„Gesegnete Mahlzeit“. Mit diesen Worten überraschte Franziskus wenige Tage nach seiner Wahl zum Papst die Menschenmenge auf dem überfüllten Petersplatz. Ein Stellvertreter Christi auf Erden, der seinen Anhängern eine gesegnete Mahlzeit wünscht? Das hat es noch nie gegeben. Doch warum eigentlich nicht?
Denn die Bibel ist voll von Gleichnissen und Geschichten, in denen Lebensmittel und ihr gemeinsamer Verzehr eine Verbindung zwischen Gott und den Menschen schaffen. Das Manna, das vom Himmel fällt. Das Land, in dem Milch und Honig fließen. Das Gleichnis vom Sauerteig und Mehl. Jesus, der beim letzten Abendmahl das Brot bricht. Jesus, der nach seiner Auferstehung Jüngern am See von Tiberias erscheint und sie an sein Feuer, auf dem Fisch und Brot liegen, einlädt.
Auch Papst Franziskus benutzt in seinen Reden immer wieder Vergleiche aus dem Bereich der Kulinarik. Außerdem setzt er mit gemeinsamen Mahlzeiten und Einladungen zum Essen immer wieder plakative Zeichen. Erst unlängst hat Papst Franziskus die Bürger von Rom zum gemeinsamen Essen mit Migranten aufgefordert, um so Räume der Gemeinschaft zu schaffen. Praktiziert hat der Papst dies selber unter anderem am 19. November 2017, der erstmals als Tag der Armen begangen wurde. Damals wurden 151 Tische im Vatikan aufgebaut, an denen der Papst zusammen mit 1500 Gästen – zumeist Menschen die weder Arbeit noch Zuhause hatten – ein gemeinsames Mittagessen einnahm. Serviert wurden Gnocchi, Kalbfleisch, Polenta und Brokkoli. Zum Nachtisch gab es Tiramisu.
Genau diese schnörkellos-bodenständigen Gerichte finden sich im Buch „Kochen mit dem Papst“ des Journalisten und Franziskus-Biografen Roberto Alborghetti. Doch „Kochen mit dem Papst“, das nur 36 Rezepte auf knapp über 200 Seiten vereint, ist weniger ein klassisches Kochbuch als vielmehr eine kulinarische Biografie über den ersten Papst aus der Neuen Welt. Dabei werden die Lebensverhältnisse der italienischen Auswandererfamilie, in die Jorge Mario Bergoglio am 17. Dezember 1936 in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires hineingeboren wird, lebendig. Entsprechend ist auch der Rezeptmix: Neben traditionell argentinischen Gerichten wir Asado (Grillfleisch) oder Empanadas (gefüllte Teigtaschen) finden sich in „Kochen mit dem Papst“ natürlich auch typische Gerichte und Süßigkeiten aus dem Piemont, der Heimat seiner Vorfahren. Papst Franziskus soll bis heute ein großer Fan der typisch piemontesischen Haselnusstorte sein. Deswegen darf ihr Rezept in „Kochen mit dem Papst“ nicht fehlen.
Alborghetti erzählt, wie das gemeinsame Essen in der Familie Bergoglio eine wichtige Rolle spielte und geradezu zelebriert wurde. So berichtet Franziskus jüngste Schwester Maria Elena von stundenlangen Mahlzeiten, bei denen nicht nur gemeinsam gegessen, sondern auch viel geredet und noch mehr gelacht wurde. Und die Papst-Schwester weiß auch: Franziskus ist ein ganz hervorragender Koch. „Seine gefüllten Calamari schmecken umwerfend“, schwärmt sie. Nicht nur die Schwester ist begeistert von den Kochkünsten des Papstes, sondern auch seine ehemaligen Studenten im Colegio Maximo des San Jose, dem größten jesuitischen Ausbildungszentrum in Lateinamerika. Da der Koch dort an Sonn- und Feiertagen frei hatte stand Jorge Maria Bergoglio, damals Rektor der Einrichtung, an diesen Tagen selber am Herd, um für seine Studenten zu kochen. Auf seine Kochkünste in einem Interview angesprochen, gibt Papst Franziskus eine seiner typisch bescheidenen Antworten: „Nun ja, noch hat mein Essen niemanden umgebracht.“
In Erzählungen und Anekdoten wie diesen, wird der Mensch Begroglio hinter dem Amt des Papstes sichtbar. Und so haben auch wohl nur die wenigsten Menschen bisher gewusst, dass Jorge Mario Bergoglio vor seinem Theologiestudium eine Ausbildung zum Lebensmittelchemiker absolviert hat.
Geerbt hat Jorge Mario Bergoglio das Talent am Herd wohl von seiner piemontesischen Großmutter Rosa und von seiner Mutter Maria Regina. Weil die Mutter nach der Geburt der jüngsten Schwester gelähmt war, musste ihr der junge Jorge Mario in der Küche zur Hand gehen. Dirigiert von seiner Mutter bereite er so nach der Schule das Mittagessen für sich und seine Geschwister zu. Und weil die Familie arm war, durfte nichts weggeworfen werden. Übriggebliebene Lebensmittel wurden am Folgetag kreativ weiterverarbeitet.
Diese Erfahrungen aus seiner Kindheit prägen den Papst bis heute. Sie haben in seiner Enzyklika „Laudato si“ Eingang gefunden und sind auch im Vatikan Tag für Tag zu spüren. Denn im Gegensatz zu seinen Vorgängern isst Papst Franziskus zusammen mit Gästen und dem Personal des Vatikans in der Mensa Casa Santa Maria. Dort kommen auf ausdrücklichen Wunsch des Papstes einfache und bodenständige Gerichte wie Gemüsesuppen, Nudelgerichte und Braten auf den Tisch. Und auch der Kampf gegen die Lebensmittelverschwendung ist dem Papst weiter ein Herzensanliegen. Im Vatikan hat Papst Franziskus dafür eigens Kochkurse initiiert.
Roberto Alborghetti, Kochen mit dem Papst. Die Lieblingsrezepte von Franziksus, Südwest Verlag, 25 Euro.
ISBN 978-3-517-09726-8