Geschichte

Kultur des gegenseitigen Respekts

Bischof Dr. Klaus Krämer trifft Vertreter:innen islamischer Verbände und muslimischer Organisationen in Stuttgart

Bischof Dr. Klaus Krämer (vorne in der Mitte) und Vertreter:innen der Diözese Rottenburg-Stuttgart treffen Vertreter:innen islamischer Verbände und muslimischer Organisationen in Stuttgart. Foto: DRS/Angelika Sönnichsen

Zum ersten Mal seit seinem Amtsantritt trifft Bischof Dr. Klaus Krämer Vertreter:innen islamischer Verbände und muslimischer Organisationen.

Bischof Dr. Klaus Krämer hat in Stuttgart Vertreter:innen islamischer Verbände zum interreligiösen Dialog getroffen. Das Gespräch orientierte sich an der Erklärung "Nostra aetate": Vor 60 Jahren hatte das Zweite Vatikanische Konzil in dieser die neue Haltung der Kirche zu anderen Religionen formuliert. Bischof Krämer erinnerte im Zuge seiner Rede zu Beginn des Treffens an die Wende, die das Zweite Vatikanische Konzil für das Verhältnis der Kirche zu anderen Religionen bedeutete. „Mit "Nostra aetate" hat die katholische Kirche gelernt, andere Religionen nicht mehr aus der Distanz, sondern im Geist der Achtung zu betrachten“, sagte der Bischof. „Seitdem gehört der Dialog mit ihnen zum Wesen der Kirche.“

"Nostra aetate" würdigt die Muslime mit Hochachtung als Menschen, die den einen, barmherzigen und allmächtigen Gott anbeten. Die Erklärung ruft dazu auf, das Vergangene beiseitezulassen und gemeinsam für soziale Gerechtigkeit, moralische Werte, Frieden und Freiheit einzutreten. In Bezug auf das Verhältnis der Kirche zu den Juden wird mit der Erklärung "Nostra aetate" der jahrhundertelangen Judenfeindschaft der Kirche und der Christen sowie dem (auch auf diesem "Nährboden" entstandenen) Antisemitismus eine klare Absage erteilt.

Impulse für Gegenwart und Zukunft

Die Impulse des Zweiten Vatikanischen Konzils, vor allem von "Nostra aetate", wirken auch heute, in die Gegenwart und Zukunft, und stellen nach wie vor die richtungsweisende Grundlage für die Haltung und das Verhältnis der Kirche gegenüber den anderen Religionen, gerade auch gegenüber "dem Islam" bzw. Muslimen dar. 

So zitierte Bischof Krämer aus der Ansprache von Papst Leo XIV. vom 19. Mai 2025: „Die Beziehungen zwischen der katholischen Kirche und den Muslimen sind durch ein wachsendes Engagement für den Dialog und die Geschwisterlichkeit gekennzeichnet, das begünstigt wird von der Wertschätzung gegenüber diesen Brüdern und Schwestern, die den alleinigen Gott anbeten, den lebendigen und in sich seienden, barmherzigen und allmächtigen, den Schöpfer Himmels und der Erde, der zu den Menschen gesprochen hat [NA 3]. Ein solcher Ansatz, der auf gegenseitigem Respekt und Gewissensfreiheit beruht, ist eine solide Grundlage, um Brücken zwischen unseren Gemeinschaften zu bauen."

Gemeinsam Verantwortung tragen

In diesem Geist hob auch der Landesgeschäftsführer der islamischen Gemeinschaft, Fatih Şahan, Islamische Religionsgemeinschaft DITIB Baden-Württemberg e.V., hervor, dass Christen und Muslime aus einer gemeinsamen Quelle leben. „Wir glauben an denselben Gott, den Schöpfer, den Gerechten und Barmherzigen“, sagte er. „Vielfalt ist für uns kein Gegensatz, sondern Ausdruck göttlicher Weisheit. Gott hat uns verschieden geschaffen, damit wir einander kennenlernen und im Guten miteinander wetteifern.“

Diese theologische Grundhaltung – der Glaube an den einen Gott, die Anerkennung der Propheten, der Bezug auf Abraham und die Verehrung Marias – bilde das Fundament eines echten Miteinanders, so Fatih Şahan. „Wer Gott liebt, kann den Menschen nicht ausgrenzen. Religion ist kein Mittel der Spaltung, sondern ihr Widerspruch.“ Und auch Vielfalt sei keine beklagte Notlage, sondern eine beauftragte Aufgabe, deren eigentlicher Sinn sei, einander kennenzulernen und nicht zu richten. „Denn nur wenn wir einander kennenlernen, uns verstehen – das setzt genau solche Auseinandersetzungen voraus – können wir der Menschheit helfen, im Guten wetteifern und sie vor Ungerechtigkeit schützen“, betonte Şahan.

Hinsichtlich "Nostra aetate" wurde, so Şahan ein „Fenster geöffnet, durch das frische Luft der Begegnung hereindrang". Aus muslimischer Sicht seien die darin enthaltenen Parallelen - Monotheismus, semitische Tradition, Ethik – eine hervorragende Grundlage für die geforderte Zusammenarbeit in der Förderung der sozialen Gerechtigkeit, der sittlichen Güter und des Friedens."

Der Dialog als geistlicher Weg

Einen weiteren Meilenstein des interreligiösen Dialoges stellt auch die gemeinsame Erklärung von Papst Franziskus und dem Kairoer Großimam, das "Dokument über die Brüderlichkeit aller Menschen für ein friedliches Zusammenleben in der Welt" (4. Februar 2019), dar. Das Oberhaupt der katholischen Kirche und der Kairoer Großimam heben darin die Geschwisterlichkeit aller Menschen und die Bedeutung einer Kultur des gegenseitigen Respekts im Umgang miteinander hervor. Eine Haltung des Dialogs, der Verständigung und Zusammenarbeit sehen sie als einen entscheidenden Weg, um zu einem friedlichen und von Gerechtigkeit geprägten Zusammenleben in der Welt beizutragen und das Leiden unzähliger Menschen durch Kriege, Folgen der Umweltzerstörung, einer ungerechten Verteilung der natürlichen Ressourcen etc. zu beenden. Zugleich sprechen sie sich gegen jede Form von Gewalt aus und besonders gegen Gewalt im Namen Gottes.

Die beiden Oberhäupter erklären in dem Dokument, sie wollen die Kultur des Dialogs als Weg, die allgemeine Zusammenarbeit als Verhaltensregel und das gegenseitige Verständnis als Methode und Maßstab annehmen – für ein friedliches, auf Gerechtigkeit und Barmherzigkeit begründetes Zusammenleben der Menschen in der (einen) Welt. Wichtig ist Papst Franziskus auf diesem (gemeinsamen) Weg die "Wahrung der Identität", der "Mut zur Andersheit" sowie die Aufrichtigkeit der Absichten, und das heißt für ihn: zum eigenen Glauben, der eigenen Tradition zu stehen und einander nicht nur in dem, was uns verbindet, anzuerkennen, sondern uns auch in unseren Verschiedenheiten wertzuschätzen und darin voneinander zu lernen. Denn die Vielfalt ist etwas Bereicherndes: Sie ist Ausdruck unserer jeweiligen Einzigartigkeit als Ebenbilder Gottes. Gerade in Zeiten gesellschaftlicher Spannungen und wachsender Polarisierung sei dieser Geist entscheidend.

„Wenn wir einander zuhören und verstehen, können wir Brücken bauen, wo andere Mauern errichten. Dialog ist keine diplomatische Geste, sondern eine Form gelebter Nächstenliebe“, unterstrich der Bischof.

Miteinander für Frieden und Gerechtigkeit

Mit Sorge blickte Şahan auf die Gegenwart: Religionsskepsis, rechtspopulistisches Weltbild, Instrumentalisierung der Religion, Entwertung durch Sprache – dem müsse entgegengewirkt werden, betonte Fatih Şahan. Ausdrücklich teilten die Vertreter:innen die Haltung der Deutschen Bischofskonferenz, dass Politik, die Religion zur Ausgrenzung instrumentalisiert, mit dem christlichen Glauben unvereinbar ist. „Auch aus islamischer Sicht ist die rote Linie eindeutig: Religion ist nicht das Werkzeug der Entmenschlichung, sondern ihr Widerspruch. Unser gemeinsamer Auftrag ist, Sprache zu heilen, Schutzräume zu stärken, Minderheiten zu sichern und die Würde jedes Menschen in Wort und Tat zu verteidigen.“ 

Zum Abschluss betonte Bischof Krämer: „Mit dem, was uns verbindet, aber auch mit dieser ‚Andersheit‘ respektvoll umzugehen, einander kennenzulernen, auf Augenhöhe miteinander und voneinander zu lernen, darum geht es ganz wesentlich im interreligiösen Dialog, und das ist auch mir als Bischof und uns als Diözese Rottenburg-Stuttgart wichtig. Gerade in diesen schwierigen Zeiten ist es wichtiger denn je, daran anzuknüpfen und den Austausch und Dialog miteinander zu pflegen, einander zuzuhören, um zu verstehen, was den andern gerade bewegt.“ 

Beide Seiten bekräftigten am Ende des Treffens ihre Entschlossenheit, die bestehende Tradition des Austausches und interreligiösen Dialoges fortzusetzen – im gemeinsamen Einsatz für Frieden, soziale Gerechtigkeit und den Schutz der Menschenwürde.

Die Verbände, Vereine und Organisationen

Folgende Verbände, Vereine und Organisationen waren bei dem Treffen vertreten: Islamische Glaubensgemeinschaft Baden-Württemberg, Islamische Gemeinschaft Stuttgart, Islamische Gemeinschaft der Bosniaken in Deutschland, Islamische Gemeinschaft Milli Görüş - Regionalverband Württemberg, Landesverband der Islamischen Kulturzentren Baden-Württemberg, Gesellschaft für Dialog Baden-Württemberg, Islamische Religionsgemeinschaft DITIB Baden-Württemberg.

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