Jugend

Kommt und seht, was das Leben ausmacht

Den Wegweiser auf dem Kopf: Eine KLJB-Gruppe aus Erolzheim, die regelmäßig zum Jugendtag kommt, und Schwester Veronika vom Jugendtagsbüro freuen sich über das Wiedersehen. Foto: DRS/Jerabek

Immer wieder auf das zu schauen, „was mich wirklich leben lässt“ – diese Aufforderung, die auch eine Einladung Jesu ist, prägte den Jugendtag 2022.

Schwester Veronika zeigt, wo’s langgeht: Der kleine Pfeil auf ihrer knallroten Baseball-Mütze zeigt immer nach Untermarchtal. Sozusagen. Oder ist das so etwas wie eine besondere Antenne „nach oben“, was da – verziert mit bunten Perlen – aus dem Cappy ragt? Und für alle, die es noch nicht wissen oder wieder vergessen haben, steht die zentrale Frage dieses Tages groß geschrieben: „Was lässt dich leben?“ Unter dieses Motto haben die Vinzentinerinnen von Untermarchtal den Jugendtag 2022 gestellt. Rund 400 Jugendliche und junge Erwachsene sind der Einladung gefolgt, um miteinander zu feiern, zu beten, in Workshops kreativ zu sein und darüber nachzudenken, wie sie in ihrem Leben Gott (mehr) Raum geben können.

Das Cappy, mit dem die Schwester auch auf größere Entfernung sicher identifiziert werden kann, ist übrigens ein Mitbringsel einer KLJB-Gruppe aus Erolzheim, die regelmäßig zum Jugendtag kommt und immer mit einem besonderen Accessoire überrascht. Erolzheim, ganz im Osten des Dekanats Biberach gelegen, ist auch die Heimatgemeinde von Schwester Veronika. Wiedersehen macht Freude.

Wie Gott uns heute begegnen will

Was lässt sie leben, die jungen Leute aus dem Illertal? Für Sandra sind es gerade solche Tage und tolle Erlebnisse wie kürzlich auf dem Katholikentag in Stuttgart, die Kraft geben. Aber auch die Gemeinschaft in der Katholischen Landjugendbewegung ist so etwas wie eine Tankstelle in diesen besonderen Zeiten, ergänzt Tanja. Es sind überhaupt die Freunde, aber auch der Glaube, die leben lassen, sagt Thomas. Gemeinsam haben die jungen Leute einen Großteil der Strecke nach Untermarchtal zu Fuß zurückgelegt und dabei darüber nachgedacht, wie Gott Menschen heute begegnen will. Dass Gott über oder durch andere Menschen zu uns kommt, vielleicht gerade durch einen Bettler oder anders Bedürftigen - diesen Gedanken vom Actionbound bei der Sternchenwallfahrt im Vorfeld des Jugendtags hat Thomas mitgenommen.

Ordensschwestern – für alle Fälle und ganz nahbar, das macht den Jugendtag aus: mit ihnen basteln, tanzen, beten und Löcher in den Bauch fragen. An der KiBa-Ansprech-Bar in der großen Scheune stehen Schwester Franziska und Schwester Sophia Rede und Antwort. Wie alt bzw. wie jung denn die jüngste Schwester in Untermarchtal sei, will der kleine Ludwig wissen. (Antwort: 26.) Warum die Schwestern eine Ordenstracht tragen, lautet eine andere oft gestellt Frage. „Hier ist Platz, um Fragen zu stellen, die man sich sonst vielleicht nicht zu stellen traut“, sagt Schwester Franziska. „Uns ging’s ja selbst so als Jugendliche.“ Wer mag, kann noch auf der Slackline probieren, was es heißt, Balance zu halten, oder in der Hängematte oder bei einem Becher KiBa (Kirsch-Bananensaft-Mix) der inneren Balance nachspüren.

Workshops und offene Angebote

Zwanzig Angebote und Workshops haben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zur Auswahl: In den Räumen des Bildungsforums kann man Armbänder „mit Perlen des Glaubens“ gestalten (und über die Bedeutung jeder Perle fürs eigene Leben nachdenken), eine Kerze mit dem Bild vom eigenen Lebenstraum verzieren, Gebärdensprache lernen, im persönlichen Gespräch den eigenen Fragen, Zweifeln und Hoffnungen nachspüren, in der Beichte Vergebung durch Gott erfahren, in der Rosenkranzkapelle einfach Pause machen, bei Gott neu auftanken…

Fast wie bei einem kleinen Katholikentag sieht es in der Scheune aus. Einige Initiativen und auch Dienststellen der Diözese sind vertreten, etwa die Fachstelle Ministrantinnen und Ministranten. An anderen Ständen lassen sich Freundschaftsbänder knüpfen (und nebenbei mit anderen ins Gespräch kommen) oder Kreuze gestalten oder in einer Bilderausstellung Einblick nehmen in den Alltag der Schwestern in Tansania, Äthiopien und Deutschland.

Für die Kirche arbeiten? - Ja, klar!

Anneke Willms gibt bereitwillig Auskunft allen, die wissen wollen, warum man sich auch als junge Frau heute für einen Beruf in der Kirche entscheidet, etwa als Pastoral- oder Gemeindereferentin. Die 22-Jährige erlebt ihr Studium der Theologie, für das sie sich vor einem Jahr in Tübingen eingeschrieben hat, als Bereicherung für ihren Glauben und schätzt die andere Perspektive, die sie dadurch gewinnt. Im Freundeskreis erfahre sie für ihre Entscheidung ganz überwiegend Respekt, auch von Leuten, die sich einem anderen oder gar keinem Glauben zugehörig fühlen, berichtet sie am Stand der Diözesanstelle „Berufe der Kirche“. Und sie weiß auch, was sie an ihrer Kirche hat, „was mich hält“: die Spiritualität, auch die Marienfrömmigkeit, und die Beichte als Sakrament, die sie als befreiend erlebt.

Draußen auf dem Platz vor dem Bildungsforum, wo sonst Autos parken, feiern Jugendliche mit Schwester Gabriele Maria tanzend ihren Glauben. Nach Tänzen aus aller Welt darf auch der Macarena, der beim Jugendtag schon Kultstatus hat, nicht fehlen.

„Die Ereignisse sind unsere Herren“

Dass der Jugendtag trotz aller Freude und Ausgelassenheit anders ist als der letzte „richtige“ vor der Pandemie, klingt im Predigtgespräch von Schwester Dorothea und Weihbischof Matthäus Karrer an. Das Leben sei in den letzten drei Jahren ein anderes geworden, sagt Karrer. Es stelle sich die Frage: Was will uns das sagen?

Schwester Dorothea erinnert in diesem Zusammenhang an ein Zitat des heiligen Vinzenz, das ihr wichtig geworden ist: „Die Ereignisse sind unsere Herren.“ Vinzenz habe in seiner Zeit den Mut und den Weitblick gehabt, die Realität des Lebens anzuerkennen, sich dieser Realität zu stellen und dann auch weiterzugehen. Das gelte „für uns auch heute, immer wieder aufs Neue – unsere Welt, unsere Gesellschaft, unsere Kirche sind in den drei Jahren anders geworden, und wir müssen und mussten auf diese Ereignisse reagieren, um glaubhaft zu bleiben“. Aber das berge auch große Chancen in sich.

Jesus gibt der Sehnsucht Raum

Was dient dem Leben? Was gibt dir gutes, erfülltes Leben? In diesen bewegten Zeiten sei diese Frage nochmals wichtiger geworden, sagt der Weihbischof, und Schwester Dorothea lenkt den Blick auf das Evangelium, das von der ersten Begegnung der Jünger Andreas und Petrus mit Jesus berichtet. Die Jünger hätten jemanden getroffen, „bei dem ihre Sehnsucht Raum findet“. Jesus gebe keine vorgefertigte Antwort, sondern konfrontiere die Jünger zunächst mit einer Frage: Was sucht ihr? Jesus gebe der Sehnsucht Raum, „er zwingt nicht, er lädt ein“: Kommt und seht.

Diese Einladung, so der Weihbischof, sei auch „eine Aufforderung an uns heute, sie gelte immer noch, vielleicht mehr denn je in solch bewegten Zeiten: Kommt und seht, was das Leben ausmacht. Kommt und seht, wo ihr euch mit euren Begabungen und Fähigkeiten in der Welt einbringen könnt. Kommt und seht, wie wir gemeinsam Kirche und Welt erneuern und verändern können. Kommt und seht, wo das Evangelium Hand und Fuß bekommt“, sagt Karrer. Gerade dieser etwas kleinere Jugendtag lade dazu ein, „tiefer die Wurzeln unseres Glaubens und unseres Lebens nachzuspüren“. Es gelte, auch im Alltag immer wieder auf das zu schauen, „was mein Leben reicher und wertvoller macht, was trägt und auch in schwieriger Zeit hält; auf das, was mich wirklich leben lässt“. Diese Verheißung und Hoffnung wolle Jesus schenken.

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