„Die Verunsicherung im Alltag ist ganz arg groß. Gehörlose Menschen fühlen sich jetzt noch mehr benachteiligt“, berichtet Herbert Baumgarten. Denn die Maskenpflicht, die mit den aktuellen Lockerungen in der Corona-Krise einhergeht, ist für Hörgeschädigte ein Problem.
Wer auf die Gebärdensprache angewiesen ist - eine Sprache, deren Bestandteile Gestik, Gesichtsmimik und lautlos gesprochene Wörter sind - ist von Kommunikation weitgehend ausgeschlossen, wenn Gesichter hinter Masken und Tüchern verschwinden. Allein in Deutschland nutzen nach offiziellen Angaben mindestens 80.000 Menschen die Gebärdensprache.
Herbert Baumgarten ist seit zehn Jahren Seelsorger für Menschen mit Hörschädigungen in der Diözese Rottenburg-Stuttgart, zuständig für die Region Ostwürttemberg-Hohenlohe mit den Dekanaten Göppingen-Geislingen, Heidenheim, Heilbronn-Neckarsulm, Hohenlohe, Mergentheim, Schwäbisch Hall und Ostalb. Drei Kolleginnen und Kollegen kümmern sich um die anderen Regionen der Diözese.
Seelsorge auf allen Kanälen
Auch Baumgartens Alltag und Arbeit haben sich stark verändert: „Alles was bisher an persönlichen Kontakten zu Gehörlosen und Besuchen in Gehörlosenvereinen in meiner Region lief, läuft momentan ausschließlich digital - auf allem, was an digitalen Medien möglich ist“, erklärt der Diakon. Dazu zählen Fax, das unter Gehörlosen weit verbreitet sei, E-Mail, Whatsapp, Telegram, Skype und Videochat. „Mit diesen Kommunikationskanälen bin ich so ziemlich jeden Tag einen halben Tag lang beschäftigt“, so Baumgarten.
In diesen digitalen Unterhaltungen und in Rückmeldungen spüre er Einsamkeit und die Not, nicht kommunizieren zu können, sich nicht treffen zu können in den Vereinen, berichtet Baumgarten. „Es gibt viel Unsicherheit, weil auch auf hörbehinderte Menschen viele Informationen einströmen, die man einordnen muss.“
So habe es etwa bei der Maskenpflicht widersprüchliche Informationen gegeben. „Zuerst hieß es: Maskenpflicht auch für Gehörlose. Dann kam ein Video: Nein, Gehörlose sind ausgenommen. Dann musste man sich wieder korrigieren und sagen: Gehörlose sind nicht ausgenommen, dürfen aber im Notfall die Maske abnehmen. Diese Informationen sprudelten in kurzer Zeit auf die Gehörlosen ein - mich würde das kirre machen.“
In der Praxis entpuppe sich aber auch die Ausnahmeregelung als schwierige Sache, gibt Baumgarten zu bedenken: „Nehmen die Gehörlosen den Mundschutz ab, werden sie blöd angeglotzt, weil ja im Geschäft Mundschutzpflicht gilt.“