Citypastoral

Kirche ist einladend

Die AnsprechBar bei der Ravensburger Liebfrauenkirche heißt die Menschen willkommen - Foto: DRS / Waggershauser

Die AnsprechBar im Ravensburger Haus der katholischen Kirche bringt ganz unterschiedliche Menschen zusammen.

"Kommen Sie rein, herzlich willkommen. Was möchten Sie trinken?" So begrüßen Marianne Müller und Regina Kollmann an einem Samstag zu Beginn der Sommerferien die Gäste. Die meisten kennen sie längst, andere sind zum ersten Mal hier. Ansprechend sind die Menschen und der lichtdurchflutete Raum im Erdgeschoss des Gebäudes bei der Liebfrauenkirche - trotz des unbeständigen Wetters. Neben dem Café befinden sich dort auch die Räumlichkeiten der katholischen Innenstadtgemeinden sowie Büros des Verwaltungszentrums und der Caritas.

Wer reden möchte, findet in der AnsprechBar immer jemanden - andere Gäste, Ehrenamtliche hinter der Theke oder an diesem Tag auch Weihbischof Matthäus Karrer. Eigentlich wollte der in der Diözese für Pastorale Konzeption zuständige Hauptabteilungsleiter, der als Jugendpfarrer einst im Vorgängerbau wohnte, einfach beim Bedienen helfen. "Das Gesprächsbedürfnis ist aber viel höher", musste er feststellen. Dass er hier Menschen begegnet, die im klassischen Gemeindeumfeld nicht da sind, das schätzt der Weihbischof an diesem Angebot. "Kirche muss raus in die Öffentlichkeit", lautet einer seiner Grundsätze. Die AnsprechBar sieht er dabei als Schnittstelle.

Weihbischof Matthäus Karrer setzt sich dazu

So schnappt sich Karrer einen Stuhl vom Außenbereich und setzt sich mit an einen Tisch im ansonsten vollbesetzten Gastraum. Nebenan unterhalten sich einige Frauen um die 60 Jahre alt angeregt. Sie sind aus der Ukraine geflüchtet. Svitlana Riabchuk stammt aus Bucha, etwa 20 Kilometer vor Kiew. Die grausamen Bilder vom Vorrücken der russischen Truppen in dem Ort bei Kriegsbeginn gingen um die Welt. Die Journalistin harrte einige Wochen in einem Keller aus, bevor sie einen Korridor zur Flucht nutzen konnte. Inzwischen fand sie eine Wohnung in Amtzell und hat in Wangen die B1-Deutschprüfung abgelegt. Das Ergebnis steht noch aus, aber sie hilft anderen bereits beim Übersetzen und Schreiben.

Nach der Eröffnung des Neubaus an der Wilhelmstraße im Jahr 2018 seien die Präsenzzeiten im Café noch nicht so verlässlich gewesen, berichtet Michael Schindler. Der Pastoralreferent leitet aktuell das Haus der katholischen Kirche. Seit dem Neustart nach Corona gibt es feste Zeiten von Dienstag bis Samstag. 25 Ehrenamtliche heißen inzwischen etwa 250 Gäste wöchentlich willkommen. Das liege auch daran, dass die Seelsorgeeinheit Ravensburg-Mitte zusammen mit der Stadt und der Diakonie bereits im April letzten Jahres dort Begegnungsmöglichkeiten und Hilfsangebote mit Übersetzung für Geflüchtete aus der Ukraine geschaffen habe, erklärt Schindler.

Ein offenes Haus mitten in der Stadt

Adolf Lau sitzt auf dem Barhocker an der Theke. Er wohnt ganz in der Nähe und ist während der Öffnungstage fast immer Gast in der Ansprechbar. Er habe auch vorübergehend einen Geflüchteten aus der Ukraine bei sich aufgenommen und bemühe sich gerade mit ihm eine bezahlbare Wohnung zu finden, erzählt er. Heute unterhält sich Lau mit George. Der zwölfjährige Georgier lebt seit einem Jahr in Ravensburg, spricht bereits gut Deutsch und spielt gerne Fußball. Der Realschüler trinkt dabei seinen Kakao mit Sahne. Zur AnsprechBar kam er über seine Mutter, die seit kurzem dort im Team mitarbeitet. Außerhalb der Ferien nutzen auch andere Schüler:innen das Angebot.

Monika Braun, gewählte Vorsitzende des Kirchengemeinderats Liebfrauen, hat an dem Konzept des Hauses der katholischen Kirche mitgewirkt. "Hier sollen alle kommen dürfen, die ein Gespräch brauchen und die einsam sind", sei die Idee gewesen. Die AnsprechBar sei da nur ein Baustein. Auch Vorträge und Bildungsveranstaltungen würden gut angenommen. Donnerstags haben Mitarbeiter:innen von "Orte des Zuhörens" ein offenes Ohr für die Gäste des Cafés. Mit Aktionen wie "Cocktails zur Marktzeit" oder einem "fairen Straßenfrühstück" suche das Haus neue Wege und externe Partner, um etwas für die Menschen in der Stadt quer durch die Milieus zu bieten.

Ehrenamtliche tragen das Angebot

Während die Ravensburgerin Christine Wochner von einer Freundin mitgebracht wurde, entdeckte Karl Boos aus Bad Saulgau die AnsprechBar am Vorbeigehen. Beide können sich das Angebot nicht mehr wegdenken, da sie hier viele neue Leute kennengelernt haben. Einfach sitzen können, einen Kaffee trinken und am Ende das ins Kässle werfen, was man geben kann und möchte, gefällt ihnen. Besonders schätzen beide das "Einfach Essen" am Mittwoch. Für drei Euro gibt es da im angrenzenden Saal eine einfache, aber schmackhafte Mahlzeit mit Brot und Getränken. "Da kommen immer 100 bis 200 Leute", schätzt Boos.

Es sind überwiegend Ehrenamtliche, die diese Präsenz der Kirche im gelebten Miteinander in der Ravensburger Innenstadt stemmen. Auch wenn es schwierig sei, für ein längerfristiges Engagement Mitarbeitende zu gewinnen, machen die Frauen hinter der Theke an diesem grauen Augustsamstag einen fröhlichen und zufriedenen Eindruck. Es sei ihm wichtig gewesen ihnen zu zeigen, dass ihre Arbeit von der Kirchenleitung gesehen und gewürdigt wird, erklärt Weihbischof Karrer im Gehen. Auch die anderen Gäste stürtzen sich noch ins Getümmel des Wochenmarkts oder machen sich auf den Heimweg. Sie wissen jedoch: Hier sind sie jederzeit wieder willkommen.

Hinweis

In den baden-würtembergischen Schulferien ist die AnsprechBar bis 9. September nur samstags von 10 bis 14 Uhr geöffnet. Das Angebot "Einfach Essen" startet wieder wöchentlich ab Mittwoch, 4. Oktober.

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