Das war eine Steilvorlage für einen Exkurs zum Maßhalten im Blick auf alkoholische Getränke entlang der Ordensregel des heiligen Benedikt von Nursia. Dieser hält selbst noch bei der Festlegung des Maßes Maß! Der eine vertrage so viel, der andere so. Deshalb könne er nur mit Bedenken ein genaues Maß festlegen. Am Ende sagt er in der Nummer 40 seiner Regel: „Wir sollten wenigstens uns darauf einigen, nicht bis zum Übermaß zu trinken, sondern weniger.“ Um dies zu vertiefen, wurde eine Strophe aus dem Lied des Dekanats über die Brauerpatrone auf die Melodie „Dein Lob, Herr, ruft der Himmel aus“ kräftig zu Gitarrenbegleitung angestimmt:
Sankt Nikolaus im Jahreskreis,
bringt manchmal schon das erste Eis;
gern sägt man’s aus dem Weiher.
Sankt Benedikt lehrt uns das Maß:
Genießt in Maßen nur das Nass
in trunken-nüchtner Feier.
Wolfgang Steffel schlug die Brücke vom Lied zu einer Bauernregel: „Sankt Nikolaus, der fromme Greis, bringt manchmal schon das erste Eis. Das holt der kluge Brauer ein. Es könnt leicht das letzte sein. Doch Gott ist unsere Zuversicht, denn er verlässt die Brauer nicht.“ Die Weisung zum Maßhalten wurde dann noch mit zwei Zitaten aus der Antike untermauert. Einmal vom Stoiker Seneca, der Erzieher Neros war, aus seinem Buch „Über die Ausgeglichenheit der Seele“: „Manchmal soll man’s auch fast bis zu einem Rausch kommen lassen, aber nicht so, dass er uns ertränke, sondern nur eintauche.“ Und Sokrates schreibt: „Wo tüchtige Trinkgenossen sich unterhalten, reden sie abwechselnd und hören einander gesittet zu, auch wenn sie sehr viel Wein getrunken haben.“
„Launig“ oder „bierernst“?
Nach etlichen Jahren sommerlichen Bierkonvents im Biergarten war auch noch zu klären, was ein Bierkonvent überhaupt sei. Ist er „launig“, wie eine Zeitung schrieb? Nein, Konvent ist eine ernste Sache. Es gebe nicht umsonst das Wort „bierernst“, und zwar nur in der deutschen Sprache. Nach einer Deutung spiele das Wort auf die Sorgfalt, Erfahrung und Hingabe an, die das Brauen von gutem Bier erfordere. Und so wird bei Bierkonventen das große Feld der über 10000-jährigen Kultur- und Religionsgeschichte auch mit komplexen philosophischen Erwägungen verbunden.
So etwa bei Hegel, der in seiner „Phänomenologie des Geistes“ von einem Taumel in der Denkbewegung des Menschen spricht. Sebastian Ostritsch schreibt in „Hegel – Der Weltphilosoph“, dass es sich dabei um keinen schnöden Alkoholrausch handle, in dem sich das Irrationale Bahn bricht, sondern um einen eigentümlichen Rausch der Vernunft. So schreibt Hegel tatsächlich: „Das Wahre ist so der bacchantische Taumel, an dem kein Glied nicht trunken ist; und weil jedes, indem es sich absondert, ebenso unmittelbar sich auflöst, ist er ebenso die durchsichtige und einfache Ruhe.“ Deshalb unterschied er auch zwischen „bacchischer Trunkenheit und bacchanalischer Besoffenheit.“
Auf jeden Fall gemütlich!
Bei allem tiefen Ernst sei ein Bierkonvent aber auch auf jeden Fall eine gemütliche Sache. Steffel berief sich dabei auf das Wort „Bierruhe“. Luthers Bierruhe sei sprichwörtlich: „Ich sitze hier und trinke mein gutes Wittenbergisch Bier und das Reich Gottes kommt von ganz alleine." Von innen her wachse das Reich Gottes und so übersetzt Luther den Vers im Lukas-Evangelium 17,21: „Das Reich Gottes ist inwendig in euch!“ Im Sinne des Ignatius von Loyola bedeute dies: „Das Verspüren und Verkosten der Dinge von innen her.“ Und Luthers Lieblingsbier? Er bekennt 1521: „Der beste Trank, den einer kennt, wird Einbecker Bier genennt.“ Luther hat auch theologische Sachverhalte im Bild des Bieres verdeutlicht: „Der Glaube ist ein recht erdichteter Wahn, der allein auf den Herzen schwebt, wie ein Schaum auf dem Bier. Nein, nein, der Glaube ist ein lebendig Ding, macht den Menschen ganz neu, wandelt ihm den Mut, kehrt ihn ganz und gar um, er geht in den Grund, und wird allda eine Erneuerung des ganzen Menschen.“