Die „Mutter von der immerwährenden Hilfe“ ist immer dabei. Das Marienbildnis, „ein Geschenk meiner Mutter für meine Oma“, steht auf einem Beistelltischchen, gleich neben dem Schreibtisch, an dem Franz Xaver Schmid täglich Eucharistie feiert. „Die Heilige Messe ist mir Kraft und Stärkung; sie bedeutet mir sehr viel“, sagt der Ruhestandsgeistliche, der seit 2022 auf den Rollstuhl angewiesen ist und im Seniorenzentrum St. Anna in Munderkingen wohnt. Das Gnadenbild hat hier nicht nur aus familiärer Verbundenheit und als Ausdruck seiner eigenen Spiritualität einen besonderen Platz bekommen, sondern zeugt auch von einer der zentralen Fragen, die Schmid in allen Jahren seiner Pfarrtätigkeit beschäftigt hat: wie Kunst im sakralen Raum bei der Verkündigung helfen kann.
Kunstwerke laden zum Gespräch ein
„Ich habe die Erfahrung gemacht, dass da, wo das Wort die Menschen nicht mehr erreicht und trifft, die Werke der Kunst zu den Menschen – gerade auch zu den Schülern – sprechen können, dass die Menschen dafür oft aufgeschlossener sind“, schreibt er in seiner Dissertation, mit der er im Alter von 70 Jahren an der Universität Tübingen zum Doktor der Theologie promoviert wurde. „Kunstwerke belehren nicht, fordern nicht, sie laden zum Gespräch ein.“ Schmid selbst hat sich schon als Student der katholischen Theologie von der sakralen Kunst, der Darstellung von Glaubensinhalten im Bild ansprechen lassen.
Sein beruflicher Werdegang begann freilich mit einer Ausbildung zum Elektroinstallateur. Bald darauf reifte der Wunsch, Berufsschullehrer zu werden, „aber dann hat der Herrgott das anders gemeint“: Schmid holte das Abitur im Spätberufenenseminar Fürstenried und Wolfratshausen-Waldram nach und studierte dann Philosophie und Theologie an der Universität Tübingen. Am 18. Juli 1964 wurde er mit 31 Mitbrüdern in der Liebfrauenkirche in Stuttgart-Bad Cannstatt von Bischof Dr. Carl-Joseph Leiprecht zum Priester geweiht.
Zwei Kirchenweihen an einem Tag
Nach seiner Vikarszeit in Korb, Backnang und Heilbronn war er zunächst Kurat (ab Dezember 1966), dann Pfarrverweser in Neuffen und Beuren und von Oktober 1968 an Pfarrer. In diese Zeit fiel der Bau der Kirchen mit Gemeindehaus an beiden Orten. Es sei das einzige Mal in der ganzen Diözese gewesen, dass zwei Gotteshäuser an einem Tag – am 10. Dezember 1967 – geweiht wurden, erinnert sich Schmid. 1975 wechselte er als Pfarrer nach Dietenheim und übernahm 1982 auch die Gemeinde Regglisweiler.
Als Pfarrer Schmid 1978 damit anfing, das monumentale „Heilige Grab“ in der Pfarrkirche St. Martinus aufzustellen, hätten manche gesagt, „unser Pfarrer spinnt“, erzählt der Jubilar; diese hätten aber sehr bald ihre Meinung geändert. Das Aufstellen des Heiligen Grabes ist eine bis ins Mittelalter zurückreichende Tradition, als in der Fastenzeit der meist prunkvolle Hochaltar durch Leinentücher und später durch Bildtafeln verhängt wurde, kam aber im Zuge liturgischer Neuerungen Mitte der 1950er-Jahre aus der Mode. „Mit seinen Bildern und Symbolen bot das Heilige Grab eine Grundlage für die ganze Verkündigung in der Passionszeit“, sagt Schmid und verweist auf die vielen Besucher aus nah und fern, die dieses barocke Kleinod jedes Jahr in einem dreiwöchigen Zeitraum vor Ostern bis zum Ende der Karwoche in der Dietenheimer Martinuskirche besuchen.
Weitere Stationen des Wirkens von Pfarrer Schmid waren Reinstetten und Laubach (1986) sowie Seekirch und Oggelshausen am Federsee (1991). Von 1990 bis 1991 war er Dekan im Dekanat Ochsenhausen. 1994 trat er aus gesundheitlichen Gründen in den Ruhestand, den er bis 2022 im elterlichen Haus in Munderkingen verbrachte. Als Ruhestandsgeistlicher half er in Ehingen und Umgebung und auf dem Frauenberg aus.
Auf den Spuren von Bischof Joannes Baptista Sproll
Intensiv erforschte Schmid das Leben von Joannes Baptista Sproll, der von 1927 bis 1949 Rottenburger Bischof war. Fasziniert ist er nicht nur von Sprolls Standfestigkeit – neben dem Münsteraner Kardinal Clemens August von Galen war er der einzige deutsche Bischof, der den nationalsozialistischen Machthabern öffentlich und entschieden die Stirn geboten hatte –, sondern auch von seinem großen Engagement als Förderer und Erneuerer der christlichen Kunst in der Diözese Rottenburg, die er den künstlerischen Strömungen der Moderne geöffnet habe. Mehrere Bücher hat Schmid über Sproll veröffentlicht, eines davon über die Marienweihe der Diözese, die Bischof Sproll am Rosenkranzfest 1943 vornahm. Die Erneuerung dieser Weihe 1953 in seiner Heimatpfarrei Munderkingen zählt Schmid zu den prägendsten Erlebnissen auf seinem Weg zum Priestertum.
Spannende Verbindungen
„Elektrisiert“ haben Schmid in den vergangenen Jahren die Geschichte der ehemaligen Trappistenabtei Mariastern in Banja Luka (im Norden von Bosnien und Herzegowina) und deren enge Verbindung nach Oberschwaben. Unter zwei Äbten, die aus Grundsheim und aus Biberach an der Riß stammten, erlebte diese Abtei Ihre Blütezeit. Aus der kleinen Gemeinde Grundsheim an der Südspitze des Alb-Donau-Kreises stammte auch Pfarrer Schmids Großvater Ivo Schmid – er dürfte den späteren Abt Dominikus Aßfalg, der 1877 als 30-jähriger Mann nach Bosnien ging, gekannt haben.
Aufgrund dieser spannenden historisch-biografischen Facetten und beeindruckt von dem unermüdlichen Mühen des langjährigen und Ende 2023 emeritierten Bischofs von Banja Luka, Dr. Franjo Komarica, um Verständigung der Völker und Religionen in Bosnien und Herzegowina, hat Schmid den größten Teil seiner rund 10.000 Bücher dem ehemaligen Kloster gestiftet. Einige der Bücher, darunter wertvolle Faksimile-Ausgaben mittelalterlicher Handschriften wie Evangeliare, Bilderpsalter und Stundenbücher, sollen schon bald in einem besonderen Ausstellungsraum des in Kloster Mariastern gegründeten „Europazentrums für Frieden und Zusammenarbeit“ zu sehen sein. „Eine gute Fügung“, freut sich der Jubilar und hofft, dass die historischen und die aktuellen Verbindungen zwischen Oberschwaben und Mariastern in Banja Luka ein Beitrag zur Neubelebung des europäischen Gedankens in der Region sein können.