Frauenbund

Mit Biss, Herz und Verstand

Mechthild Driessen bei ihrer Verabschiedung. Bild: KDFB / Manuela Pfann

Mechthild Driessen war 36 Jahre Geschäftsführerin des Katholischen Deutschen Frauenbunds in der Diözese. Am 1. August geht sie in den Ruhestand.

"Drei Viertel haben wir geschafft. Wenn das letzte Viertel erledigt ist, können wir den Frauenbund auflösen. Dann braucht’s uns nicht mehr." Das würde Mechthild Driessen ihrer Nachfolgerin gerne sagen können. "Aber so ist es halt leider nicht. Drei Viertel sind noch lange nicht geschafft. Es braucht uns noch." In der Politik. In der Gesellschaft. Und ganz besonders in der katholischen Kirche.

Mechthild Driessen (65) ist eine Kämpferin. Eine, die nicht nachgibt und nicht nachlässt. Mit Biss, Herz und Verstand ist sie in den vergangenen 36 Jahren als Geschäftsführerin des Katholischen Frauenbunds in der Diözese nicht müde geworden, die Positionen, Forderungen und Wünsche von Frauen zu vertreten. Auch wenn – und sicher auch gerade weil – sich in manchen Bereichen noch immer nichts bewegt hat.

Herausforderungen als Chancen sehen

Zum Beispiel beim Diakonat der Frau. "Seit 25 Jahren feiern wir den Tag der Diakonin, um zu zeigen, wir bleiben an der Forderung dran", sagt Driessen. "Eine Diakonin muss möglich sein in der katholischen Kirche." Und so wird der Frauenbund auch weiter jedes Jahr am 29. April, dem Tag der heiligen Katharina von Siena, seine Stimme erheben. "Wir zeigen, dass wir nicht nachgeben." So wie die Kirchenlehrerin Katharina nicht nachgab und sich schon im 14. Jahrhundert beharrlich zu kirchlichen, politischen und gesellschaftlichen Belangen äußerte.

Nachgeben ist auch nicht Driessens Ding. Sie studierte zunächst Romanistik und Theologie auf Lehramt. Als Teil der so genannten Boomer-Generation gehörte sie zu den vielen, die nach dem Referendariat keine Anstellung fanden. Driessen nahm’s als Chance und setzte eine betriebswirtschaftliche Ausbildung drauf. Erwachsenenbildung, Theologie, Betriebswirtschaftslehre – die Ausschreibung des Katholischen Frauenbunds in der Diözese Rottenburg-Stuttgart, der 1987 auf der Suche nach einer Geschäftsführerin war, las sich da gerade richtig.

Gemeinschaft als Grundlage allen Engagements

Wertorientierte, christlich motivierte, politische Interessenvertretung der Frauen in Kirche und Gesellschaft: Das steht beim Frauenbund seit 120 Jahren nicht nur auf dem Papier. "Das war damals so und das ist heute noch so", sagt Driessen. "Immer mit dem Ziel, dass Frauen und Männer die Welt partnerschaftlich gestalten." Und auch wenn sich das Wie in den vergangenen 36 Jahren deutlich gewandelt hat, das Was ist geblieben: die Gemeinschaft als Grundlage allen Engagements; die (Weiter-)Bildungsarbeit für Frauen; die Arbeit in Gremien und in der Politik; natürlich die Spiritualität.

Mechthild Driessen und ihrem Team ist in den vergangenen Jahrzehnten gelungen, woran viele scheitern: Sie haben die Angebote des Frauenbunds beständig den gesellschaftlichen Entwicklungen angepasst und neue Herausforderungen grundsätzlich als Chance begriffen. So machten sie zum Beispiel aus den dreitägigen Führungskräfte-Schulungen unter der Woche Projektarbeiten zur Teamentwicklung. "Früher", erzählt Driessen, "waren die Frauen in den Ortsgruppen oft 30 oder 40 Jahre lang Vorsitzende." Das ging, solange viele Frauen noch nicht arbeiteten. Als sich die Bedürfnisse und Lebensmodelle änderten, erweiterte der Verband die Angebote. "Heute geht es deshalb nicht mehr nur um Führung, sondern auch darum, wie sich Verantwortung teilen lässt."

Zwischen Bewahren und Erneuern

Keine Weiterentwicklung ohne Reibung. Den Spagat zwischen Bewahren und Erneuern, zwischen den Beständigen, die den Verband weitertragen, und den Gestalterinnen, die ihn ausformen, hat der Frauenbund unter Mechthild Driessen meist geschafft. "Wir haben viele Organisations- und Strukturentwicklungsprozesse gemacht", erzählt sie. "Um zu schauen, wo’s hingehen kann." Nicht zuletzt blieb Driessen immer im Austausch, förderte und forderte diesen mit herzlicher Beharrlichkeit und gnadenloser Offenheit.

Auch im spirituellen Bereich hat sich so Grundlegendes geändert. Hatte der Frauenbund einst einen pensionierten Priester als geistlichen Beistand, gibt es seit vielen Jahren nun schon eine hauptamtliche geistliche Beirätin. "Darauf haben wir lange hingearbeitet, immer mit dem Blick auf die Frage: Was ist für uns Frauen drin?" Die Frauenkirche etwa ist mit ihrer ganzheitlichen, integrativen Liturgie inzwischen fester und beliebter Bestandteil des Frauenbund-Angebots.

Auch die Herausforderungen wandeln sich

Der Wandel bringt jedoch auch Probleme, die sich nicht so einfach lösen lassen. "Terminplanung ist heute die größte Herausforderung überhaupt", sagt Driessen. Viele Veranstaltungen sind von Wochentagen aufs Wochenende gewandert – und auch die arbeitsfreien Tage sind oft mit Erledigungen, Verpflichtungen und nicht zuletzt mit Familienzeit gefüllt. "Da müssen wir heutzutage viel genauer hinschauen, wer wann Zeit hat, sich einzubringen, sich zu engagieren oder auch, eine Veranstaltung zu besuchen."

Neue Mitglieder müssen aktiv geworben werden. "Früher war es selbstverständlich, dass Katholikinnen nach der Heirat automatisch zu uns kamen", erzählt Driessen. "Dieser Automatismus funktioniert nicht mehr." Die allgemeine Krise der katholischen Kirche tue ihr Übriges.

Ein Verband, der stark macht und Rückendeckung gibt

Aufwind brachte die Maria-2.0-Bewegung. "Da hat der Frauenbund schnell gesagt: Deren Forderungen entsprechen den unseren – das unterstützen wir!" Auch die Forderung nach der Öffnung aller sakramentalen Ämter. "Zuvor gab es immer noch die Scheu, mehr zu fordern als die Diakoninnenweihe", sagt Driessen. "Aber mit der neuen Bewegung war plötzlich alles offen."

Und dann sei etwas sehr Schönes passiert: "Einige Frauen haben gemerkt, dass sie auf sich alleingestellt nicht so viel erreichen können und haben den Frauenbund wiederentdeckt. Einen Verband, der sie stark macht und ihnen Rückendeckung gibt." Drei Ortsgruppen hat der Frauenbund in der Diözese seither neu gründen können.

Frischer Wind und neue Rollen

Mechthild Driessen wird sich derweil neu erfinden (müssen). Ihren Ruhestand beginnt sie mit einem Urlaub an der See. Die Weite des Ozeans und die steife Brise sollen sie erden und den Kopf frei machen. Für all die Leidenschaften, denen sie nun mehr Aufmerksamkeit schenken will wie der Kunst und der Kultur. Aber auch für die neue Rolle an der Basis – als einfaches Mitglied im Frauenbund. "Ich freu mich drauf!"

Der Katholische Deutsche Frauenbund

Der Katholische Deutsche Frauenbund (KDFB) ist einer der größten Frauenverbände in Deutschland. Bundesweit gehören 145.000 Frauen jeden Alters zum Frauenbund. In der Diözese Rottenburg-Stuttgart sind es rund 6.000 Frauen, die sich in 105 Zweigvereinen –so heißen die Organisationsformen des KDFB vor Ort – für und mit Frauen engagieren.

Der Katholische Deutsche Frauenbund steht als großer Frauenverband für eine eigenverantwortliche und zeitgemäße Mitgestaltung in allen Bereichen der Gesellschaft, in Kirche und Staat, in Familie und Beruf. Das galt zur Gründung des KDFB 1903 und das gilt auch heute noch.

Um diese Ziele zu erreichen, setzt der Katholische Deutsche Frauenbund auf unterschiedliche Bausteine: Bildungsveranstaltungen speziell für Frauen, Lobbyarbeit auf unterschiedlichen Ebenen, spirituelle Angebote mit Schwerpunkt Frauenspiritualität und vieles mehr.

Weitere Informationen gibt es auf der Internetseite des KDFB Rottenburg-Stuttgart.

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