Im Fokus der Wanderausstellung „Gurs 1940“ stehen die organisierten Verschleppungen von mehr als 6500 jüdischen Deutschen aus ihrer Heimat im Oktober 1940 – ein Jahr bevor die systematischen Deportationen aus dem gesamten Deutschen Reich in den Osten begannen. Der Fachbereich Geschichte der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart hat die Ausstellung zusammen mit dem Denkstättenkuratorium NS-Dokumentation Oberschwaben nach Weingarten geholt. Am 26. September wurde sie im dortigen Tagungshaus der Akademie eröffnet.
Wer erinnert? Und wie vermitteln? Dies sind nur einige der Fragen, die die Ausstellung zur Deportation und Ermordung von südwestdeutschen Jüdinnen und Juden in das französische Lager Gurs durchziehen. Lokale Erinnerungsinitiativen und viele weitere Partner unterstützten das Kooperationsprojekt der Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz in der Aufarbeitung und Darstellung jüdischen Lebens in, vor und nach der Shoah.
Auf den Spuren jüdischen Lebens
„Geschichte passiert nie in einem luftleeren Raum. Sie ist immer verflochten“, betont Johannes Kuber, Leiter des Fachbereichs Geschichte an der Akademie in seiner Eröffnungsrede. Doch welche überregionalen Verflechtungen es gab, wie das jüdische Leben in Oberschwaben eigentlich aussah und wie die Deportationen abliefen sei oft gar nicht so leicht nachvollziehbar. Denn Gedenktafeln und Stolpersteine sind heute an vielen Orten die einzigen Hinweise, die an das rege jüdische Leben in Südwestdeutschland vor dem Holocaust erinnern.
Im Rahmen der Ausstellungseröffnung schafften zwei Vorträge von ExpertInnen für jüdische Lokalgeschichte einen direkten Bezug zur Regionalgeschichte Oberschwabens. Charlotte Mayenberger, Gründerin des Freundeskreises ‚Juden in Buchau‘, berichtete im ersten Impulsvortrag der Eröffnungsveranstaltung von Einzelschicksalen jüdischer Männer, Frauen und Kinder, die ab 1941 aus Bad Buchau in verschiedene Arbeits- und Konzentrationslager verschleppt wurden – wenige kehrten zurück, die meisten starben aufgrund der menschenunwürdigen Transport- und Lebensbedingungen fernab ihrer Heimat oder wurden in Vernichtungslagern ermordet.
In dem Gedenkraum zur jüdischen Geschichte in Buchau finden sich noch einige ihrer Objekte, umfassend inventarisiert, die Einblicke in das Leben vor und auch nach der Shoah ermöglichen. Objekte, die die individuellen Lebensgeschichten ihrer Besitzerinnen und Besitzer sichtbar machen. Was bleibt sind also Erinnerungen, Fotos, vielleicht Dokumente, die aus Zufall in einem verstaubten Koffer auf einem Dachboden gefunden werden.
Familie Uffenheimer war in Ravensburg
Das zeigt zum Beispiel die Geschichte der Familie Uffenheimer, in die Ursula und Werner Wolf von der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Begegnung in Oberschwaben bei der Ausstellungseröffnung Einblicke gewährten. Der sorgsam aufbewahrte Briefwechsel zwischen dem 1938 nach Argentinien geflohenen Semi Uffenheimer und seiner Schwester Flora, die mit ihren Eltern in Deutschland zurückblieb, zeugt von ihren persönlichen Erfahrungen und Eindrücken.
Im Herbst 1939 kommt die Familie aus Breisach im Zuge der Rheinlandevakuierung einige Wochen im Burachhof bei Ravensburg unter, bevor sie an ihren Heimatort zurückkehren und von dort aus 1940 in das südfranzösische Lager Gurs deportiert werden. Ihre Mutter verstirbt noch im selben Jahr. Flora schreibt ihrem Bruder weiterhin aus dem Lager und über ihre dortige Arbeit als Krankenschwester – bis auch hier die Briefe 1942 mit dem Transport nach Auschwitz schlussendlich aufhören.