Die katholische Kirche steckt tief in der Krise. Mitgliederrückgang, weniger Einnahmen, weniger Personal, die Aufarbeitung des Missbrauchsskandales machen tiefgreifende Veränderungen notwendig. Wie stellt sich die Diözese Rottenburg-Stuttgart neu auf, um auch in Zukunft ihren Seelsorger-Auftrag zu erfüllen und für die Menschen wieder an Attraktivität und Relevanz zu gewinnen? – Fragen wie diese standen im Mittelpunkt der zweitägigen Frühjahrskonferenz der Dekanatsreferent:innen im Kloster Untermarchtal. Zeitgleich tagten auch die Dekanatssekretärinnen an gleicher Stätte.
„Wir brauchen eine Verständigung darüber, wie wir alle miteinander unsere Pastoral vor Ort neu gestalten und leben wollen als diakonisch-missionarische Kirche.“ Für Holger Winterholer, Leiter der Hauptabteilung Pastorales Personal im Bischöflichen Ordinariat in Rottenburg, ist die fruchtbare Zusammenarbeit mit der mittleren Führungseben der Diözese, also den Dekanaten, deshalb „sehr wesentlich“. Der Domkapitular berichtete von der strukturellen Maßnahmenplanung beim Personal, zu der die Einführung von Vakanzbegleiter:innen auf Dekanatsebene, die Bestellung von weiteren nicht geweihten Pfarrbeauftragten nach can 517,2 CIC – aber auch der Abbau von Überbesetzungen in einzelnen Seelsorgeeinheiten und die Verteilung von auf diese Weise frei werdenden Priestern auf andere Einheiten gehört.
Insgesamt bleibt die Lage beim Pastoralen Personal angespannt: Bis 2027 werden voraussichtlich 54 Priester und 200 andere pastorale Mitarbeiter:innen in Pension gehen, für die nur zehn Priester und 56 Pastoral- und Gemeindereferent:innen nachrücken. Laut den Berechnungen der Hauptabteilung V werden in den nächsten zehn Jahren jeweils im Durchschnitt 30 „Pastorale“ fehlen. Allein 2023 gehen, Stand heute, zwölf Priester in den Ruhestand.
Umso mehr braucht es Kreativität bei der Neuausrichtung der künftigen Strukturen an der Basis der Kirche. Weihbischof Matthäus Karrer, als Hauptabteilungsleiter zuständig für die pastorale Konzeption in der Diözese, brach in diesem Zusammenhang in Untermarchtal eine Lanze für die – bislang nur teilweise umgesetzte – Bildung von Gesamtkirchengemeinden in allen großen Kreisstädten zur Entlastung von Verwaltungsaufgaben, für eine Überprüfung des Zuschnittes der vor 25 Jahren gebildeten Seelsorgeeinheiten, eine eventuelle (Wieder-)Vereinigung von alleine nicht mehr lebensfähigen Kirchengemeinden, mehr digitales Arbeiten im Pfarrbüro und die damit verbundene Weiterqualifizierung des vorhandenen Personales. Vieles, so Karrer, laufe in der Diözese Rottenburg-Stuttgart besser als anderswo, nicht zuletzt habe das „Rottenburger Modell“ mit seinen weit reichenden Partizipations- und Mitbestimmungsmöglichkeiten für die sogenannten Laien im Rahmen des Synodalen Weges deutschlandweit starke Beachtung gefunden. Aber: „Auch wir müssen unsere Kultur weiter verändern und die Leitungsverantwortung überall auf mehr Schultern verteilen.“
Die Dekanatsreferent:innen machten ihrerseits deutlich, dass jede Neustrukturierung auch mit einem realistischen Blick auf die bestehenden Personalressourcen verknüpft sein muss und die Übernahme immer weiterer Aufgaben mit weniger Personal schwierig sei. Bei der – grundsätzlich befürworteten – Umsetzung der Strukturmaßnahmen vor Ort wünschen sie sich Unterstützung aus Rottenburg. Oder, wie es einer formulierte: „Was ist unsere Vision? Wir müssen den Leuten erklären, wie das große Ziel ausschaut.“