Am Sonntag, 9. November, eröffnet das Diözesanmuseum in Rottenburg nach rund einem Jahr Schließzeit mit einem „Tag der offenen Tür“. In der Zeit von 11 bis 19 Uhr erhalten die Besucher:innen Einblicke in die neue Ausstellung; und das Museumsteam ist den ganzen Tag vor Ort und freut sich auf den Austausch. Tags zuvor gibt es einen Festakt zur Wiedereröffnung für geladene Gäste mit Bischof Dr. Klaus Krämer, zu dem auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann erwartet wird.
Anlässlich eines Pressegesprächs im Vorfeld des Wiedereröffnungswochenendes sagte Weihbischof Dr. Gerhard Schneider, Leiter der für das Diözesanmuseum Rottenburg zuständigen Hauptabteilung „Liturgie (mit Kunst und Kirchenmusik) und Berufungspastoral“ im Bischöflichen Ordinariat der Diözese Rottenburg-Stuttgart:
„Über ein Jahr lang wurde unserer Diözesanmuseum umgebaut, baulich ertüchtigt und konzeptionell erneuert. Bischof Dr. Klaus Krämer wird am 8. November 2025 das Diözesanmuseum zusammen mit der ebenfalls in Teilen neu gestalteten Diözesanbibliothek und dem neuen gemeinsamen Foyer eröffnen. Die Diözese Rottenburg-Stuttgart freut sich sehr, dass Ministerpräsident Winfried Kretschmann an der Eröffnungsfeier teilnehmen wird.
"Ohne dieses Erbe wäre der Umbau und die Renovierung des Museums nicht möglich gewesen."
Die Baumaßnahmen im Rahmen der konzeptionellen Neuerungen des Museums kosteten circa 1,2 Millionen Euro und blieben damit im Plan. Ein größerer Teil der benötigten Mittel kam aus dem Erbe des Ehepaares Gertrud und Robert Ulrich aus Tübingen. Dieses Erbe in Höhe von insgesamt 1,7 Millionen Euro wird gemäß dem Wunsch des Ehepaares Ulrich vollständig für das Diözesanmuseum eingesetzt. Wir sind dem Ehepaar Ulrich außerordentlich dankbar. Ohne dieses Erbe wäre der Umbau und die Renovierung des Museums nicht möglich gewesen.
Der nun noch verbleibende Betrag des Erbes wird für die Renovierung und den Umbau eines kleineren einstöckigen Gebäudes direkt neben dem Museum genutzt. Das Gebäude besteht im Wesentlichen aus einem größeren Raum, der das bisherige Provisorium in der sogenannten ‚Kunstgasse‘ ersetzen wird. Er wird als Begegnungs- und Kreativraum für Veranstaltungen des Diözesanmuseums, der Diözesanbibliothek und des Kunstvereins der Diözese genutzt werden. Die Renovierung dieses Gebäudes soll Ende 2026 abgeschlossen sein.
Das Foyer, das ebenfalls renoviert wurde, wird vom Diözesanmuseum und der Diözesanbibliothek gemeinsam genutzt. Die Diözesanbibliothek hat den Zeitraum der Schließung des Gebäudekomplexes dazu genutzt, den Lesesaal zu modernisieren. In diesem Lesesaal ist anlässlich der Neueröffnung eine kleine Ausstellung mit Exponaten aus dem historischen Bestand der Bibliothek zu sehen.
Ich freue mich, dass unser Diözesanmuseum mit diesen Baumaßnahmen einen wichtigen Beitrag dazu leisten kann, dass Rottenburg als Bischofsstadt und als wich-tiger kultureller Ort erlebt werden kann.“
Prof.in Dr. Melanie Prange, Leiterin des Diözesanmuseums Rottenburg, sagte über die Neukonzeption des Diözesanmuseums in einem Statement:
„Das Diözesanmuseum Rottenburg gehört zu den ältesten Institutionen seiner Art und beherbergt eine der bedeutendsten Sammlungen mittelalterlicher Kunst in Baden-Württemberg. Der reiche Bestand an unterschiedlichen Kunstgattungen bietet facettenreiche Einblicke in die Lebenswirklichkeit vergangener Jahrhunderte und die über tausendjährige Glaubenstradition des deutschen Südwestens.
Seit 1996 ist das hochrangige Ensemble in der ehemaligen Rottenburger Karmeliterkirche ausgestellt. Die um 1800 säkularisierte Kirche war in den 1990er Jahren durch den Tübinger Architekten Eckehard Janofkse zu einem modernen Gebäude für die Unterbringung von Diözesanmuseum und Diözesanbibliothek umgebaut worden.
Nach annähernd 30-jährigem Bestehen wurde das Diözesanmuseum 2024/2025 grundlegend saniert und technisch erneuert. Die hochkarätige Sammlung wurde in diesem Zuge neu konzipiert. Modernisiert wurde auch das von Museum und Bibliothek gemeinsam genutzte Foyer. Ziel der Maßnahmen war es, das Gebäude und seinen Kunstbestand für ein breitgefächertes Publikum zu öffnen und auch neue Zielgruppen anzusprechen.
Das Diözesanmuseum versteht sich als Ort der Begegnung und des lebendigen Austauschs auf Augenhöhe. Willkommenskultur und Aufenthaltsqualität spielen eine große Rolle. Das zuvor sachlich in Weiß und Schwarz gehaltene Foyer erhielt durch neue Eichenmöbel einen warmen Raumcharakter. Verstärkt wird der Eindruck durch die freigelegten Sandsteinsockel der historischen Wandvorlagen. Die Empfangstheke wurde so positioniert, dass direkt beim Betreten des Raums eine Begegnung zwischen Gästen und Mitarbeitenden stattfinden kann. Bequeme Sessel, Shopmöbel sowie ein Familienbereich laden zum Verweilen ein.
Ein offenes Haus für alle – für dieses Ziel wurde ein großes Augenmerk auf die Barrierefreiheit gelegt, die unter anderem für die Form der Theke ausschlaggebend war. Da ein barrierefreier Zugang zur Schatzkammer baulich nicht möglich war, besteht nun auch die Möglichkeit, die dort ausgestellten Objekte über eine XR-Station im Foyer zu erkunden. Zwei XR-Brillen ermöglichen, die Exponate virtuell zu erleben. Den Objekten so ganz nah zu kommen, sie ‚in die Hand zu nehmen‘ und intensiv betrachten zu können, ist ein Mehrwert für alle.
Um die Zugänglichkeit zum ersten Obergeschoss für Rollstuhlfahrer, Personen mit Gehhilfe und Familien mit Kinderwagen angenehmer zu gestalten, können Gäste nun ohne Umwege mit dem Aufzug in diesen Sammlungsbereich gelangen. Für Personen mit Sehbeeinträchtigung wurde ein Audioguide in Deutsch und Englisch eingesprochen. Stark beeinträchtige Personen bekommen durch Tastmodelle einen Eindruck von den Hauptstücken der Sammlung.
Schwellen abzubauen war auch die Maßgabe für die neue Aufstellung der Sammlung und die erläuternde Didaktik. Christliche Kunst aus dem Mittelalter und der Frühen Neuzeit, religiöse Zeugnisse aus dem Barock und dem 19. Jahrhundert vermitteln sich einem zeitgenössischen Publikum größtenteils nicht mehr unmittelbar. Als Artefakte ihrer Zeit spiegeln sie Alltagserfahrungen und Glaubensvorstellungen vergangener, weit entfernter Epochen wider. Die Neukonzeption unter dem Motto ‚Mach Dir ein Bild!‘ geht auf die Entstehungszusammenhänge der alten Bilder ein, bietet Besuchenden zugleich aber Anschlussmomente an ihr Leben und ihre Erfahrungshorizonte. Es wird aufgezeigt, dass die Kunstwerke indirekt Vorstellungen und Fragen behandeln, die immer noch aktuell sind. Woher kommen wir? Was prägt uns? Wie wollen wir gesehen werden? Wie weit sind wir bereit zu gehen? Was gibt uns Halt? Was ist uns heilig?
Den Bezug zum Jetzt stärken auch zeitgenössische Arbeiten, die punktuell in den Rundgang intergiert sind. Die Werke von Karen Irmer (Augsburg), Katharina Ganslmeier und Markus Genzwürker (Regensburg) sowie Susanne Roewer (Berlin) sind gerade in ihrer Deutungsoffenheit eine wichtige konzeptionelle Ergänzung. Erläutert werden Rundgang und Objekte durch eine Ausstellungsbroschüre, die in drei Fassungen vorliegt: in Deutsch und Englisch sowie in Einfacher Sprache. Das Booklet ermöglicht unterschiedliche Formen der Vertiefung. Durch Zitate wird das Museumsteam ‚sichtbar‘, das seine persönlichen Blickwinkel auf die Kunstwerke mit den Besuchenden teilt. Für Familien gibt es ein reich illustriertes ‚Abenteuer-Mit-Mach-Heft‘, das zusammen mit einem ‚Museumskoffer‘ die Exponate spielerisch mit allen Sinnen erschließen lässt.
Wie die Kunstwerke mit ihren vielschichtigen Bedeutungsebenen, so besitzt auch der Raum der ehemaligen Karmeliterkirche eine hohe Qualität. Durch den Rückbau der ehemaligen Ausstellungsarchitektur entstand viel Freiraum, der den Objekten Luft lässt und viel Platz für Neues bietet. Die matten Wandfarben der Ausstellungsnischen verleihen den darauf präsentierten Bildern Tiefe und Strahlkraft. Leicht voneinander abweichende Nuancen von Grün und Blau schaffen ein harmonisches Gesamtbild, in dem dennoch jedes Kabinett eine eigene Wirkung entfaltet. Auch dies soll die zuvor erwähnte Aufenthaltsqualität stärken und die ehemalige Karmeliterkirche als besonderen Ort erlebbar machen.
Zur Neueröffnung bietet das Museum außerdem einen Blick hinter die Kulissen: Im ‚Schaudepot‘ sind zahlreiche Exponate ausgestellt, die nicht Teil der Dauerausstellung geworden sind. In Kontrast zu den freien Flächen der Schausammlung hängen und stehen hier – wie in Museumsdepots üblich – Artefakte dicht an dicht beieinander: Barocke Historiengemälde neben digital erschaffener Druckgrafik, silberne Altarleuchter neben aufklappbaren Kommunionbildchen, Rosenkränze und orthodoxe Gebetsschnüre neben zeitgenössischer Skulptur. Das Schaudepot zeigt nicht nur, wie abwechslungsreich Museumsarbeit ist, sondern auch, dass der Kreativität bei der künstlerischen Umsetzung von Lebens- und Glaubensvorstellungen keine Grenzen gesetzt sind.“



