Personal

„Kein Beruf zum bloßen Geldverdienen“

Simon Angstenberger und Andreas Ruiner Foto: Stadtdekanat Stuttgart

Die neuen Pastoralreferenten Simon Angstenberger und Andreas Ruiner starten im September in Stuttgart.

17 Pastoralreferentinnen und -referenten wurden am 4. Juli zum Dienst in der Diözese Rottenburg-Stuttgart beauftragt. Zwei der jungen Theologen haben ihre Assistenzzeit in Stuttgarter Gesamtkirchengemeinden verbracht und treten dort ab September auch ihre neuen Stellen an. Beide freuen sich auf diesen „vielseitigen Beruf, der Spielraum für eigene Ideen und Schwerpunkte bietet“.

Simon Angstenberger wirft noch einen kurzen Blick auf die gerade nach den neuesten Corona-Bestimmungen angebrachten Markierungen auf den Kirchenbänken, bevor er in sein Arbeitszimmer im angrenzenden Pfarrbüro geht. Nach drei Jahren als Pastoralassistent ist ihm St. Michael in Sillenbuch genauso vertraut wie die drei anderen Gemeinden der Gesamtkirchengemeinde Johannes XXIII. Hier ist der 30-Jährige unter anderem für die Jugendarbeit zuständig, kümmert sich um die Firmvorbereitung, übernimmt Predigtdienste und unterrichtet Religion am Gymnasium sowie an der Berufsschule. Zudem ist er pastorale Ansprechperson für die Gemeinde und mit der neuen Stelle als Pastoralreferent werden noch weitere Aufgaben wie der Beerdigungsdienst auf ihn zukommen.

Berufswunsch hat sich über Jahre entwickelt

Angstenberger hat eine klassische Kirchenkarriere hinter sich: Er war Erstkommunionkind, Ministrant, Firmkandidat und Leiter eines katholischen Zeltlagers. Dass er Pastoralreferent werden würde, war ihm trotzdem lange Zeit nicht klar. „Ich hatte kein Berufungserlebnis, der Berufswunsch hat sich über Jahre entwickelt.“ Schon von Kindheit an haben ihn Fragen nach dem Ursprung und dem Ende des Lebens umgetrieben. „Ich hatte immer das Gefühl, dass es mehr geben muss als das, was man sieht.“ Eine Rolle hat gewiss auch die Familie gespielt. Einer seiner Onkel ist ebenfalls Pastoralreferent, ein anderer Priester und seine Mutter segnete ihn jeden Morgen, bevor er sich auf den Weg zur Schule machte. Priester zu werden kam für den jungen Mann nicht in Frage, aber nicht allein wegen des Zölibats. „Viele haben noch das Bild eines Priesters vor Augen, der 24 Stunden am Tag erreichbar sein muss.“ Darin sieht Angstenberger eine große Gefahr der Überforderung. Auch der Beruf des Pastoralreferenten sei kein Beruf zum bloßen Geldverdienen und erfordere natürlich Einsatz und Engagement, doch Berufliches und Privates ließen sich hierbei besser trennen.

Ob sich diese Hoffnung bestätigt, wird sich noch zeigen. Schließlich ist für ihn die Rolle als Pastoralreferent noch ganz neu. Erst vor einer Woche erfolgte die Beauftragung durch Weihbischof Gerhard Schneider im Rottenburger Dom St. Martin. Mit 17 Referentinnen und Referenten war der Jahrgang der größte der vergangenen Jahre, der dank Corona jedoch mit der kleinsten Gemeinde feierte. Nur drei Gäste durfte jede Absolventin und jeder Absolvent einladen. Um Familie, Freunde und Interessierte trotzdem teilhaben zu lassen, übertrug die Diözese den Gottesdienst live im Internet und bot einen Livestream in der Rottenburger St. Morizkirche an. Trotz der Umstände: Für Angstenberger war die Beauftragungsfeier „schön und würdig“. So sieht das auch sein inzwischen ebenfalls zum Gespräch im Pfarrbüro eingetroffener Freund und Kollege Andreas Ruiner.

Beeindruckt von bodenständiger und fortschrittlicher Theologie

Ruiner hat einen ganz ähnlichen Werdegang wie Angstenberger. Beide kommen aus Aalen, haben dasselbe Gymnasium und später gemeinsam das Ambrosianum in Tübingen besucht, an der dortigen Universität Katholische Theologie studiert und ihre anschließende dreijährige seelsorgerliche Ausbildung in Gesamtkirchengemeinden in Stuttgart absolviert. Sie kennen sich seit der fünften Klasse, haben gemeinsam für Prüfungen im Studium gebüffelt und sich gegenseitig in ihren theologischen Karrieren bestärkt. Nicht verwunderlich also, dass sie sich regelmäßig austauschen, treffen und eng verbunden fühlen.

Andreas Ruiner kommt ebenfalls aus einer christlichen Familie - Vater katholisch, Mutter evangelisch - und hat sich schon früh mit Fragen des Glaubens befasst. Besonders prägend für seinen späteren Berufswunsch war ein entfernt verwandter und inzwischen verstorbener Franziskanerpater, mit dem er unzählige Gespräche „über Gott und die Welt“ führte, der ihm zuhörte und viel erklärte. „Er hat mich mit seiner großen Weltoffenheit und seiner bodenständigen und fortschrittlichen Theologie sehr beeindruckt“, so der 30-Jährige. Priester wollte er wegen seines Familienwunsches nicht werden, als Pastoralreferent scheint er hingegen den passenden Job für sich gefunden zu haben. „Es ist ein sehr vielseitiger Beruf, der Spielraum für eigene Ideen und Schwerpunkte bietet, bei dem man mit ganz verschiedenen Menschen zu tun hat und Positives bewirken kann“, sagt der Theologe.

Dass sowohl Simon Angstenberger als auch Andreas Ruiner für weitere zwei Jahre in ihren jeweiligen Gesamtkirchengemeinden Johannes XXIII. und Stuttgart-Vaihingen bleiben, ist unüblich. Mit einem Standortwechsel lässt sich der Rollenwechsel vom Pastoralassistenten zum -referenten in der Regel leichter verwirklichen. In beiden Seelsorgeeinheiten gab es allerdings Vakanzen bei den Pfarrstellen, die zu dieser Entscheidung führten. Die beiden Theologen sehen darin auch Vorteile: „Wir können jetzt im gewohnten Umfeld neue Arbeitsfelder entdecken.“ Umzüge und Eingewöhnungsphasen bleiben ihnen erspart, sodass sie direkt mit ihrer neuen Tätigkeit starten können. Eine besondere Herausforderung sehen sie darin, das Gemeindeleben unter Corona-Bedingungen zu gestalten. „Es geht darum, trotz der Einschränkungen eine positive Atmosphäre zu schaffen und Zuversicht auszustrahlen“, so Angstenberger.

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