Seit 1976 präsentiert das katholische Hilfswerk Misereor jedes zweite Jahr zur Fastenzeit ein Hungertuch. Dieses wird meistens von Künstlerinnen und Künstlern aus Lateinamerika, Afrika oder Asien gestaltet. Über die Jahre und Jahrzehnte ist so eine ganz spezifische Motivsammlung entstanden, wie eine Zusammenstellung in der Kirche Mariä Himmelfahrt in Talheim (Kirchengemeinde St. Franziskus Lauffen) zeigt.
„Ich finde Hungertücher einfach toll“, sagt Raimund Probst. Der Pastoralreferent hat die Präsentation aus gemeindeeigenen Beständen und dem Ausstellungsmaterial, das Misereor zur Verfügung stellt, zusammengetragen.
Neben dem großformatigen, aktuellen Hungertuch von 2019 über dem Altar sind an den Seitenwänden der Kirche elf weitere Hungertuchmotive im kleineren Format zu sehen. Die Auswahl reicht bis ins Jahr 1996 zurück. Eine erste Ausstellung vor zwei Jahren deckte bereits die Zeit davor ab. Anhand der Motive lässt sich eine Entwicklung verfolgen, wie Probst erklärt.
So zeigten die ersten Hungertücher biblische Szenen. Viele Motive schildern auch immer wieder die gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Situation in einzelnen Entwicklungsländern. Die jüngsten Versionen entfernen sich aber von figürlichen Darstellungen. Sie werden zu einem Stück abstrakter Kunst.
Eine alte Tradition
Die Hungertuch-Idee entstamme einem alten, kirchlichen Brauch, der bis vor das Jahr 1000 nach Christus zurückgehe, erklärt eine Publikation des Hilfswerks: „Die Tücher zeigten Bildmotive aus der Heilsgeschichte des Alten und Neuen Testaments.“ Sie verdeckten den Altar, illustrierten die biblische Geschichte und „stellten so als ,Armenbibel‘ der des Lesens meist unkundigen Gemeinde die Heilsgeschichte in Bildern vor Augen“.
Gemeinden oder auch Schulen sollen sich in der modernen Zeit mit Hilfe der Darstellungen mit dem Thema der sozialen Gerechtigkeit auseinandersetzen. Das Hungertuch-Bild „ermöglicht Einsichten in das Leben und den Glauben von Menschen uns fremder Kulturen“, heißt es in der Publikation.