließlich geschrieben worden. Eine Fortsetzung der Zusammenarbeit mit Alttestamentarischen Texten sei bereits geplant - ihr persönliches Ziel jedoch noch nicht ganz erreicht, erklärte Brockmöller charmant: „Dass in jeder Sakristei ein Exemplar einer Bibel in einfacher Sprache steht.“

„Und ich überlege mir, wie wir das Projekt finanzieren!“

Der Abend veranschaulichte die Entstehung des Projekts auch humoristisch. Dazu führte die Projektgruppe einen Sketch auf und hatte viele Lacher auf ihrer Seite, wenn Tobias Haas mit ernster Miene meinte: „Und wir haben eine Diözese, die federführend ist beim Thema Digitalisierung!“ Johannes Hoffmann, Referent Pastorale Konzeption, als Vertreter der Diözese streute wiederholte den Satz ein „Und ich überlege mir dann, wie wir das Projekt finanzieren können.“ Und Raphael Schäfer endete: „Und bundesweit wird dann vom „Neuen Rottenburger Modell“ gesprochen

Adam hätte ja auch etwas sagen können

Ein besonderer Höhepunkt war jedoch die Vorstellung der Stuttgarter Prüfgruppe aus dem Caritas TREFFPUNKT in Stuttgart Bad Cannstatt. „Wir brauchen nicht über Inklusion zu sprechen, wenn wir mit Texten arbeiten, die Menschen mit Behinderung nicht verstehen, sagte Andrea Dikel vom TREFFUNKT. Was Kirche den Menschen bedeute, fasste Andreas Franz aus der Prüfgruppe der Menschen mit Behinderung zusammen: „Ich gehe in die Kirche, weil ich dort Gemeinschaft erlebe und ich höre gern Geschichten aus der Bibel.“ Wolfram Lämmle stimmte seinem Kollegen zu: “Ich kenne alle Evangelien. Es macht Spaß, die Geschichten aus der Bibel zu hören und darüber zu sprechen. Die alte Sprache kann ich aber oft nicht verstehen.“ Am Ende interpretierte die Prüfgruppe aus Stuttgart vor dem Publikum die Bibelstelle aus dem Buch Genesis, in der die „schlaue Schlange“ auftritt. „Nicht schlaues, sondern hinterlistiges Tier!“ kommentierte Elke Keller von der Prüfgruppe. Andrea Dikels Frage, wer sich wohl hinter der Schlange verberge beantwortete Marion Richter: „Das ist bestimmt der Satan!“ Und als die Stelle beschrieben wurde, in der Adam vor Gott die Schuld an der Sünde auf Eva schiebt, empörte sich Andreas Franz: „Das ist ganz schön feige von Adam. Er hätte ja auch nein sagen können!“

Im Anschluss an den Festakt führte das „Theater Inklusiv e.V.“ aus Ludwigsburg ein rührendes Theaterstück mit dem Titel „Erbse und Bohne“ auf, das deutlich zeigte: Inklusion ist ein Geschenk für uns alle – nicht nur für Menschen mit Behinderung!

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