Kann es sein, dass so mancher Missstand und manches Ärgernis daher rührt, dass es Menschen an Hingabe fehlt? Weil wichtige Dinge effizient, aber nur mittelmäßig erledigt werden? Weil getan wird, was verlangt wird, aber das Herz nicht dafür schlägt? Weil selbst im Ehrenamt mitunter mehr „Benefit“ als „benevolens“ zählt? Im Dekanat Ehingen-Ulm, wo mit Hingabe philosophiert und diskutiert wird, bildet das Nachdenken über Hingabe – dieses wohlklingende, aber auch anspruchsvolle Wort – einen Ankerpunkt im Dekanatsprogramm. Im Leitvortrag unter dem Titel „Menschsein zwischen Selbststand und Hingabe“ sprach Dekanatsreferent Dr. Wolfgang Steffel darüber, wie sich unter heutigen Bedingungen das Gläubigwerden des Menschen vollziehen kann.
„Hingabe ist ein Grundgestus des Menschen“, sagt Steffel. Aber nur derjenige könne sich ganz hingeben, der sich gewissermaßen „hat“, sich selbst angenommen hat; „die Selbsthingabe und die Selbstannahme sind miteinander verknüpft“. Der Selbststand, eine „gewisse Weise des Sich-habens“, sei Grundlage einer Hingabe.
Ehrenamt und Ehrenkäs
„Können wir geben, ohne zu zählen?“ Vielfach werde versucht, Menschen ein Ehrenamt durch einen zu erwartenden Benefit schmackhaft zu machen; manche Menschen knüpften ihr Engagement an die Erwartung, gelobt zu werden. Diese Herangehensweise berge freilich die Gefahr der Enttäuschung, wenn etwa der Pfarrer nicht ausreichend lobe; Steffel nennt dies „eine Hingabe, die durch einen gewissen Ehrenkäs infiziert ist“: jemand werde stinkig, weil nicht genug (Lob) zurückkommt.
„Wenn ihr denen Gutes tut, die euch Gutes tun, welchen Dank erwartet ihr dafür? Das tun auch die Sünder“, erinnert Steffel an einen Ausspruch Jesu im Lukasevangelium (Lk 6,33). Aus der Perspektive des christlichen Glaubens sei dies keine Gestalt von Hingabe, die von Furcht frei ist, so Steffel unter Anspielung auf den Philosophen Dieter Henrich (1927-2022) weiter; dieser stellt in seinem letzten Werk unter dem Titel „Furcht ist nicht in der Liebe“ philosophische Betrachtungen zu einem Satz des Evangelisten Johannes an.