Ist das ein Thema im Kindergarten?
Gefühle äußern, eigenes Verhalten reflektieren, mit Frust umgehen – das sind große Themen im Kindergarten. Wie verhalte ich mich, wenn jemand anderer Meinung ist? Hau ich zu oder sage ich: „Hey, jetzt müssen wir mal kurz sprechen: können wir verhandeln, einen Kompromiss finden?“ All diese Themen finden tagtäglich in den Kitas statt und sind sehr konkret, sehr praktisch. Daran können wir arbeiten: Kinder in einer Konfliktsituation begleiten, um eine Lösung zu finden, Lösungsstrategien anzuwenden. Begleitend sind Themen wie Beschwerdemanagement und Partizipation unabdingbar.
Wie groß ist eigentlich das Potenzial, Demokratie im Kindergarten sinnvoll einzuüben? Fachleute weisen darauf hin, dass Kinder im Alter bis drei Jahren erstmal damit beschäftigt sind, sich selbst zu entdecken …
Wenn die Theorie auf die Praxis trifft... Das sind junge Menschen, die ihren Platz in der Welt haben. Als allererstes ist es aber ihre Aufgabe, sich selber kennenzulernen. In der Politik geht es manchmal sehr theoretisch zu – und da ist Demokratie nicht das einzige Wort. Was ist Rechtsruck konkret? Was ist in meinem Verhalten demokratisch? Wenn ich mit einer Kollegin spreche: „wir machen eine Woche Demokratiebildung“ oder „du musst jetzt demokratisch arbeiten“, dann schaut sie mich an und sagt: „ja nett…“. Dann passiert bei den Kindern aber noch nichts.
Sondern?
Demokratie und viele andere Themen finden in einem respektvollen, wertschätzenden Miteinander statt. Wir gehen zum Beispiel den Wochenplan durch: Wo können die Kinder konkret eine Entscheidung treffen? – „Aha, an diesem Tag wird mit den Kindern gekocht, da wird abgestimmt: Gibt’s Suppe oder Salat?“ Dann ist es sehr konkret. Auch das ist Demokratie. Was für mich gar nicht geht, sind pseudo-demokratische Entscheidungen nach dem Motto: „Du darfst entscheiden, aber ich mache nachher sowieso, was ich will“.
Zumal es ja auch Sachen gibt, bei denen es nichts zu entscheiden gibt…
… weil es gefährlich oder gar lebensbedrohlich wäre, wie die banale Frage: „Gehen wir bei Rot oder bei Grün?“ Ich möchte den Kindern auch vermitteln, dass Entscheidungen Konsequenzen nach sich ziehen, auch im sozialen Miteinander. Das wird manchmal vergessen. Alle haben Rechte, aber was ist mit den Pflichten? Aber das ist ja auch für Erwachsene oft schwer auszumachen …
Sie haben die Bedeutung guter Vorbilder schon angesprochen: Was bedeutet das für die Arbeit der Erzieherinnen und Erzieher?
Ein Thema ist das Bewusstsein und die professionelle Haltung im Team. Dass jeder ein demokratisches Grundverständnis hat, dass jeder nicht nur politisch demokratisch aufgestellt ist, sondern eine Offenheit in sich trägt. Das ist manchmal ein Stückweit Arbeit: Selbstreflektion, kombiniert mit Fachwissen. Sich dafür Zeit zu nehmen, ist ein ganz wichtiger Faktor, damit pädagogische Fachkräfte verinnerlichen, warum es wichtig ist, demokratisch in der Einrichtung zu arbeiten und den Alltag demokratisch zu gestalten – ohne dass gleich gelabelt wird: „Da muss jetzt Demokratie draufstehen“.