Es war mitten im Zweiten Vatikanischen Konzil, als Hermann Josef Dörflinger in Bad Cannstatt zum Priester geweiht wurde: „Es war Aufbruchstimmung in der Kirche – wir waren 32 Neupriester!“, erinnert er sich. „Das Gemeinschaftsgefühl war stark, die Kirche war das prägende Element.“ Zu einer reichen Liturgie gesellten sich neue Lieder, und wenn eine Jazzmesse aufgeführt wurde, „ist die Jugend geströmt“.
Geboren und mit fünf Geschwistern aufgewachsen ist Hermann Josef Dörflinger in Bissingen ob Lontal, heute Teilort der Stadt Herbrechtingen, Seelsorgeeinheit Lone-Brenz im Dekanat Heidenheim. „Der Glaube wurde gelebt, Feste wurden wunderschön gefeiert, auch liturgisch“, sagt Dörflinger. „Ich war sehr gerne Ministrant und hatte schon früh eine Liebe zur Eucharistie.“ Diese Prägung durch die Familie und das selbstverständliche Engagement in der Kirchengemeinde gaben die entscheidenden Impulse auf dem Weg zum Priesteramt. Nach seiner Gymnasialzeit in Ellwangen studierte er Theologie an der Uni Tübingen.
Hingehen, wo die Menschen sind
Nach seiner Vikariatszeit in Wernau (1964) und Gerlingen (1967) wurde Dörflinger 1969 zum Pfarrer von Westerheim ernannt, „eine gute Wahl für mich“, so der Jubilar. In seine Dienstzeit fiel der Bau der Christkönigskirche und der Beginn einer Kooperation mit der evangelischen Kirche im kirchlichen Zentrum auf dem örtlichen großen Campingplatz – ein „ökumenischer Aufbruch“. Um mit den Campern ins Gespräch zu kommen, habe er während der Sommerferien auf dem Campingplatz gewohnt, erzählt Dörflinger. „Man muss hingehen, wo die Menschen sind.“
1980 berief ihn Bischof Dr. Georg Moser als Superior der Franziskanerinnen und als Pfarrer nach Sießen, wo er die franziskanische Spiritualität besonders schätzen lernte: „Ich habe hineinfinden dürfen in die Tiefe, die Franziskus in seiner Heimat Assisi als Glaubenszeuge gelebt hat.“ Bei Besuchen in den Missionsstationen der Gemeinschaft in Südafrika und Brasilien „durfte ich Atmosphäre von Weltkirche schnuppern“, erinnert sich Pfarrer Dörflinger, der 1986 den päpstlichen Ehrentitel „Monsignore“ verliehen bekam.
Es folgte 1996 der Wechsel als Pfarrer nach Marbach am Neckar und dann 2001 nochmals ein Aufbruch, denn Brasilien hatte Pfarrer Dörflinger „keine Ruhe gelassen“. Zwei Jahre wirkte er auf einer „Fazenda da Esperança“ (Hof der Hoffnung) in São Paulo, einem internationalen Projekt christlicher Suchthilfe. „Die Kraft aus dem Wort Gottes, die Erfahrung einer tiefen lebendigen Gemeinschaft und die Vergebung im Namen Jesu eröffnen den ‚drogados‘ eine neue Lebensperspektive“, berichtet der Seelsorger. Die intensive Erfahrung prägt ihn bis heute.
Aus der Kraftquelle leben
„Es war mir wichtig, nah bei den Menschen zu sein und Antwort zu geben auf die Nöte der Zeit“, sagt Hermann Josef Dörflinger. Mit dem heiligen Franziskus gelte es zu fragen: Wo sind die Armen? Zu jener Zeit seien dies etwa die Aussätzigen gewesen, „heute die Drogenabhängigen“. Dabei sei ihm immer sein priesterlicher Wahlspruch leitend gewesen: „Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht.“ (Joh 15,5).
Von 2003 bis 2008 wirkte Dörflinger als Seelsorger in der SE Bad Saulgau mit seinen zehn Kirchengemeinden. Seinen aktiven Ruhestand verbringt er in Ellwangen und ist dankbar, seine Schwester Irmgard bei sich zu haben, die ihn die ganzen Jahre begleitet hat und selbst im pastoralen Dienst tätig war. Mit Blick auf Veränderungen in der Kirche und einen von vielen Menschen erhofften Aufbruch sagt Dörflinger: „Umkehr heißt immer Hinwendung zu Gott. Hoffnung dürfen wir dort haben, wo wir nicht nur nach Veränderung von Strukturen fragen, sondern das Wort Gottes in den Mittelpunkt stellen und aus dieser Kraftquelle leben.“
Nach dem Festgottesdienst zum diamantenen Priesterjubiläum gemeinsam mit seinem priesterlichen Mitbruder Prälat Werner Redies am 18. Juli, 19 Uhr, in St. Vitus in Ellwangen feiert Monsignore Hermann Josef Dörflinger am Sonntag, 28. Juli, um 13.30 Uhr einen Dankgottesdienst in der Heilig-Kreuz-Kirche in Bissingen ob Lontal.