Seelsorge

Jetzt schlüpfen Sie in die Rolle des Wegengels

Acht katholische und zwölf evangelische Schulseelsorger:innen erhielten die Beauftragungsurkunden ihrer Kirchen durch Ordinariatsrätin Ute Augustyniak-Dürr und Oberkirchenrätin Carmen Rivuzumwami. Foto: DRS/ Nelly Swiebocki-Kisling

Beauftragungsfeier zum Abschluss der ökumenischen Weiterbildung Schulseelsorge in der Kirche St. Antonius in Stuttgart Hohenheim.

Unter dem Motto „Gesendet!“ wurden am 13. September die neuen Schulseelsorger:innen der zweiten und dritten ökumenischen Weiterbildung im Rahmen einer ökumenischen Feier in der Kirche St. Antonius in Stuttgart-Hohenheim offiziell beauftragt. Aufgrund der großen Nachfrage waren diese beiden Kurse parallel durchgeführt worden. Mit der Beauftragungsfeier fand die dreijährige berufsbegleitende Qualifizierung für kirchliche und staatliche Lehrkräfte aller Schularten der Diözese Rottenburg-Stuttgart und der Evangelischen Landeskirche in Württemberg einen feierlichen Abschluss.

Zwanzig neue Schulseelsorger:innen

Während der Feier erhielten acht katholische und zwölf evangelische Schulseelsorger:innen die Beauftragungsurkunden ihrer Kirchen durch Ordinariatsrätin Ute Augustyniak-Dürr und Oberkirchenrätin Carmen Rivuzumwami überreicht. Weitere sechs katholische und zwei evangelische Teilnehmende haben die Weiterbildung ebenfalls erfolgreich abgeschlossen, konnten jedoch zum jetzigen Zeitpunkt aufgrund von Schul- oder Bistumswechsel noch nicht beauftragt werden. Kurs Zwei der ökumenischen Weiterbildung wurde geleitet von Ulrich Rost und Dr. Beate Thalheimer; Kurs Drei von Bettina Braun, Beate Brielmaier und Rudolf Kromer. Seit August 2023 ist Bernhard Mosbacher, Leiter der Fachstelle Schulpastoral, Nachfolger von Dr. Beate Thalheimer. Nach dem Gottesdienst wurde das Fest in der benachbarten Akademie der Diözese mit einem Stehempfang fortgesetzt.

„Steh auf und iss, sonst ist der Weg zu weit für dich!“

„Es gibt Situationen, da sind wir am Ende. Und natürlich gibt es das auch an den Schulen. Die Seele kennt viele Formen der Überlastung“, sagte Ordinariatsrätin Ute Augustyniak-Dürr, Leiterin der Hauptabteilung Schulen im Bischöflichen Ordinariat der Diözese Rottenburg-Stuttgart im Gottesdienst. In ihrer Ansprache zog sie Parallelen zum alttestamentarischen Elija unterm Ginsterstrauch, der sich in seiner Angst und Verzweiflung nach dem Tod sehnt. Doch kaum ist er eingeschlafen, rührt ihn ein Engel an und fordert ihn auf, zu essen und aufzustehen: „Sonst ist der Weg zu weit für dich.“ (1 Kön 19,7). Und tatsächlich gewinnt Elija neue Kraft. Die Schulseelsorger:innen seien, so Augustyniak-Dürr, wie Engel der Stärke und der Hoffnung. Die Schulseelsorger:innen wüssten um ihre Würde und ihre Kraft, aber auch um ihre Grenzen. Und an die Absolventen gerichtet sagte sie: „Jetzt schlüpfen Sie in die Rolle des Wegengels!“

Mut und Hoffnung ist nicht die Abwesenheit von Angst

Oberkirchenrätin Carmen Rivuzumwami von der Evangelischen Kirche erklärte, Mut und Hoffnung sei nicht die Abwesenheit von Angst. Durch Gespräche könne man, wie Elija im Gespräch mit Gott, auch mit Angst seine eigenen Schritte weitergehen. Sie erinnert daran, wie Gott Elija fragt: Was willst Du hier? Eine Frage, die wir uns alle stellen müssten, auf der Suche nach unserer Berufung. Im Falle der Schulseelsorger:innen schicke Gott sie, wie Elija auch, zurück zu den Menschen. In ihrem Aussendungsgebet betete Carmen Rivuzumwami deshalb: „Schenke ihnen Kraft, Mut und sehr viel Fantasie, Deinen Auftrag im Schulalltag zu erfüllen und nahe bei den Menschen in der Schule zu sein. Lass sie und uns dabei auch achtsam sein für die eigenen Grenzen, damit wir sorgsam umgehen mit dem Geschenk des Lebens. In der Begegnung mit Dir stärke ihre Aufmerksamkeit für alle, die ihnen anvertraut sind.“

 


„Jakob war ein Betrüger. Petrus war impulsiv.
David hatte eine Affäre. Noah betrank sich.
Jona lief von Gott weg. Paulus war ein Mörder.
Miriam war eine Tratschtante.
Martha machte sich zu viele Sorgen.
Gideon war unsicher. Thomas war ein Zweifler.
Sarah war ungeduldig. Elija war depressiv.
Mose stotterte. Zachäus war klein.
Abraham war alt und Lazarus war tot.

Gott beruft nicht die Qualifizierten.
Er qualifiziert die Berufenen!“

(Ute Augustyniak-Dürr/ Quelle unbekannt)
 


Nach den Lesungen und den Ansprachen wurden die zu Beauftragenden und die Absolvent:innen eingeladen, nach vorne zu kommen und sich im Halbkreis aufzustellen. Nacheinander wurden die Namen der neuen Seelsorger:innen einzeln aufgerufen und die jeweils Aufgerufenen erhielten die Beauftragungsurkunde und eine Rose aus der Hand von Oberkirchenrätin Carmen Riwuzumwami oder Ordinariatsrätin Ute Augustyniak-Dürr. Augustyniak-Dürr: „Wir danken dafür, dass Sie sich auch zukünftig in den Dienst für die Menschen in den Schulen stellen und erbitten dafür für Sie und Ihr weiteres Wirken Gottes reichen Segen“

Junge Menschen haben Sorgen, die wir Erwachsene oft nicht wahrnehmen

Am Ende des Beauftragungsgottesdienstes sprach Oberstudienrat Andreas Schweikardt, Schulleiter der Kaufmännischen Schule Göppingen, ein Grußwort aus der Perspektive der Schulleitung einer öffentlichen Schule mit Blick auf die kirchlich und ökumenisch verantwortete Schulseelsorge im staatlichen Schulsystem. Er dankte den Kirchen für ihren persönlichen Einsatz sowie die Finanzierung der Seelsorge an den Schulen und beschrieb die Situation der Schüler: „Junge Menschen haben Sorgen, die wir Erwachsene oft nicht wahrnehmen. Das sind ernste Probleme wie die erste Trennung, Mobbing oder die Scheidung der Eltern. Wir haben an unseren Schulen viele junge Menschen, die niemand haben, denen sie sich anvertrauen können. Besonders, wenn man frisch ins Leben startet und nicht gehört und verstanden wird, fühlt man sich alleine und kann daran zerbrechen.“ Andreas Schweikardt zitierte William Shakespeare: „Der Kummer, der nicht spricht, nagt leise an dem Herzen, bis es bricht.“ Er betonte die Bedeutung der Seelsorge: „Die Schüler:innen brauchen jemand der da ist und ihnen zuhört, jemand, dem sie ihre Sorgen und Ängste offenbaren können.“ An seiner Schule gibt es mit Christian Kiesling und Angela Sakschewski, die beide beauftragt wurden, ein echtes ökumenisches Tandem.

 


„Der Kummer, der nicht spricht, nagt leise an dem Herzen, bis es bricht.“  William Shakespeare

Da zu sein, und im besten Falle ökumenisch

Nach dem Gottesdienst erklärte Ordinariatsrätin Ute Augustyniak-Dürr im Gespräch, warum gelebte Ökumene im Schuldienst wichtig ist: „Zum ersten Mal beauftragen wir miteinander in einer gemeinsamen Feier katholische und evangelische Schulseelsorger und –Seelsorgerinnen. Im Idealfall sollen sie als Team in einer Schule tätig sein. Das ist konsequent nach einer gemeinsamen Weiterbildung, und es ist ein wichtiges Zeichen auf die Schulen hin: Bei allen Profilunterschieden, die wir auch in diesem Feld haben, wollen die Kirchen mit ihrem schulseelsorgerlichen Engagement die Menschen an der Schule stärken und begleiten - idealerweise gemeinsam, und wo dies nicht möglich ist, jedenfalls in gegenseitiger Unterstützung."

Schulseelsorge unterstützt die „sharing und caring community“

Die Hilfebedarfe an Schulen würden immer größer, so Ute Augustyniak-Dürr. Das seien neben den persönlichen Problemen Einzelner, die sie in die Schule mitbringen, die Schwierigkeiten, die in der Schule selbst entstünden, z.B. Mobbing, Rassismus, Überforderung, Ängste. Lehrkräfte hätten nur bedingt Möglichkeiten, diese Dinge wahrzunehmen und aktiv zu bearbeiten. Vieles fände außerhalb des Unterrichts statt und bedürfe einer sorgenden Schulgemeinschaft. Diese, ebenso wie einzelne Schülerinnen und Schüler zu stärken, sei das Ziel der Schulseelsorge, mit dem sie neben anderen Hilfediensten wie Schulpsychologie, Sozialarbeit und weiterführenden Beratungsdiensten stünde. Ute Augustyniak-Dürr betont: „Schulseelsorge kann und will keine Therapie ersetzen. Und sie ist nur ein Player im Verbund mit allen anderen Unterstützern der Schule und des Schulklimas, angefangen bei den Lehrkräften und der Schulleitung. Aber sie kann Spezifisches einbringen, etwa mit dem Angebot von Räumen für ein wertschätzendes, am Sprechenden interessiertes Zuhören, für ein respektvolles Miteinander, für die Erfahrung von Angenommensein vor jedem Leistungsbeweis, sie kann in Situationen von Krisen und Tod und Trauer Einzelne, Schulklassen und die Schule als ganze sensibel und aus einer Hoffnungsperspektive heraus begleiten.“ Schulseelsorge schaffe ein Netzwerk, das die Schule als „sharing und caring community“ unterstützte.

Weiterführende Hintergründe und Informationen zum Thema Schulseelsorge

Start der ersten ökumenischen Weiterbildung (öWB K1 2018-2021) war im Februar 2018. Die beiden jetzt zur Beauftragung anstehenden Weiterbildungen waren im Mai und Oktober 2021 gestartet und wurden auf Grund der großen Nachfrage parallel durchgeführt.

Seit einigen Jahren befinden sich die Evangelische Landeskirche in Württemberg zusammen mit der Diözese Rottenburg-Stuttgart auf dem Weg, sich an den Lebenswirklichkeiten der Menschen in Schulen zu orientieren und von ihnen her das religionspädagogische und seelsorgliche pastorale Handeln gemeinsam zu verstehen und auszurichten. Am ökumenischen Weg beteiligt sind Vertreterinnen und Vertreter der kirchlichen Jugendarbeit, der kirchlichen Schulabteilungen und Zuständige der Seelsorge/Pastoral. In Baden-Württemberg findet der Religionsunterricht konfessionell nach Artikel 7 Absatz 3 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland statt. Das Modell der konfessionell-kooperativen Zusammenarbeit eröffnet an immer mehr Schulen die Möglichkeit, diese profilierte Form des Religionsunterrichts im Wechsel zwischen evangelischen und katholischen qualifizierten Lehrkräften umzusetzen. Im innerschulischen und außerunterrichtlichen Bereich der Seelsorge an Schulen kann explizit ein ökumenischer Weg beschritten werden.

Weitere Informationen zu den Hintergründen und zur Entstehung der ökumenischen Weiterbildungen können dem Beitrag „Ökumenischer Weg in der Schulseelsorge. Gemeinsame Ausbildung und Teamarbeit in der Praxis“ von Ulrich Rost und Dr. Beate Thalheimer in der Publikation: Evangelische Orientierung 1/2021, Seite 14-15, entnommen werden. Dr. Beate Thalheimer und Ulrich Rost waren die Initiator:innen der ökumenischen Weiterbildungen, die in dieser Form bisher bundesweit einmalig sind.

Derzeit läuft die vierte ökumenische Weiterbildung (2023-2026) und im Oktober 2025 startet eine weitere dreijährige ökumenische Weiterbildung Schulseelsorge/ Schulpastoral. Dies wird dann die fünfte dieses Formates sein.

Für Rückfragen zu Inhalten und Aufbau der Weiterbildung stehen Christine Watermann (Dozentin für Schulseelsorge im ptz, Stuttgart-Birkach) und Bernhard Mosbacher (Leiter der Fachstelle Schulpastoral in der HA IX–Schulen, Rottenburg) zur Verfügung.

SCHULSEELSORGE fördert das Zusammenleben aller am pluralen Schulleben beteiligten Personen (sharing and caring community). Sie ist ein vom christlichen Glauben motiviertes und von den Kirchen getragenes offenes Angebot für alle Menschen im Lebensraum Schule. Schulseelsorge leistet einen Beitrag zum Erziehungs- und Bildungsauftrag der Schule.

Mit ihren Angeboten
✓ unterstützt sie die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit
✓ beteiligt sie sich an der Gestaltung einer menschenfreundlichen und lebendigen Schulkultur
✓ fördert sie pluralitäts- und religionssensible Grundhaltungen
✓ begleitet sie Menschen, die sich in Krisensituationen befinden
✓ bietet sie Begleitung und Orientierung in Lebens- und Sinnfragen
✓ lädt sie ein, die je eigene Spiritualität zu entdecken.
 

Voraussetzung für die Ausbildung zur Schulseelsorger:in

Vorausgesetzt werden mindestens zwei Jahre Berufserfahrung, ein schulseelsorgliches Tätigkeitsfeld während der Weiterbildung und die Bereitschaft zu erfahrungs-, prozess- und theoriegeleitetem Lernen. Die Teilnehmer:innen verpflichten sich, an allen Kurselementen teilzunehmen und erhalten am Ende ein Zertifikat. Dieses Zertifikat wird von der Hauptabteilung IX–Schulen (Diözese Rottenburg-Stuttgart) und vom ptz Stuttgart (Evang. Landeskirche in Württemberg) aus- gestellt. Das Zertifikat ist Voraussetzung für eine Beauftragung als Schulseelsorger:in bzw. einen Auftrag als Beauftragte:r für Schulseelsorge. Es gibt ein entsprechendes Antragsverfahren.

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