Valentinstag

Meine Seele hat es sofort gewusst

Junge Frau im Ordensgewand

Schwester Theresita in Assisi. Foto: privat.

Schwester Theresita hat sich für ein Leben ohne romantische Beziehung entschieden. Wir haben zum Valentinstag mit ihr gesprochen.

Die 32-jährige Schwester Theresita ist Juniorratsschwester bei den Franziskanerinnen von Sießen. Sie hat bisher in Sießen und Stuttgart gearbeitet und befindet sich seit rund zwei Wochen in Assisi, Italien, wo sie im Casa della Pace, ein Haus der Gemeinschaft zum Mitleben, arbeitet. 

Wie stehst du zum Valentinstag?

Da bin ich nicht abgeneigt. Den Kommerz verurteile ich schon – das ist wie an Weihnachten, wenn Menschen nicht mehr wissen, worum es eigentlich geht. Aber generell finde ich es schön, ein Ritual zu haben, bei dem man sich Zeit füreinander nimmt. Rituale strukturieren unser Leben und geben uns eine Richtung, das mag ich allgemein an der Kirche.   

Hast du etwas für den Tag geplant?

Für den Tag selbst habe ich noch nichts Konkretes geplant. Ich bin erst seit eineinhalb Wochen in Assisi und gerade noch am Ankommen. Aber wir haben hier sozusagen eine „Valentinstagswoche“ vor: Damit wir uns als Schwestern besser kennenlernen, verbringen wir in diesen Tagen viel Zeit zusammen und machen einen Ausflug anlässlich des Heiligen Jahres nach Rom.

Wie war denn dein Weg, Schwester zu werden? 

Er hat früh angefangen. Ich komme aus Augsburg, wo man quasi automatisch katholisch getauft wird. Als Kind habe ich an Kinderbibeltagen teilgenommen – die Geschichten haben mich als Siebenjährige schon sehr angesprochen. Zum Beispiel das Gleichnis, das Jesus vom barmherzigen Samariter erzählt: Ich wollte sein, wie der Samariter.  

Später bin ich auf eine Schule von Ordensschwestern gegangen. Als ich etwa zwölf Jahre alt war, haben wir einmal die Zimmer der Schwestern anschauen dürfen – und ich habe gespürt, dass ich irgendwann auch in so einem Zimmer leben werde. Ich habe mich nie getraut, die Ordensschwestern, die in Augsburg unterwegs sind, mal anzusprechen – aber sie haben immer so eine Ruhe und Zufriedenheit ausgestrahlt. Und immer, wenn mich meine Eltern aufgeregt haben, habe ich zu ihnen gesagt: „Ich bin eh bald im Kloster!“ Sie haben das nicht ernst genommen. Aber schon damals hatte ich so eine Sehnsucht in mir, als würde mir jemand sagen: „Komm zu mir, ich habe was mit dir vor.“  

Als Jugendliche, als ich so um die 18 oder 20 war, habe ich gedacht, was andere machen, muss ich auch machen. Und ich kannte niemanden, der den Weg als Ordensschwester eingeschlagen hat. Aber ich habe mich immer anders gefühlt und wusste, dass so wie andere leben, nicht mein Leben war: Mit Karriere, heiraten, Mann und Kindern.  

Hattest du kein Interesse an einer Beziehung?

Doch, ich hatte auch einige Jahre lang eine Beziehung. Sie hat mich aber nicht erfüllt – da war immer ein Stück innerer Leere in mir. Ich habe oft gehört, dass ich nur in einer partnerschaftlichen Beziehung glücklich werden könne. Ich weiß aber auch, dass viele Beziehungen nicht glücklich sind.  

Gott hat uns unterschiedlich geschaffen – nicht besser oder schlechter. In meinem Herzen habe ich gespürt, dass es mich irgendwo anders hinzieht.  

Wann hast du dich dazu entschieden, dir das Klosterleben genauer anzusehen?

Nach meiner Ausbildung zur Erzieherin war ich mit einer Freundin drei Monate lang in Asien unterwegs. Ich weiß noch, wie ich in Bali in einer Unterkunft saß und das Gefühl hatte, dem Ganzen jetzt Nachgehen zu müssen. Dann habe ich gegoogelt und erstmal bei einem Kloster nachgefragt. Dort konnte gerade niemand „Mitleben“ und auch bei einem anderen Kloster ging es nicht, aber sie haben mir eine ganze Liste gegeben, wo ich mal nachfragen kann. Ganz oben stand das Kloster Sießen – ich habe mir gesagt, wenn es da auch nicht klappt, ist es ein Zeichen und ich lasse das Ganze sein.

In Sießen hat es dann wohl geklappt …

Ich habe in Sießen angerufen und gesagt, dass ich gerne für vier Wochen kommen würde. Die Schwester meinte, ich soll erstmal für eine Woche kommen und es mir ansehen.  

Als ich im Kloster Sießen ankam – ich hatte mit noch keiner Schwester gesprochen – da wusste ich: Das ist es. Das Leben dort kannte ich noch nicht, aber die Seele hat es gewusst. Ich war erst für eine Woche da, dann einen Monat später nochmal für drei Wochen.  

Wie ging es dann weiter?

2019 wurde ich in die Kandidatur aufgenommen und im April 2020 ins Postulat. Bis dahin habe ich noch zu Hause gewohnt. Im Februar 2021 begann das Noviziat.  Das Zusammenleben wird dann immer intensiver. Im Februar 2023 habe ich meine Erstprofess abgelegt und vergangenen Dezember wieder auf drei Jahre erneuert.  

Wieso erneuert?

Bei der Erstprofess entscheidet man sich erst für zwei Jahre, dann für drei weitere und erst dann für „immer und ewig“ – das ist dann wie die Ehe.  

Dann hat man ja lange Zeit, um sich endgültig zu entscheiden.  

Ja und das finde ich schön – man geht schließlich durch Höhen und Tiefen. Die letzten zwei Jahre fand ich herausfordernd. Gleichzeitig habe ich wichtige Erfahrungen gemacht und gemerkt, wie mir die Gemeinschaft dabei den Rücken gestärkt hat.   

War es dann so, wie du es dir vorgestellt hast?  

Naja – ich hätte mir niemals einen Orden ausgesucht, der so beweglich ist. Zumindest nicht vom Kopf her. Aber mein Herz hat mich nach Sießen geführt. Wir Franziskanerinnen von Sießen leben und arbeiten immer wieder an anderen Orten. Die Idee ist, dass wir Aufgaben, Orte und Personen nicht als unser Eigentum ansehen. Das ist für mich immer wieder eine Herausforderung, aber mir kommt dadurch eine größere Freiheit entgegen.

Hast du an deinem Leben im Orden gezweifelt?

Ich habe mich gefragt, ob ich das wirklich kann. Ich habe damit gerungen und über meine eigenen Grenzen nachgedacht. Glücklicherweise haben meine Mitschwestern da ein offenes Ohr. Und auch wenn mal alles anstrengend ist – von der Arbeit bis zum Zusammenleben – kann ich es immer vor Gott bringen.  

Die Mitschwestern, die ich hier getroffen habe, sind mit ihrer Lebendigkeit und Verrücktheit so wie ich. Das Gefühl hatte ich in meinem Umkreis so noch nie. Und Franziskus war ja auch verrückt, da passe ich also gut dazu (lacht). 

Wie hat dein Umfeld auf diese Veränderung reagiert?

In meiner Familie hat niemand „Juhu“ geschrien. Das ist schließlich eine Lebensform, die man nicht so kennt. Sie haben gedacht, dass ich keine eigene Meinung mehr haben darf und zu allem Ja und Amen sagen muss.  

Es ist aber immer besser geworden, je mehr ich ihnen von dem, was ich erlebe, mitteile. Sie waren bei meiner Einkleidung und Profess dabei, haben mich in Stuttgart im Konvent besucht. Wenn ich sie mithineinnehme, wird es weniger fremd und sie sehen, dass es einfach eine andere Lebensform ist. Es tut ihnen gut zu sehen, dass ich immer noch die Alte bin und es mir gut geht. Sie haben mir sogar gesagt: „Wir sehen, wie du aufblühst.“ Und wenn andere Menschen mit ihnen ins Gespräch kommen und manche erzählen, dass sie mit dem Kloster Sießen so viel Gutes erfahren haben, dann sind sie stolz, dass ich zu dieser Gemeinschaft gehöre. 

Ist es auch manchmal schwer, sie nicht so häufig zu sehen?

Manchmal schon. Besonders schmerzhaft sind große Feste, an denen wir nicht zusammen sind, wie der Geburtstag oder Weihnachten. Runde Geburtstage, große Anlässe wie Taufen oder Krankheitsfälle in der Familie sind allerdings eine Ausnahme. Und ich habe eine Woche im Jahr Heimaturlaub und kann sie auch immer wieder mal per Videocall anrufen.  

Es ist aber schon ein Prozess des Loslassens und die Ordensgemeinschaft versucht, die Eltern miteinzubinden. Es gab einen Elterntag – da haben die Väter und Mütter zum Beispiel die Schwester, die für Finanzen zuständig ist, alles Mögliche gefragt. Und sich mit anderen Eltern ausgetauscht à la „Hilfe unser Kind ist im Kloster“ (lacht). 

Wie stehst du dem Thema gegenüber, keine romantische Beziehung mehr zu haben?  

Ich habe zwar keine romantische Beziehung mit einer Person – aber eine starke Beziehung zu Gott beziehungsweise Jesus. Außerdem stärken mich meine Beziehungen zu den Mitschwestern – manche natürlich mehr als andere. 

Fehlt dir denn nichts?  

Körperliche Nähe und Zweisamkeit fehlen mir manchmal – als Schwestern legen wir ein Keuschheitsgelübde ab. Es gibt Momente, in denen ich einfach eine Umarmung brauche. Dann frage ich eine Mitschwester: ‚Kannst du mich mal in den Arm nehmen?‘ Das ist etwas, das wir pflegen – eine gesunde Nähe und Distanz.

Du hattest ja mal eine Beziehung …

Als ich eine Beziehung hatte, hat mir etwas anderes gefehlt. Zum Beispiel kann ich jetzt mit meinen Mitschwestern so tiefe geistliche Gespräche führen, die nicht mit jedem Partner möglich wären. Das erfüllt mich sehr. Wir nehmen uns bewusst Zeit füreinander und teilen Freude, Hoffnungen aber auch Sorgen. Wir schauen abends mal einen Film an oder spielen etwas. Mit solchen Ritualen versuchen wir, mit unserer „Liebesbedürftigkeit“, die jeder Mensch hat, gut umzugehen, ohne die andere zu überfordern – das ist ja auch ein großes Thema in romantischen Beziehungen.  

Ist die Liebe zu Gott anders?

Ich habe das Gefühl, dass man sich in partnerschaftlichen Beziehungen dem anderen nie ganz geben kann. Im Glauben ist das anders: Gott liebt mich bedingungslos. Wenn es mir schlecht geht, kann ich mit ihm streiten und er liebt mich trotzdem. Auch für meine Beziehung zu Gott nehme ich mir bewusst Zeit: Zum Beispiel habe ich, kurz bevor ich in die Gemeinschaft eingezogen bin, entschieden, Silvester mit Gott zu verbringen. Und auch jetzt im Gebet, in der Natur oder im Beisammensein mit verschiedenen Menschen und Mitschwestern spüre ich immer wieder so tief Gottes Gegenwart und Liebe, die mein Herz tief erfüllt. Natürlich ist das nicht jeden Tag so. Aber auch das ist in jeder Beziehung normal. Es gibt auch Tage, wo ich froh bin das gemeinschaftliche Gebet zu haben, da ich sonst vor lauter Alltag Gott „vergessen“ würde. Auch dafür sind Rituale einfach wichtig – um Beziehungen zu pflegen.  

Auch wenn es ohne romantische Beziehung herausfordernd sein kann, erfüllen mich der Glaube und das Gemeinschaftsleben wirklich sehr – und wenn in der Anbetung eine umfassende Liebe in mir hochströmt, ist das einfach wunderbar.  

 

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