In Sießen hat es dann wohl geklappt …
Ich habe in Sießen angerufen und gesagt, dass ich gerne für vier Wochen kommen würde. Die Schwester meinte, ich soll erstmal für eine Woche kommen und es mir ansehen.
Als ich im Kloster Sießen ankam – ich hatte mit noch keiner Schwester gesprochen – da wusste ich: Das ist es. Das Leben dort kannte ich noch nicht, aber die Seele hat es gewusst. Ich war erst für eine Woche da, dann einen Monat später nochmal für drei Wochen.
Wie ging es dann weiter?
2019 wurde ich in die Kandidatur aufgenommen und im April 2020 ins Postulat. Bis dahin habe ich noch zu Hause gewohnt. Im Februar 2021 begann das Noviziat. Das Zusammenleben wird dann immer intensiver. Im Februar 2023 habe ich meine Erstprofess abgelegt und vergangenen Dezember wieder auf drei Jahre erneuert.
Wieso erneuert?
Bei der Erstprofess entscheidet man sich erst für zwei Jahre, dann für drei weitere und erst dann für „immer und ewig“ – das ist dann wie die Ehe.
Dann hat man ja lange Zeit, um sich endgültig zu entscheiden.
Ja und das finde ich schön – man geht schließlich durch Höhen und Tiefen. Die letzten zwei Jahre fand ich herausfordernd. Gleichzeitig habe ich wichtige Erfahrungen gemacht und gemerkt, wie mir die Gemeinschaft dabei den Rücken gestärkt hat.
War es dann so, wie du es dir vorgestellt hast?
Naja – ich hätte mir niemals einen Orden ausgesucht, der so beweglich ist. Zumindest nicht vom Kopf her. Aber mein Herz hat mich nach Sießen geführt. Wir Franziskanerinnen von Sießen leben und arbeiten immer wieder an anderen Orten. Die Idee ist, dass wir Aufgaben, Orte und Personen nicht als unser Eigentum ansehen. Das ist für mich immer wieder eine Herausforderung, aber mir kommt dadurch eine größere Freiheit entgegen.
Hast du an deinem Leben im Orden gezweifelt?
Ich habe mich gefragt, ob ich das wirklich kann. Ich habe damit gerungen und über meine eigenen Grenzen nachgedacht. Glücklicherweise haben meine Mitschwestern da ein offenes Ohr. Und auch wenn mal alles anstrengend ist – von der Arbeit bis zum Zusammenleben – kann ich es immer vor Gott bringen.
Die Mitschwestern, die ich hier getroffen habe, sind mit ihrer Lebendigkeit und Verrücktheit so wie ich. Das Gefühl hatte ich in meinem Umkreis so noch nie. Und Franziskus war ja auch verrückt, da passe ich also gut dazu (lacht).
Wie hat dein Umfeld auf diese Veränderung reagiert?
In meiner Familie hat niemand „Juhu“ geschrien. Das ist schließlich eine Lebensform, die man nicht so kennt. Sie haben gedacht, dass ich keine eigene Meinung mehr haben darf und zu allem Ja und Amen sagen muss.
Es ist aber immer besser geworden, je mehr ich ihnen von dem, was ich erlebe, mitteile. Sie waren bei meiner Einkleidung und Profess dabei, haben mich in Stuttgart im Konvent besucht. Wenn ich sie mithineinnehme, wird es weniger fremd und sie sehen, dass es einfach eine andere Lebensform ist. Es tut ihnen gut zu sehen, dass ich immer noch die Alte bin und es mir gut geht. Sie haben mir sogar gesagt: „Wir sehen, wie du aufblühst.“ Und wenn andere Menschen mit ihnen ins Gespräch kommen und manche erzählen, dass sie mit dem Kloster Sießen so viel Gutes erfahren haben, dann sind sie stolz, dass ich zu dieser Gemeinschaft gehöre.
Ist es auch manchmal schwer, sie nicht so häufig zu sehen?
Manchmal schon. Besonders schmerzhaft sind große Feste, an denen wir nicht zusammen sind, wie der Geburtstag oder Weihnachten. Runde Geburtstage, große Anlässe wie Taufen oder Krankheitsfälle in der Familie sind allerdings eine Ausnahme. Und ich habe eine Woche im Jahr Heimaturlaub und kann sie auch immer wieder mal per Videocall anrufen.
Es ist aber schon ein Prozess des Loslassens und die Ordensgemeinschaft versucht, die Eltern miteinzubinden. Es gab einen Elterntag – da haben die Väter und Mütter zum Beispiel die Schwester, die für Finanzen zuständig ist, alles Mögliche gefragt. Und sich mit anderen Eltern ausgetauscht à la „Hilfe unser Kind ist im Kloster“ (lacht).
Wie stehst du dem Thema gegenüber, keine romantische Beziehung mehr zu haben?
Ich habe zwar keine romantische Beziehung mit einer Person – aber eine starke Beziehung zu Gott beziehungsweise Jesus. Außerdem stärken mich meine Beziehungen zu den Mitschwestern – manche natürlich mehr als andere.