Ukraine

Lehrerin mit Herzblut

Die Lehrerin vor der Tafel zeigt auf die Schülerin, die streckt.

Die Schülerinnen und Schüler beteiligen sich gerne am Unterricht von Nina Eck - Foto: DRS/Waggershauser

Nina Eck unterrichtet die Willkommensklasse für ukrainische Geflüchtete am Bildungszentrum St. Konrad in Ravensburg.

Ein Mädchen und ein Junge stehen vor der Klasse. Aufgabe ist ein Rollenspiel beim Arzt. „Wie heißt du?“, fragt das Mädchen. „Ich habe Bauchschmerzen“, antwortet der Junge und krümmt sich. Beide Kinder stammen aus der Ukraine und leben erst seit einigen Wochen in Oberschwaben. Nina Eck unterrichtet die Willkommensklasse für Geflüchtete am Bildungszentrum St. Konrad in Ravensburg. Sie bittet den Schüler auf Russisch nochmal, genau auf die Frage der gespielten Ärztin zu hören. Bei der Wiederholung des deutschen Dialogs sagt er seinen Namen. Am Ende der Szene erinnert die Lehrerin daran, sich zu bedanken. Dann lobt sie die beiden.

Nina Eck kam vor zehn Jahren von Russland in die Bundesrepublik. Ihre Großeltern sind aus der Ukraine und sie fühlt sich selbst als Ukrainerin. Die beiden Familienmitglieder kann sie verstehen, aber die ukrainische Amtssprache beherrscht die ausgebildete Pädagogin nicht. Doch die Kinder haben keine Probleme, ihr auf Russisch zu folgen. „Am Anfang habe ich mit ihnen darüber gesprochen, was sie auf dem Herzen haben“, erzählt sie und berichtet von Aggressionen gegen Russen - auch ihr gegenüber. Ihr war es wichtig, dass die Kinder durch Malen und Erzählen die negativen Gefühle herauslassen können. Mit viel Verständnis, Liebe und seelischen Streicheleinheiten gewann sie mit der Zeit deren Vertrauen.

Die Sprache steht im Vordergrund

Im nächsten Schritt erklärt die Lehrerin, wie man sagt, wenn Nase und Hals wehtun: „Ich habe Erkältung.“ Nun meldet sich Gisela Weingärtner zu Wort. Sie ist eigentlich in der Ganztagesbetreuung der Schule engagiert. Mit anderen Kolleginnen im Wechsel begleitet sie derzeit auch die sieben Schülerinnen und Schüler der Willkommensklasse an einem Tag in der Woche von 8 bis 11.30 Uhr. „Ich habe eine Erkältung“, korrigiert sie. „Wir arbeiten sehr gut zusammen“, freut sich Nina Eck, die für die Unterrichtsplanung verantwortlich ist. Die Umsetzung stimmt sie dann mit den Betreuerinnen ab. „Es ist wichtig, dass sie mit den Kindern in einem guten Hochdeutsch sprechen“, sagt die 40-Jährige.

Daher gehört es auch zu Gisela Weingärtners Aufgaben an diesem Morgen, den Steckbrief eines Mädchens in einfachen deutschen Sätzen vorzulesen. Die Kinder notieren auf einem Arbeitsblatt die jeweiligen Informationen. Die deutsche Sprache ist eindeutig der Schwerpunkt des Unterrichts. Christa Wachter, Rektorin der Katholischen Freien Grund- und Werkrealschule am Bildungszentrum, erinnert sich noch an die beiden ersten ukrainischen Kinder, die nach Kriegsausbruch an die Schule kamen. Sie gingen in zwei dritte Klassen mit Russisch sprechenden Kameraden. „Diese konzentrierten sich so aufs Übersetzen, dass sie selbst im Stoff etwas zurückblieben“, berichtet die Schulleiterin.

Unbürokratisch gestartet

Bald kamen drei weitere Kinder dazu. „Dann war klar: Wir machen eine Willkommensklasse und haben es bei den Schulämtern auch so gemeldet“, sagt Christa Wachter. Sie startete die Suche nach ukrainisch oder russisch sprechenden Personen mit pädagogischem Hintergrund. Nina Eck war nach der eigenen Kindererziehung bereit einzusteigen. „Das war ein Glücksfall für uns“, freut sich die Rektorin noch heute. Markus Miller, ihr Kollege im Schulleitungsteam, pflichtet ihr bei. Anfangs sei noch eine Mutter dabei gewesen, die ukrainisch spricht. Die sei aber gerade gesundheitlich verhindert.

Der Konrektor meldet jeden Monat die aktuellen Zahlen der Kinder und der Unterrichtsstunden ans bischöfliche und ans staatliche Schulamt. „Wir hoffen, dass wir das auch irgendwann refinanziert bekommen“, erklärt Markus Miller und verweist auf den Wunsch des Stiftungsschulamts der Diözese, die Einrichtung der Klasse unbürokratisch zu regeln. Bei der Erstbeschaffung von Schulranzen und Schreibzeug unterstützte die Schule zusammen mit Sponsoren. Derzeit zahlen die ukrainischen Schülerinnen und Schüler außerdem kein Schulgeld, wie es bei freien Schulträgern üblich ist. Ob es nach den Sommerferien kostenfrei bleibe, müsse auch noch mit dem Schulamt geklärt werden, erläutert der Schulverantwortliche für die Willkommensklasse.

Rutenfest und Ferien

„Im September kommen sicher noch mehr Kinder“, mutmaßt Nina Eck. Da seien dann auch in der Ukraine die großen Sommerferien vorbei, die bereits Ende Mai begannen. Ihre derzeitigen Schülerinnen und Schüler werden mit dem Besuch des Rutentheaters und der Teilnahme am historischen Rutenfestumzug für ihr Durchhalten belohnt. Und vermutlich wird der Abschied am letzten Schultag von der russisch sprechenden Pädagogin genauso tränenreich sein wie der von Betreuerin Gisela Weingärtner. Die Kinder haben sie an ihrem letzten Tag in der Klasse vor den Ferien alle umarmt. Nina Eck aber freut sich schon auf die Zeit nach der Sommerpause. „Ich bin Grundschullehrerin von Beruf. Das ist meine Gottesgabe“, sagt sie, „und ich bin sehr froh darüber.“

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