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Klare Haltung gegen den wachsenden Rechtsruck

Foto: DRS

Wie wir als Christ:innen der Bedrohung von Frieden und Demokratie in Deutschland, Europa und der Welt begegnen, war Thema beim Tag der Verbände 2024.

Am Samstag, 20. Januar 2024 fand im Tagungshaus Hohenheim der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart der Tag der Verbände statt. Veranstalterin war die Arbeitsgemeinschaft Katholische Organisationen und Verbände (ako). Professorin Dr. Ursula Nothelle-Wildfeuer von der Theologischen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg hielt den spannenden Impulsvortrag mit dem Titel: „Dem wachsenden Rechtspopulismus christlich begegnen – wie denn?“, und regte einen lebhaften Austausch unter den etwa 35 Teilnehmenden an.

„Bestimmte Inhalte sind unvereinbar mit der Botschaft des Evangeliums“

Schon im Vorfeld der Veranstaltung macht Prof. Nothelle-Wildfeuer ihren Standpunkt deutlich. Sie sei zunehmend besorgt über die aktuelle politische Lage: „Bestimmte Inhalte sind einfach unvereinbar mit der Botschaft des Evangeliums und das muss auch deutlich so formuliert werden. Menschenverachtung, Ausgrenzung wegen Ethnie, Religion, Herkunft sind in keiner Weise mit dem zu vereinbaren, was das christliche Menschenbild, die viel missbrauchte Rede von "unseren christlichen Werten" tatsächlich meint. Der christliche Glaube ist in keiner Weise geeignet als Dekoration für völkische, menschenverachtende und ausgrenzende Polit-Slogans!“

Was geht in den Köpfen von Populisten vor?

Die Professorin unterteilt ihren Vortrag in drei Teile: In einem ersten Teil fragt sie nach den zentralen Elementen des Populismus, vor allem nach dem Begriff von Volk und Populismus und den diesbezüglichen christlichen Aspekten. Ein zweiter Teil beleuchtet, was aus der vorgestellten Perspektive heraus „christlicher Ethik“ bedeutet, also was mit  „Unsere-christliche-Werte“ gemeint sein könnte. In einem dritten Schritt gibt Nothelle-Wildfeuer schließlich einen Ausblick darauf, wie wir als Christ: innen und als Kirche mit der Problematik umgehen müssen.

Wer ist denn eigentlich „das Volk“?

Man unterscheide, so Prof. Nothelle-Wildfeuer, die Zugehörigkeit zu Nationalstaaten in der Neuzeit entweder nach ihrer ethnischen Gemeinschaft, also ethnos, oder nach der politischen Gemeinschaft, also demos. Ethnos bezeichne eine Schicksalsgemeinschaft, verbunden durch eine gemeinsame Vergangenheit und Erinnerung, aus der kein Zu- oder Abgang möglich sei. Eine Integration für Menschen außerhalb des „Christlichen Abendlandes“ sei also ausgeschlossen. Das Mantra der Populist: innen laute: „Wir − und nur wir − repräsentieren das wahre Volk“.

„Dieses Verständnis von Volk als ethnos suggeriert eine Homogenität des gemeinten Volkes, die es in diesem Sinne in den Gesellschaften nicht gibt, denn wir leben nicht in einer Ethnokratie, sondern in einer Demokratie, also in einer territorial verorteten Gemeinschaft aus gleichen Staatsbürger:innen, deren Grenzen durch positives Recht festgesetzt und verändert werden können.“
Prof. Dr. Ursula Nothelle-Wildfeuer

 

Wenn Populist: innen nun eher den Volksbegriff des ethnos vor Augen haben, statt des demos, könnten diese nur zwischen Freund und Feind unterscheiden. Eine moralisch-ethischen Verpflichtung mit allen Vorteilen und Chancen unseres Sozialsystems, begrenze sich dann allein auf die Angehörigen des eigenen Volkes, die zu ihrer Kategorie „Freund“ gehörten - geflüchtete Menschen seien ausgeschlossen. „In einer Demokratie tritt Volk jedoch nur im Plural auf“, erklärt die Professorin.

Die intellektuell abgehobenen „Gutmenschen“ und das „wahre Volk“

Ein weiteres Populismus-Kriterium, so Nothelle-Wildfeuer, sei das „Anti-Elitäre“, das sich vor allem auf die Repräsentant:innen des politischen, demokratischen Systems beziehe. Sie erklärt: „Ihnen traut man keine Wandlungsfähigkeit, kein Verständnis für das einfache, wahre Volk und seine Probleme zu.“ Es beziehe sich aber auch auf die als „Gutmenschen“ bezeichneten Bürger: innen, die sich „moralisch überheblich“ für eine menschenfreundliche Aufnahmegesellschaft einsetzen. Prof. Nothelle-Wildfeuer: „Dieser Vorwurf wurde oftmals den Leitungen beider Kirchen gemacht, die sich für eine „Willkommenskultur“ stark gemacht haben.“

Christliche Werte, deren Bedeutung man nicht kennt, werden pervertiert

Zugleich suchten Populist: innen gezielt den Schulterschluss mit Vertreter: innen des christlichen Glaubens. Mit der lautstarken Verteidigung des christlichen Abendlandes begründeten Populist:innen ihre Ablehnung gegen muslimische Geflüchtete. Hier wird Professorin Nothelle-Wildfeuer deutlich: „, dass hier dann gerade christliche Werte, deren Bedeutung man vermutlich gar nicht genau kennt, missbraucht und pervertiert werden, genau die Werte, die man vorgibt zu retten, wenn damit Ausschluss, Exklusion, menschenunwürdige Zustände, schutzloses Ausgeliefert-Sein an Krieg, Terror, Folter und Verfolgung in Kauf genommen werden, scheint völlig ausgeblendet zu sein.“ Wenn unsere Gesellschaft geflüchtete Menschen nicht mehr als Individuen sehe, verlasse sie definitiv den Boden genuin christlicher Argumentation bezüglich des Verständnisses vom Menschen und von den Menschenrechten“, und sie warnt: „Damit steht nicht mehr und nicht weniger auf dem Spiel als die humane Substanz unserer Gesellschaft!“

 Was entgegnet man christlich argumentierenden Populisten?

Die Referentin warnt davor, Populist: innen mit dem gleichen absolut gesetzten Wahrheitsanspruch von der anderen Seite aus zu konfrontieren und damit zwei verhärtete Fronten einander gegenüberzustellen. Den Verbänden gibt die Professorin sieben Schritte mit auf den Weg:  Distanzierung von falschen Positionen, Überzeugung für Demokratie stärken, echten Dialog führen und deutlich Position beziehen, Bildung als Aufgabe, eindeutige Öffentlichkeitsarbeit, Großbewegung zur Verteidigung der Menschenwürde. Besonders wichtig für die Verbandsarbeit, so Nothelle-Wildfeuer, sei der letzte Punkt: „Sich besonders auf die Seite derer zu stellen, die Opfer von populistischen Angriffen und Positionierungen werden“.

Das sind nicht nur dunkle Geister, das ist brandgefährlich!

Nach dem Vortrag wurden die Teilnehmenden an der Veranstaltung unter der Anleitung von Johannes Hofmann selbst aktiv, diskutierten über das Phänomen Rechtsextremismus, seinen psychologischen Ursachen sowie den Erfahrungen der Teilnehmenden aus der Verbandarbeit.  Johannes Hoffmann formuliert das Ziel der Veranstaltung: „Sie alle sollen mit Angeboten und Anregungen für Aktionen in ihre Verbände und Gemeinden zurückkehren.“ 

In ihrem Abschlussstatement betonte Ordinariatsrätin Karin Schieszl-Rathgeb, es sei höchste Zeit, dass wir uns mit der wachsenden Angst, Wut, und der sozialen Spaltung in unserer Gesellschaft auseinandersetzten. Niemals zuvor habe ein Unwort des Jahres so verheerende Absichten zutage gefördert, wie das diesjährige „Remigration“.

Sie warnte: „Das sind nicht nur dunkle Geister, die wir auf ewig verschwunden wähnten. Nein: Das ist brandgefährlich!“ Die Frage, ob wir als Christen hilflos gegen rechts seien beantwortete Schieszl-Rathgeb energisch: „Nein, um es ganz deutlich zu sagen: Der Glaube an einen barmherzigen, liebenden Gott und exklusives extremistisches Gedankengut sind absolut nicht miteinander vereinbar!“ Der Mensch sei Gottes Geschöpf und sein Ebenbild, er habe eine gottgeschenkte Menschenwürde, die unantastbar sei. Und mit einem Blick auf die Stellwände im Saal ergänzt Karin Schieszl-Rathgeb „Und wenn ich mir die Stellwände mit ihren Ideen anschaue, sehe ich, dass Demokratie für Sie und unsere Gesellschaft das Glaubensbekenntnis ist.“

 

„Heißt nicht, unschuldige Menschen aus dem Land zu treiben, GOTT aus dem Land zu treiben?“ Ordinariatsrätin Karin Schieszl-Rathgeb

 

Für uns Katholik:innen seien alle guten Argumente und Potentiale gegen Extremismus in der Katholischen Soziallehre verankert: Personalität – die unantastbare Würde eines jeden Menschen, Solidarität und mit der Subsidiarität das Gemeinwohl vor Ort. Schieszl-Rathgeb: „Die Katholischen Organisationen und Verbände tragen allesamt die Katholische Soziallehre in ihrer DNA. Sie, liebe Vertreterinnen und Vertreter, so wie Sie sich täglich engagieren, haben die Grundsätze der Soziallehre automatisch in ihrem Herzen. Seien wir wachsam!“
 

„Eigentlich wollte ich nach dem Tag der Verbände noch Motorräder schauen gehen. Aber ich geh jetzt runter zur Demo gegen rechts in Stuttgart.“
Robert Werner, ako Vorstand Kolping

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