Roman Wruszczak ist Pfarrer der Ukrainisch Griechisch-Katholischen Gemeinde in Stuttgart und damit ganz nah dran an den Schlagzeilen, die derzeit die Nachrichten bestimmen. Der 64-Jährige betreut rund 2.000 Gläubige in der Landeshauptstadt. Im Interview berichtet er, wie die Situation in der Heimat seine Gemeindemitglieder belastet und wie Verwandte und Freunde in der Ukraine mit der schwierigen Situation umgehen.
Seit Tagen sind Nachrichten voll von der drohenden Kriegsgefahr in der Ukraine. Welche Ängste und Sorgen haben Sie und Ihre Gemeindemitglieder, Pfarrer Wruszczak?
Sehr viele unserer Gemeindemitglieder haben engste Kontakte mit der Ukraine. Es sind Studenten, auf die Eltern und Großeltern zuhause warten. Es sind Arbeiter, die ihren Familien durch ihre harte Arbeit eine bessere Zukunft ermöglichen möchten. Es sind Gemeindemitglieder in gemischten Ehen, deren Geschwister oder Verwandte in verschiedenen Regionen der Ukraine leben. Aber auch diejenigen Ukrainer, die in Deutschland geboren und aufgewachsen sind und die Deutschland als ihre Heimat betrachten – sie alle blicken mit großer Sorge in Richtung des Landes ihrer Vorfahren.
Für uns alle ist es unvorstellbar, falsch und grausam, dass in einem europäischen Land im 21. Jahrhundert nicht nur Gebiete annektiert und Menschen vertrieben werden, sondern auch eine militärische Offensive und damit der Tod vielen Menschen droht.
Vor knapp 30 Jahren hat die Sowjetunion, auch Gefängnis der Völker genannt, aufgehört zu existieren und die Ukraine hat endlich ihre Souveränität und Unabhängigkeit erlangt; aber was viel wichtiger ist, die Ukraine hat auch die Möglichkeit bekommen, christlichen Glauben zu bekennen und die christlichen Werte frei zu leben. Die Kirchen in der Ukraine sind oft voll. Alles was unser Volk möchte, ist es, im Frieden zu leben, zu arbeiten und an Gott zu glauben. Niemand möchte die eigenen Kinder in einem Krieg verlieren, dessen Ziele nicht gerechtfertigt werden können. Die Folgen eines solchen Krieges wären gravierend: Die jungen Studierenden müssen eventuell die Studienplätze verlassen, um in die Armee einberufen zu werden, die Arbeiter können von heute auf morgen alles verlieren, wofür sie gearbeitet haben, und – natürlich möchte keiner daran denken und wir beten darum bei jedem Gottesdienst, dass keiner ihre lieben Mitmenschen verliert. Diese Verluste kann man nie wieder gut machen. Aus diesem Grund sind wir einfach schockiert, dass die Bedrohung tatsächlich reale Züge annimmt. Wir beten, dass es nie zur Realität wird.