Der Synodale Weg ist mit einer Reihe von Beschlüssen zu Ende gegangen. Der Stuttgarter Stadtdekan Christian Hermes zieht im Interview ein positives Fazit des Reformprozesses, der Bewegung in die katholische Kirche gebracht hat. Wichtig sei jetzt, weiterzumachen und an einer konsequenten Umsetzung der Beschlüsse auf allen Ebenen von der Gemeinde bis zur Diözese zu arbeiten. Dazu gehöre es zum Beispiel, Laien systematisch in Gremien und Entscheidungen einzubinden und Macht zu teilen, zu begrenzen und Rechenschaft abzulegen.
Wie ist Ihr Fazit am Ende des Synodalen Weges?
Der Synodale Weg war gut und wichtig, weil er vor allem eines zeigt: Die katholische Kirche reagiert auf die Erschütterung ihrer Glaubwürdigkeit und bewegt sich trotz mancher Hindernisse und Behinderungen. Wir sind als katholische Kirche in Deutschland dazu in der Lage, auf gesellschaftliche Veränderungen und wissenschaftliche Einsichten zu reagieren.
Die Synodalversammlung hat bewiesen, dass Laien und Bischöfe auf Augenhöhe diskutieren und Entscheidungen treffen können, die die Kirche evangeliumsgemäßer und zeitgemäßer, gerechter und glaubwürdiger machen. Der Synodale Weg hat nicht zu einer Spaltung geführt, sondern im Gegenteil Verständnis und Einverständnis wachsen lassen. Das können alle erst mal zur Kenntnis nehmen, besonders die Unglückspropheten in unserer Kirche.
Nicht alle haben diese Einmütigkeit erwartet.
Das stimmt. Es wurde von verschiedenen Kreisen, nicht zuletzt auch von Kardinal Kasper, unserem früheren Bischof, und dem Heiligen Vater selbst am Synodalen Weg Kritik geübt und auch das Schreckgespenst der Spaltung und der Polarisierung an die Wand gemalt. Tatsächlich haben wir uns aber gerade nicht gespalten, sondern sind miteinander weiter gekommen in großer Einmütigkeit und großer Ernsthaftigkeit an der Sache.
Bezeichnend finde ich, dass inzwischen nur mehr ganz rechte, fundamentalistische Gruppen wie Maria 1.0 gegen den Synodalen Weg hetzen, die Bischöfe und uns alle als Häretiker beschimpfen und dabei alle Mittel der Agitation aufbieten. Ein böses Beispiel ist die Diffamierung der sehr eindrücklichen liturgischen Performance im Frankfurter Dom, an der auch Missbrauchsbetroffene beteiligt waren. Maria 1.0 hat dies als „satanischen Akt der Entweihung der Kirche“ bezeichnet. Das ist infam und sicher auch nicht im Sinn der Gottesmutter Maria. Denn der satanische Akt in der Kirche ist ja gerade der Missbrauch selbst und nicht etwa seine Thematisierung.
Der hysterische Extremismus solcher rechtskatholischer Fundis ist aber auch für etwas gut, denn er wird dazu führen, dass auch konservativere Bischöfe auf Distanz zu ihnen gehen, weil sie die Menschenverachtung spüren, die sich als Religiosität tarnt. In dieser rechten Ecke will ja nun wirklich keiner stehen und gesehen werden. In dieser Entwicklung geschieht nun auch jene geistliche Unterscheidung, zu der der Papst oft aufruft.
Welcher Beschluss ist aus Ihrer Sicht der wichtigste?
Das kann man so pauschal gar nicht sagen, weil beispielsweise für von Missbrauch Betroffene ganz besonders die Beschlüsse über Maßnahmen gegen Missbrauch oder jene über die Maßnahmen zu Prävention, Intervention und Begleitung nach Vorfällen wichtig sind. Für queere Personen waren die Beschlüsse zur sexuellen Vielfalt ganz wichtig, für Frauen die Beschlüsse über geschlechterunabhängige Zugänge zum Amt in der Kirche, für Priester der Grundtext über ihren Dienst in der Kirche und den Zölibat, und für alle Paare, die nicht kirchlich heiraten können, sich aber einen Segen für ihre Lebenspartnerschaft wünschen, der diesbezügliche Beschluss. Am wichtigsten war, dass wir in einem aufmerksamen Zuhören und Beraten zu Beschlüssen mit großen Mehrheiten gekommen sind.
Die Qualität und Effektivität des Prozesses ist ebenso wichtig wie die Inhalte der Beschlüsse. Ich bin auch deshalb so erleichtert, weil noch ein Eklat seitens einiger Bischöfe wie bei der Ablehnung des Grundtextes zur Sexual- und Beziehungsethik zum Abbruch geführt hätte. Dann hätte sich aber vermutlich auf Jahre hin niemand mehr mit der Deutschen Bischofskonferenz zu Beratungen an einen Tisch gesetzt. Dann wäre das Kirchenvolk seine eigenen Wege gegangen und hätte die Bischöfe ihrem Schicksal überlassen. Das ist zum Glück nicht passiert. Allerdings kommt es nun darauf an, dass die Beschlüsse auch umgesetzt werden!
Die Beschlüsse der Synodalversammlung sind nicht bindend, vielfach sind es an Rom gerichtete Prüfaufträge. Reicht das aus?
Entscheidend ist, was dieser Prozess tatsächlich bewirkt. Da kommt es nun darauf an, dass auf den jeweiligen Ebenen - in den Gemeinden, in den Diözesen, in Deutschland und auf weltkirchlicher Ebene - das auch praktisch umgesetzt wird, was beschlossen wurde und auf der entsprechenden Ebene umgesetzt werden kann. Papier ist ja geduldig, in der Kirche noch geduldiger. Die Beschlüsse dürfen aber nun nicht in der Schublade verschwinden, wo schon frühere Reformpapiere unter einer Staubschicht liegen, sondern müssen proaktiv umgesetzt werden. Darauf wird auch der Synodale Rat achten müssen, der als ständiges gemeinsames Beratungsgremium von Bischofskonferenz und Nichtbischöfen nun vorbereitet wird.
Auf weltkirchlicher Ebene brauchen wir Strukturen, die die unterschiedlichen Sichtweisen und Anliegen in einer Kirche mit 1,3 Milliarden Mitgliedern in allen Erdteilen und Kulturen ins Gespräch bringen und "Einheit in Vielfalt" ermöglichen. Die Zeit eines römischen Zentralismus und Uniformismus ist vorbei, es braucht eine viel differenziertere und den kulturellen Entwicklungen angepasste, "inkulturierte" Herangehensweise. Papst und Kurie müssen derzeit und in Zukunft Meister der Kommunikation und der Vermittlung im Konzert der Weltkirche sein. Ich verstehe den von Papst Franziskus angeregten "Synodalen Prozess" genau in dieser Richtung. Dabei zeigt sich schon jetzt, welch große Unterschiede es gibt, aber auch, dass die Themen des Synodalen Weges in Deutschland in vielen anderen Ländern genauso unter den Nägeln brennen wie bei uns.
Letztendlich werden wir zu einer Katholizität finden müssen, die im wirklich Notwendigen Einheit garantiert, aber in vielem in den einzelnen Ländern Entwicklungen in unterschiedlichen Geschwindigkeiten möglich macht. In Deutschland können wir dann Lösungen finden, die für uns in unserer gesellschaftlichen und kulturellen Situation passen, in anderen Ländern wird es andere Herausforderungen und andere Schlussfolgerungen geben.
Was sagen Sie den Frauen, die sich sehr viel weitergehende Schritte erhofft haben?
Ich kann die Enttäuschungen sehr gut verstehen, und sage dazu: Ich habe inzwischen auch kapiert, dass ich sie als Mann und Priester eben gar nicht so verstehen kann, wie die Frauen in der Kirche sie selbst erleben. Die Erfurter Dogmatikprofessorin Julia Knop, die eine ganz tragende theologische Rolle beim Synodalen Weg gespielt hat, hat etwas bitter angemerkt, es sei ja wirklich ein trauriges Zeichen, wenn kein Rückschritt schon als Fortschritt gewertet werde.
Ich persönlich bin absolut überzeugt, dass die Frage der Gleichberechtigung für die Kirche, aktuell bei uns, aber über kurz oder lang auch global, eine Frage von Sein oder Nichtsein der Kirche ist. Das ist kein Randthema. Und die Frauen werden sich auch nicht weiter vertrösten lassen. Entweder die Kirche löst das Problem, wofür es theologisch und biblisch beste Argumente gibt, oder die Frauen sind weg. Und das weiß selbst der konservativste Kirchenmann: Wenn die Frauen weg sind, ist der Glaube weg, von der religiösen Erziehung bis zum Gemeindeleben. Frauen, die bisher gekämpft haben, werden dann nicht mehr kämpfen; und ihre Töchter werden nicht einmal mehr darüber nachdenken zu kämpfen.
Vor diesem Hintergrund sind die Ergebnisse nicht befriedigend. Andererseits dachte ich, als sich gegen das Kompromisspapier sowohl von konservativer als auch von progressiver Seite Kritik erhob: Wir werden jetzt bitte nicht das Kompromisspapier mit Gegenstimmen von „links“ und „rechts“ scheitern lassen, um am Schluss mit nichts dazustehen. Klar, der Weg muss weitergehen, und nicht nur die Frauen werden darauf achten, ob er in der richtigen Richtung weitergeht.
Wie sehen Sie die Rolle der Bischöfe beim Synodalen Weg?
Die letzte Synodalversammlung hat deutlich gemacht, dass die Bischöfe im Verlauf des Reformprozesses ihre Haltung zum ganzen Prozess und zu seinen Inhalten geändert haben. Viele Bischöfe haben verstanden, dass sie die Beratungen ernst nehmen, sich auseinandersetzen und einbringen müssen. Und viele haben auch verstanden, auf welcher Seite sie zu stehen haben, nämlich auf der Seite der Menschen, zu deren Sorge sie bestellt sind, besonders auf der Seite derer, die verletzt oder verletzlich sind.
Ich danke allen Bischöfen, die verstanden haben, dass Kennzeichen des Christlichen gerade der Einsatz für die gleiche Würde, die Rechte und den Schutz der Menschen sein muss, und dass es keinesfalls im Sinn des Evangeliums sein kann, Menschen auszugrenzen oder zu diskriminieren aufgrund von Eigenschaften, die sie sich nicht ausgesucht haben, oder aufgrund von Überlieferungen, die allzu menschlich und geschichtlich und inzwischen auch überholt sind. Ich bin dankbar, dass viele Bischöfe verstanden haben, dass autoritäre Entscheidungen keine Akzeptanz mehr finden. Auch Bischöfe müssen durch gute Argumente und Taten überzeugen, wenn sie Gehör oder womöglich sogar Gehorsam finden wollen.
Was erwarten Sie jetzt von den deutschen Bischöfen?
Die Bischöfe müssen jetzt mit den von ihnen mit großer Mehrheit gefassten Beschlüssen nach Rom fahren und diese Anliegen aktiv und beharrlich, ebenso höflich wie klug und bestimmt einbringen. Denn daran hängt für viele Mitglieder wesentlich die Glaubwürdigkeit der Kirche. Zudem ist es wichtig, dass sie in ihren Diözesen die Spielräume nutzen, die ihnen der Synodale Weg eröffnet hat. Dazu gehört es zum Beispiel, Laien systematisch in Gremien und Entscheidungen einzubinden und Macht zu teilen, zu begrenzen und Rechenschaft abzulegen.
Unsere Mitglieder werden sehr genau beobachten, ob ein Bischof Reformbereitschaft nur vortäuscht oder ob er wirklich etwas macht und Einsatz zeigt: in seiner Wahrnehmung des Amtes, in Strukturen und in der konkreten Arbeit.
Wie kann diese Beteiligung konkret aussehen?
Seit vielen Jahren trage ich Leitungsverantwortung in einem System starker Gremien in Kirchengemeinden und im Stadtdekanat. Dieses System starker Beteiligung und Mitbestimmung, wie es seit über 50 Jahren in unserer Diözese mit Erlaubnis und Zustimmung des Heiligen Stuhls auf allen Ebenen gelebt wird, hat sich bewährt. Das müssen auch alle, die jetzt mit römischer Autorität synodale Räte ausschließen, bitte anerkennen.
Es kommt für uns keinesfalls in Frage, an diesen bewährten Strukturen des "Rottenburger Modells" rühren zu lassen. Das würde auf entschiedenen Widerstand stoßen. Zu diesem guten Modell gehört auch die im Synodalen Weg gewürdigte Verbindung von Pastoralrat, Katholikenrat und kirchensteuerverantwortlichem Gremium. Es hat sich bewährt, dass diejenigen, die die inhaltlichen Entscheidungen treffen, sie auch ökonomisch verantworten müssen.
Ich möchte nicht anders leiten und kann es mir auch gar nicht vorstellen, weil wir auf diesem Weg zu besseren und besser legitimierten Entscheidungen kommen. Diese starke Mitbestimmung gilt es jetzt, weiter auszubauen. Hinzu kommt: Kirchliche Leitungsämter müssen durch Wahlen legitimiert werden und Amtszeiten müssen begrenzt werden, so wie es sich in den Orden seit Jahrhunderten bewährt hat.
Muss nicht auch die Koppelung von Weihe und Leitung aufgelöst werden?
Selbstverständlich gehört zu diesen Reformen auch, dass die kirchenrechtliche Koppelung von Weihe und Leitung und damit auch von Geschlecht und Weihe und Leitung aufgelöst wird. Theologisch sehe ich überhaupt keine überzeugenden Argumente, warum jegliche "Exekutive" in der Kirche in der Hand von geweihten Männern liegen sollte, die doch viel eher qualifiziert und berufen sind, geistliche und spirituelle Leitung wahrzunehmen.
Diese Engführung muss geöffnet werden, aus Gründen der Geschlechtergerechtigkeit und der Qualität von Leitung in der Kirche. Nicht zuletzt hat die Koppelung von Weihe und Leitung auch etwas mit dem Priestermangel zu tun, beides verstärkt sich negativ mit nachteiligen Folgen sowohl für das geistliche Amt als auch für die Qualität von Führung.
Welche Veränderungen sind in der Diözese Rottenburg-Stuttgart möglich und wünschenswert?
Die Entwicklung in unserer Diözese wird zunächst stark dadurch bestimmt werden, dass Bischof Gebhard Fürst voraussichtlich im Dezember aus dem Amt scheidet. Bei der Wahl des Nachfolgers muss die Basis nun stärker beteiligt werden als in der Vergangenheit. Dabei sollte ein möglichst repräsentatives Gremium gebildet werden, das auch das Profil eines künftigen Bischofs klärt. Dazu muss das Domkapitel dringend die Verhandlungen mit dem Heiligen Stuhl aufnehmen, und zwar direkt und nicht über die Bischofskonferenz oder dessen Vorsitzenden.
Bei der Wahl des Bischofs hat der Vorsitzende der Bischofskonferenz ja gar keine Funktion, da steht das Domkapitel unmittelbar im Kontakt mit dem Apostolischen Stuhl beziehungsweise dem Nuntius. Ich hoffe sehr, dass Rom die Größe und die Klugheit besitzt, auf dieses starke Bedürfnis der Beteiligung der Gläubigen an der Wahl der Bischöfe einzugehen und nicht womöglich im Gegenteil über Bischofsernennungen disziplinierend in Deutschland einzugreifen.
Die Diözese ist die eine Ebene, das Stadtdekanat die andere. Was werden Sie als Stuttgarter Stadtdekan auf Basis der Beschlüsse des Synodalen Weges konkret verändern?
Entscheidend ist schon jetzt, dass der Prozess und die Beschlüsse bei wichtigen Themen das gesamte Setting verändern. Beispiel Segnung für Paare, die nicht kirchlich heiraten können. Endlich müssen Pfarrer und pastorale Mitarbeitende keine Sanktionen mehr befürchten und können auch offen eine solche Segnung gestalten und sich darauf berufen, dass 81 Prozent der Bischöfe dafür gestimmt haben, dass es solche Segnungen geben kann. Deshalb kann ich jetzt auch sagen: ja, auch in Stuttgart sind Segnungen von gleichgeschlechtlichen Paaren oder von Paaren, die zum Beispiel nach einer Wiederheirat nicht kirchlich heiraten können, jetzt möglich.
Wir erkennen endlich auch offiziell an, dass auch in anderen Partnerschaften als der Ehe wesentliche menschliche Werte und Güter gelebt und verwirklicht werden, die dem Evangelium und der christlichen Ethik entsprechen. Wo diese Werte, die uns wichtig sind, - zum Beispiel Achtung, Verantwortung, Treue, Verlässlichkeit - verbindlich gelebt und bekräftigt werden, werden wir solche Segensfeiern gerne anbieten und Paare dabei begleiten. Wir werden unsere Erfahrungen in der Diözese und in den beschlossenen Prozess einbringen.
Bei einem anderen Thema, der Predigt durch Pastoralreferentinnen und Pastoralreferenten, wurde die gängige Praxis nur bestätigt. Warum ist auch dieser Beschluss wichtig?
Seit Jahrzehnten ist das Praxis, auch bei uns. Aber immer wieder wurden Laientheologen und ihre Pfarrer verunsichert, weil das zwar toleriert wurde und sogar in der Ausbildung vorgesehen ist, aber Bischöfe sich nicht klar dahinter gestellt haben, weil Rom das Verbot der Laienpredigt immer wieder bekräftigt hat. Jetzt haben 87 Prozent der Bischöfe dafür gestimmt, dass Laien offiziell in der Eucharistiefeier die Predigt halten dürfen und dass sie das ermöglichen.
Unser Bischof Gebhard Fürst hat klipp und klar gesagt: In meiner Diözese predigen qualifizierte Theologinnen und Theologen in der Eucharistie, und zwar in bischöflichem Auftrag. Diese Klarstellung war überfällig, auch im Sinn der Rechtssicherheit der involvierten Pfarrer und pastoralen Mitarbeitenden.
Werden die Beschlüsse aus dem Synodalen Weg die Austrittswelle stoppen?
Es wäre unrealistisch, dies zu hoffen. Die Entwicklung bei den Austritten ist weiter desaströs. Die Austrittsquoten haben sich bei beiden großen Kirchen in Stuttgart in den vergangenen Jahren etwa verdreifacht. Das hat nicht nur mit Missbrauchsskandalen, Führungsversagen, Klerikalismus, Sexualmoral oder der fehlenden Gleichberechtigung in der katholischen Kirche zu tun, sondern damit, dass der Glauben für viele Menschen nicht mehr die Bedeutung hat wie dies früher der Fall war.
Religion wird unwichtiger in diesem Lande, oder etwas genauer: kirchlich gebundene Religion. Denn zum einen ist unsere Gesellschaft religiös pluraler geworden, zum anderen werden religiöse und spirituelle Bedürfnisse, die es bei vielen Menschen weiter gibt, sehr individuell und auf eigenen Wegen gestaltet. Darauf versuchen wir in Stuttgart seit Jahren mit unserem Prozess "Aufbrechen" zu reagieren.
Wohin wird sich die katholische Kirche in Stuttgart entwickeln?
Wir müssen also die Volkskirche, auch mit all dem, was überhaupt erst in den vergangenen Jahrzehnten dazu gekommen ist, zurückbauen, da gibt es nichts herumzureden. Wir werden auf Personal, auf Geld, auf Gebäude verzichten lernen und unseren Mitgliedern mehr Eigenverantwortung und Selbstwirksamkeit zutrauen. Die Kirche wird sich künftig auf ihren Kernauftrag konzentrieren.
Aber Achtung! Das heißt nicht: auf das konventionelle Gemeindegeschäft, sondern auf den Kern der Botschaft. Ich finde, wir haben ganz einfach danach zu fragen, wie wir das Leben der Menschen, individuell und sozial, in relevanter Weise verbessern können mit dem, was unsere ureigenste Kompetenzen sind: wie können wir die Beziehung zu Gott und den Menschen stärken, Seelsorge und Fürsorge stärken, Gemeinschaft, Gerechtigkeit und gesellschaftlichen Zusammenhalt. Da gibt es ja auch in dieser Zeit genug zu tun.