Beim Bau von Moscheen, sagt Hussein Hamdan, "sollte man die Kirche im Dorf lassen." Ihm ist bei der Diskussion um Islam und Muslime in Deutschland "zu viel Aufgeregtheit" im Spiel. Seine Empfehlung deshalb – an alle, auch an die Moscheegemeinden: "Macht euch alle zusammen mal locker, macht euch ein bisschen flauschiger."
Seit acht Jahren ist der in Tübingen promovierte Islam- und Religionswissenschaftler Hussein Hamdan in Baden-Württemberg unterwegs als Dienstleister für Städte und Gemeinden. Er berät sie im Umgang mit den teils sehr konfliktträchtigen Fragen, wie sie vor Ort mit "dem" Islam umgehen sollen: Wie groß darf eine Moschee sein? Wie hoch das Minarett? Wie lässt sich – bei zunehmendem Bedarf – ein islam-konformer Friedhof gestalten? Soll der Gebetsruf des Muezzin in den öffentlichen Raum dringen? Und – in erster Linie: Wie umgehen mit den verschiedenen und sich auch noch weiter ausdifferenzierenden islamischen Gruppierungen? Welche von diesen sind vertrauenswürdig und als Gesprächspartner verlässlich?
Auf ausdrücklichen Wunsch des Bischofs
Hussein Hamdan arbeitet seit elf Jahren, damals als erster Muslim auf ausdrücklichen Wunsch von Bischof Dr. Gebhard Fürst eingestellt, als Fachbereichsleiter an der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Deren Motto "Gesellschaft gemeinsam gestalten" ist als Motto auch auf die von Hamdan geleitete Islam-Beratung in Baden-Württemberg übergegangen, welche in Zusammenarbeit mit der Verwaltungshochschule Kehl und der Robert-Bosch-Stiftung stattfindet. 225 Beratungen haben seit 2015 stattgefunden.
Nun hat Hamdan seine Erfahrungen als Buch zusammengefasst und an der Akademie vorgestellt. Mehr als hundert Gäste kamen: Weggefährten, Vertreterinnen und Vertreter von Ministerien, Kommunen, Sicherheitsbehörden, Religionen und Migrantenvereinen.
Hamdan skizzierte dabei auch seine Vorstellungen von einem "Dialog auf Augenhöhe". Fairness verlangt er von allen Seiten – etwa Einsicht bei islamischen Gemeinden, dass sie „Reizthemen“ ansprechen und zum Beispiel beim Bau so mancher Moschee "vielleicht ihre Ansprüche bescheidener formulieren" sollten: "Vielen Menschen in Deutschland geht die Entwicklung zu schnell." Und: "Nicht jeder Kritiker, nicht jeder, der nachfragt, muss gleich in die rechte Ecke gestellt werden."
Dialog ist nur Dialog, wenn er auch mal wehtun kann und sich nicht nur an der Oberfläche bewegt.
Dr. Hussein Hamdan
Mit am häufigsten, so Hamdan, werde er gefragt, warum Muslime in Deutschland Moscheen bauen dürften, während den Christen der Bau von Kirchen beispielsweise in Saudi-Arabien verboten sei. Er halte die Frage, sagt er, für "sehr problematisch". Ihr liege ein eingeschränktes Verständnis von Religionsfreiheit für Muslime zugrunde: "Sie werden in Haftung genommen für etwas, was in nichtdemokratischen Ländern passiert. Aber mit welchen Ländern wollen wir uns messen? Mit Saudi-Arabien?"
In den Verwaltungsspitzen sähe Hamdan es gerne, wenn sie sich – trotz immer wieder kritisierter Kommunikationsprobleme auf der anderen Seite – mit den ganz konkreten Muslimen in ihren Kommunen beschäftigen und nicht immer gleich große ausländische Einflüsse zum Thema machen würden: So kämen bei seinen Gesprächen über die Ditib, jenem islamisch-sunnitischen Religionsverein, der dem türkischen Präsidenten direkt unterstellt ist, "nach dem vierten oder fünften Satz immer sofort Erdogan ins Spiel." Selbst Ditib-Gemeinden, so Hamdan, hätten "Anrecht auf einen differenzierten Umgang mit ihnen" – wie umgekehrt "wir alle unsere Fragen an Ditib haben; wir haben auch Anrecht auf einen fairen Umgang mit uns, das ist ein Geben und Nehmen."
Überhaupt sieht es Hussein Hamdan als Aufgabe und Kennzeichen eines echten Dialogs an, dass dieser auch "harte Brocken" angeht: "Es war nie mein Anspruch, dass ich mit allen Menschen gut Freund sein muss." Und: "Dialog ist nur Dialog, wenn er auch mal wehtun kann und sich nicht nur an der Oberfläche bewegt." In einzelnen Fällen, wenn im Umgang gar nichts mehr ging, habe er Gemeinden auch eine "Dialogpause" empfohlen. Wichtig sei aber auch: "Man muss durch eigenes Auftreten Vertrauen schaffen, Fachwissen allein reicht nicht."