Konsequenzen aus der 6. Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung (KMU)
Die Ergebnisse der 6. Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung (KMU), an der sich erstmals die katholische Kirche beteiligt hatte, machen nachdenklich. Ein Grund, sich intensiv mit den Themen Religiosität, Gottesbeziehung, Liturgie und Kirche als Sozial- und Engagementagentur auseinanderzusetzen. Zunächst präsentierten Weihbischof Matthäus Karrer, Leiter der Hauptabteilung Pastorale Konzeption, und Dr. Christiane Bundschuh-Schramm, Referentin für Kirchenentwicklung in eben jener Hauptabteilung, die Untersuchungsergebnisse der vier Themenfelder. In ihren Ausführungen wurde deutlich, dass sich die Kirche im säkularen Zeitalter nicht nur von einer Pastoralmacht, die den Menschen Glaube, Lebensweise oder Sozialform vorschreiben möchte, verabschieden müsse, sondern auch von der Auffassung, dass jeder Mensch nur mit Religion glücklich und gut werden könne. Auch beim Thema der Gottesfrage erreicht nicht das dezidiert christliche, sondern das offenere, nicht personale Gottesbild die höchste Zustimmung, auch in der Gruppe der Kirchenmitglieder. Nicht neu ist die Tatsache, dass Gottesdienste überwiegend anlassbezogen besucht werden – an hohen Feiertagen oder familiären Anlässen, wie Weihnachten und Ostern, Taufe, Hochzeit oder Beerdigung. Sichtbar wurde zudem, dass das ehrenamtliche Engagement, auch außerhalb der Kirche, zu ganz erheblichen Teilen durch kirchliche Religiosität bestimmt wird. Hauptmotiv für kirchliches Engagement ist dabei, Gemeinschaft zu erleben und für andere da zu sein und dass das soziale Miteinander wichtiger ist als religiöse Fragen.
Für die Kirchenentwicklung ergeben sich daraus Fragen, wie z.B. die individuelle Gottsuche durch theologische Impulse unterstützt werden kann. Wie und wo Räume geschaffen werden können, in denen angstfrei und offen über unterschiedliche Gottesbilder gesprochen werden kann. Welche Liturgie in Zukunft gebraucht wird. Wie Kirche agieren muss, um für die Menschen und das Gemeinwohl da zu sein.
In Kleingruppen tauschten sich die Rätinnen und Räte intensiv über diese Fragen aus. Die zentralen Erkenntnisse wurden im Plenum vorgestellt. Dabei wurde deutlich, dass „das Diakonische eine Brücke sein kann, damit die Gruppen nicht in ihrer eigenen Blase bleiben, sondern offen werden füreinander“, so Weihbischof Karrer. Dem Gespräch, der Gotteskommunikation müsse mehr Raum geben werden und „wir müssen uns offen machen für die Haltungen anderer und gleichzeitig für Gott eintreten und das klar und deutlich“, betonte Dr. Johannes Warmbrunn, Sprecher des Katholiken- und Kirchensteuerrates. In der Liturgie bewege besonders das Atmosphärische und die Musik und werde relevanter und in der Ehrenamtsentwicklung müsse der Blick noch mehr in die Gesellschaft gehen.
Die Erkenntnisse aus den Kleingruppen fließen in die Arbeit der diözesanen und überdiözesanen Gremien und in den von der Beratungsgruppe Pastoral und der Hauptabteilung Pastorale Konzeption angestoßenen Zielbildprozess ein.
Plausibilität der Kirchensteuer – Bezahlte Nächstenliebe
Um die Kirche und ihre Finanzen ging es am Samstagvormittag – ein viel und kontrovers diskutiertes Thema. Denn Zahlungen an die Kirchen finden geringere Akzeptanz und werden immer wieder in Frage gestellt. Kritiker monieren, dass der Staat die Kirchen privilegiert, indem er soziale Dienstleistungen refinanziert, die Caritas und Diakonie erbringen. In ihrem Impulsvortrag ging Dr. Ursula Nothelle-Wildfeuer, Professorin für Christliche Gesellschaftslehre in Freiburg, auf diese Kritik ein. Ausgehend von dem Zitat „Kirche für die Armen“ von Papst Franziskus stellte Nothelle-Wildfeuer einer kirchlichen Option für die Armen vor, die Kirchensteuer nicht ausschließt, sondern deren Verwendung qualifiziert. Wenn der Staat beispielsweise Leistungen der Caritas mitfinanziert, dient er nicht der Kirchenfinanzierung, sondern finanziert soziale und karitative Leistungen mit, zu denen der Staat verpflichtet sei. Dies entspricht dem Subsidiaritätsprinzip: –Freie Träger – auch die Kirchen - erbringen Leistungen im Bereich von Bildung, Erziehung und Betreuung oder der sozialen Unterstützungen und Hilfen. Das bedeutet, so Nothelle-Wildfeuer, nicht der Staat unterstütze die Kirchen, vielmehr unterstützen die Kirchen den Staat bei der Erfüllung seiner Pflichten.
Sie betonte „eine Kirche, die ihre Gemeinwohlverpflichtungen auch und gerade in einer individualisierten und pluralistischen Gesellschaft ernst nimmt, die Hilfe und Unterstützung für alle Menschen anbietet und die damit dem Sozialstaatsgebot zur Realisierung verhilft, erzählt keine Caritaslegende, wenn sie transparent darstellt, wie sie ihre Projekte, Einrichtungen und Dienstleistungen finanziert“. Sie präsentiere damit vielmehr das menschenfreundliche Gesicht der Kirche in unserer Gesellschaft – einer Kirche, die zwar an vielen Stellen mit der modernen, komplexen und hochdifferenzierten Gesellschaft fremdle, gerade in dieser Gesellschaft aber wirkungsvoll tätig ist, die auf verlässliche Partner in der Realisierung des Gemeinwohls angewiesen sei. „Genau das ist es, was gegenwärtig der Kirche insgesamt zumindest zu mehr Glaubwürdigkeit verhilft.“
Es folgte ein intensiver Austausch im Gremium. Diözesanadministrator Dr. Clemens Stroppel dankte Professorin Nothelle-Wildfeuer in seinem abschließenden Fazit ganz besonders für die Erläuterungen des Subsidiaritätsprinzips. Dieses sei vielen Mitbürger:innen oft gar nicht mehr bewusst. „Die Kommunen sind froh, dass die Kirchen ihnen helfen, die ihnen aufgeladenen Grundversorgungsaufgaben wahrzunehmen, wenn sie auf kirchlich-professionelles und kirchlich-ehrenamtlichen Tun zurückgreifen“, erklärte Stroppel und betonte, „wir müssen besser kommunizieren, wo Kirchensteuermittel zum Nutzen vieler über die Kirche hinaus beteiligt, sind“. Mit der neuen Kampagne zur Nutzung und Verwendung der Kirchensteuer möchte die Diözese Rottenburg-Stuttgart genau dies tun. Dazu stellte Mediendirektor Tobias Döpker die neue Kampagne vor, die anhand mehrerer Beispiele zeigen möchte, wo und wie die Kirchensteuermittel konkret in der Diözese Rottenburg-Stuttgart verwendet werden. Die Kampagne steht unter dem Motto „Sie helfen uns helfen.“
Weitere Themen
Am Samstagnachmittag standen außerdem die Stiftung Katholische Freie Schulen der Diözese, die Arbeit des Katholischen Büros und Informationen zum Stand der bevorstehenden Kirchengemeinde- und Pastoralratswahlen 2025 auf der Tagesordnung der Sitzung des Gremiums.