Nichts ist, seit der Corona-Pandemie, wie es einmal war. Auch in der Kirche und im Gemeindeleben nicht. Veranstaltungen und Gruppentreffen sind abgesagt. Auch die Angebote der Katholischen Erwachsenenbildung (keb) sind hiervon nicht ausgenommen. Die Frage, wie aktuell Begegnung und Austausch ermöglicht werden können, steht im Zentrum der Arbeit der keb. Ihr Ansatz: „Bleiben Sie zu Hause. Wir kommen zu Ihnen“. Seit Wochen wächst das digitale Programm der keb fast täglich: Eine Vorreiterin in Sachen „keb online“ ist Gabriele Pennekamp. Als eine der ersten keb-Referentinnen und Referenten hat sie ihren Hohenecker Literaturkreis ins Netz verlegt. Im Interview berichtet sie über ihre Erfahrung und ihre Motivation.
Frau Pennekamp, Sie sind in der Katholischen Erwachsenenbildung der Diözese Rottenburg-Stuttgart eine Institution. Fast 30 Jahre im Vorstand der keb Ludwigsburg, 27 Jahre im Vorstand der keb DRS, seit 2005 deren Vorsitzende und seit 2007 Mitglied im Diözesanrat. Nach dem Studium der Germanistik und Kunst waren Sie eine Zeit lang im Schuldienst und seitdem gehört ihre Leidenschaft der Literatur. Als Referentin leiten Sie seit vielen Jahren den Hohenecker Literaturkreis. Der musste nun, wie alle anderen Kurse der keb, durch die notwendig gewordenen Kontaktbeschränkungen mitten im Semester eingestellt werden. Zumindest als Präsenzveranstaltung. Wie ging es Ihnen mit der Schließung und kurzfristigen Stornierung ihres Kurses?
Pennekamp: Zunächst habe ich das als selbstverständlich und sehr notwendig hingenommen, weil die Gesundheit der Menschen oberste Priorität hat. Schließlich ging es ja allen so. Hinzu kam eine Art Überraschungseffekt, da es so etwas noch nie zuvor gegeben hat, dass von heute auf morgen das gesamte Leben von uns allen dermaßen eingeschränkt wird. Aber schon bald setzte eine große Enttäuschung darüber ein, dass ich nicht mit meinen Kursteilnehmerinnen über den Roman, der auf dem Programm stand, diskutieren konnte. Ich war überaus fasziniert von Julian Barnes „Lärm der Zeit“, hatte enorm viel Zeit in die Vorbereitung gesteckt und viel recherchiert. In diesem Roman geht es um das Leben des berühmtesten Komponisten seiner Zeit in Russland, Dmitri Schostakowitsch (1906-1975), wie sehr er unter der staatlichen Macht, insbesondere unter Stalin, aber auch später unter Chruschtschow gelitten hat. Trotz der dramatischen Verhältnisse, in denen Schostakowitsch gelebt hat, hat er großartige Musik geschaffen. Kurzum: Sie spüren schon, wie sehr mich die Geschichte gepackt hat. Das mit niemandem teilen zu können, war zunächst schmerzlich und eigentlich für mich undenkbar.
Sie haben sich ganz schnell entschlossen, den Literarturkreis virtuell anzubieten. Viele, auch weit Jüngere als Ihr Jahrgang, tun sich schwer, nur noch digital und sozial distanziert zu kommunizieren. Was hat Sie zu dieser schnellen Umsetzung motiviert?
Pennekamp: Grundsätzlich gebe ich Ihnen Recht, auch mir fällt es sehr schwer, die soziale Distanz zu akzeptieren und zu leben. Aber es geht ja im Moment allen so. Dennoch müssen wir neue Wege gehen, um miteinander in Kontakt zu bleiben, denn wir wissen alle nicht, wie lange dieser Zustand noch andauern wird und ab wann es wieder möglich sein wird, Veranstaltungen bei der keb stattfinden zu lassen.
Was meinen Kurs anbetrifft, habe ich überlegt, welche Möglichkeit es geben könnte, um mit meinen Teilnehmerinnen in Kontakt zu bleiben. Wir skypen häufig mit unseren Kindern und Enkelkindern, insofern lag der Gedanke nahe, in diese Richtung etwas auszuprobieren. Zudem sah man im Fernsehen ja ständig diese Videokonferenzen. Es sollte unbedingt interaktiv sein.
Ich habe dann erfahren, dass die keb DRS einen Zoom-Account hat. Zudem hat der Leiter der keb Ludwigsburg, Jörg Maihoff, mich in dieser Sache sehr unterstützt und ermutigt, das einfach anzugehen, auch wenn das alles für uns Neuland war. Es sollte eine Art Blaupause sein für weitere Schritte in diese Richtung.
Zum Glück hat Frau Dr. Berg-Chan, Referentin der keb DRS, schnell reagiert und mich bei diesem Vorhaben sehr unterstützt, hat mir Unterlagen zukommen lassen und Links für Filme auf YouTube, die in die Handhabung von Zoom einführen. Zudem gab es Hinweise von ihr, was zu beachten ist. Das alles hat mich sehr bestärkt, mich auf dieses Experiment einzulassen.
Was war Ihr Antrieb?
Pennekamp: Der stärkste Antrieb war zweifelsohne der Roman „Lärm der Zeit“, der mich sehr bewegt hat. Was mich aber am meisten fasziniert, ist die Art, wie Julian Barnes die Geschichte erzählt. Dies macht er aus der Perspektive Schostakowitschs, zwar in der dritten Person, aber so, dass der Leser das Gefühl hat, als könne er dessen Gedanken lesen. Das erreicht der Autor durch das Stilmittel der „Erlebten Rede“, dabei erwecken alle Gedanken, Assoziationen, Erinnerungen, Ahnungen den Eindruck als seien dies die unausgesprochenen Gedanken des Komponisten, die ihm in diesem Moment durch den Kopf gehen. Es sollen damit seine Augenblicksregungen so wiedergegeben werden, wie sie im Bewusstseinsstrom erscheinen. Dadurch entsteht eine fast suggestive Unmittelbarkeit des Mitfühlens und eine Eindringlichkeit des Erzählens, so dass der Leser die Angst des Komponisten förmlich spürt, der fürchtet, jeden Moment von der Geheimpolizei abgeholt zu werden. Barnes ist ein brillanter Stilist und das alles wollte ich meinen Teilnehmerinnen unbedingt mitteilen und mit ihnen darüber diskutieren.
Wie haben Sie sich vorbereitet?
Pennekamp: Ganz zu Beginn habe ich mich probeweise ein paarmal bei Zoom eingewählt, es hat immer sofort geklappt, so dass meine Zuversicht wuchs, diese Technik beherrschen zu können.
Zudem habe ich, um mich mit Zoom vertrauter zu machen, die kostenlose Variante von Zoom auf mein Laptop geladen und unsere Kinder und Enkelkinder am Ostersonntag zu einer Familienkonferenz eingeladen. Es war ein voller Erfolg, die Familienkonferenz hat auf Anhieb funktioniert, und ich glaube, das hat mich bestärkt, die Sache als Online-Gastgeber und Referentin anzugehen.
Wie war dann Ihre Erfahrung ?
Pennekamp: Ein Problem war zunächst, da meine Veranstaltung immer abends stattfindet, die Frage der richtigen Beleuchtung. Obwohl ich eine Anleitung erhalten hatte, mich soweit wie möglich daran gehalten habe, war ich nicht ganz zufrieden mit dem Ergebnis. Ich verfüge nicht über professionelle Leuchtmittel, wie vielfach empfohlen. Ein weiterer Punkt war der Hintergrund: Eine weiße Filmleinwand, für die ich mich schließlich entschieden habe, war im Nachhinein betrachtet, nicht ideal. Daran werde ich arbeiten müssen.
Was die Veranstaltung selbst betraf, war ich im Großen und Ganzen sehr zufrieden. Eine Viertelstunde vorher haben sich alle Teilnehmerinnen zum Technikcheck eingewählt, dabei gab es schon die ersten Probleme, mal hat das Video nicht sofort funktioniert, in einem anderen Fall wollte das Mikro einfach nicht reagieren. Über die Chatfunktion habe ich zunächst die Einwahltelefonnummer eingegeben, eben-so meine Handynummer und nach einigem hin und her hat es irgendwann mit Bild und Ton geklappt.
Damit muss man einfach rechnen: Solange die Technik noch nicht sehr vertraut ist, wird es diese Schwierigkeiten geben. Wir sind eben alles Lernende. Dennoch bin ich über-zeugt davon, dass sich diese Schwierigkeiten überwinden lassen, je mehr Übung wir bekommen.
Wie hat Ihre Gruppe die Einladung zu der Videokonferenz aufgenommen?
Pennekamp: Erstaunlicherweise haben die Teilnehmerinnen, die wir kontaktiert hatten, sehr positiv auf die Einladung reagiert, da wir sie schon im Vorfeld über unser Vorhaben unterrichtet hatten. Wir haben ihnen eine schriftliche Anleitung und zwei YouTube-Erklärvideos zugesandt, zudem zugesichert, dass sie die Einwahldaten rechtzeitig von uns erhalten werden und Hilfestellungen beim Technikcheck.
Da die meisten Teilnehmerinnen älter als 70 Jahre sind, zwei sogar jenseits der 75, habe ich teilweise vorher telefonisch Kontakt mit ihnen aufgenommen, um sie zu motivieren, was im Grunde gar nicht notwendig gewesen wäre, denn sie waren Feuer und Flamme, sahen das als erfreuliche Abwechslung gerade in diesen schwierigen Zeiten der Kontaktsperre. Eine von ihnen meinte sogar, das könnte auch für die Zukunft, jenseits von Corona, eine Möglichkeit sein, falls jemand aus irgendeinem Grund das Haus nicht verlassen kann, trotzdem an einer Veranstaltung teilnehmen zu können.
Im Anschluss habe ich aber auch erfahren, dass es bei einer Teilnehmerin mit der Einwahl nicht geklappt hat, sie hätte eine halbe Stunde lang probiert und schließlich aufgegeben. Vor dem nächsten Webinar werde ich noch einmal Kontakt mit ihr aufnehmen.
Ich halte es für ein wichtiges Ziel in der katholischen Erwachsenenbildung, den Menschen – insbesondere den älteren – die Angst vor den digitalen Medien zu nehmen, damit sie teilhaben können. Der persönliche Gewinn, dass es trotz anfänglicher Schwierigkeiten geklappt hat und man erfolgreich war, ist sehr groß, das habe ich im Anschluss durch die Rückmeldungen erfahren. Und die Bereitschaft, sich wieder darauf einzulassen, ist umso größer.
Schon am Ende unseres Webinars, das über zwei Stunden gedauert hatte, haben alle gestrahlt und sich herzlich bedankt. Das war eine schöne Erfahrung für mich und hat mir signalisiert, dass sich der ganze Aufwand gelohnt hat.
Welche Tipps können Sie anderen geben – sowohl Referenten als auch Kursteilnehmern?
Pennekamp: Die Referentinnen und Referenten werden in der Regel mit der Technik einigermaßen vertraut sein. Wenn man sich genau an die Anweisungen hält, kann eigentlich nichts schiefgehen..
Für die Veranstaltung selber gilt vor allem: „Ruhe bewahren“, wenn nicht gleich alles funktioniert. Man kann in der Regel davon ausgehen, dass es bei irgendeinem Teilnehmer technische Probleme gibt, entweder ist es das Video oder das Mikro. Beim Technikcheck ist es daher sinnvoll, kurz mit den Teilnehmern die Funktionen von Video und Mikro zu testen. Es ist ratsam, das Mikro, wenn man nicht spricht auszuschalten und nur beim Sprechen einzuschalten, um eventuelle Rückkoppelungen oder störende Nebengeräusche zu vermeiden. Hilfreich ist auch, ein Zeichen zu vereinbaren, um sich ins Gespräch einzubringen, das kann ein kurzes Handzeichen sein.
Für Referenten ist es sinnvoll, da man als Host doch ein bisschen mehr in Anspruch genommen ist als in einem Live-Seminar, sich die Veranstaltung noch strenger zu strukturieren, da die Technik doch ziemlich ablenkt. Das habe ich an mir festgestellt, ich war immer bemüht, alle Teilnehmerinnen im Blick zu haben, wer will sich melden, sind noch alle gut verbunden mit Bild und Ton? Kurzum: Die Veranstaltung mit Zoom war anstrengender, als eine vor Ort bei der keb. Wobei ich davon überzeugt bin, dass die zunehmende Routine und Erfahrung die Dinge vereinfachen werden.