„Wie geht‘s?“ oder „Alles gut?“ – so lauten oft Begrüßungsphrasen, wenn man jemanden trifft. „Ja,ja, alles gut“, lautet dann zumeist die Antwort; aus Gewohnheit, oder aus der Angst davor, dass sich ein längeres Gespräch entwickeln könnte. Dabei ist oft eben nicht „alles gut“. Und nicht selten stecken psychische Ursachen dahinter. Überforderung am Arbeitsplatz, Orientierungslosigkeit, Mobbing. Andreas Ruiner und Tobias Brunner von der keb Ostalbkreis haben sich näher mit der Thematik befasst.
„Es müsste ein Aufschrei durch die Ostalb gehen.“ Das sagte die Leiterin der keb, Ana de Requesens Moll, bereits vor einigen Wochen, als im Haus der Katholischen Kirche eine Veranstaltung mit der Ökumenischen Psychologischen Beratungsstelle deutlich machte, dass die Zunahme an psychischen Erkrankungen enorm und die Versorgungslage dagegen prekär ist. Zu wenige Therapieplätze, zu langes Warten überhaupt auf einen Beratungstermin. „Wir sprechen hier nicht nur von Wochen“, sagt Andreas Ruiner, „sondern von Monaten und Jahren“. Was bis zu diesem Zeitpunkt mit dem Menschen passiert ist, der die Hilfe benötigt hätte, wagt er erst gar nicht auszusprechen.
Studie: Zahl der psychischen Erkrankungen seit 1997 verdreifacht
In seiner Arbeit als Bildungsreferent für junge Erwachsene bei der keb sieht Ruiner genauso wie sein Kollege Tobias Brunner großen Handlungsbedarf beim Tabu-Thema „Psychische Erkrankungen“. Einer Studie der Krankenkasse DAK hat sich die Zahl derer, die an einer psychischen Krankheit leiden, in den letzten Jahrzehnten seit 1997 verdreifacht. Deshalb ist das Anliegen der beiden Referenten klar: Das Thema „Psychische Erkrankung“ braucht einen Platz in der Gesellschaft und den politischen Diskurs, damit es letztlich mehr Therapieplätze geben kann. Deshalb bietet die keb Ostalbkreis dazu öffentliche Veranstaltungen an, die zu Gesprächen und Diskussionen anregen sollen.
Sich trauen zu sagen: Es ist nicht alles gut
Doch ein Zweites liegt den beiden am Herzen: „Wir müssen lernen, uns zu trauen und zu sagen, wenn es uns eben nicht gut geht.“ Dabei sei es wichtig, sich zu öffnen, was zunächst Überwindung koste. Doch wenn es „normaler“ werde, über psychische Zustände zu sprechen, genauso wie über Halsweh oder Schnupfen, dann könnten auch kleine Gespräche bei alltäglichen Begegnungen Tiefe bekommen und Kraft geben. „Das wirkt befreiend und macht es auch psychisch Kranken leichter, sich zu öffnen.“ Davon sind Brunner und Ruiner überzeugt. Dann lautet die Antwort auf die Frage „Wie geht’s Dir?“ oder „Alles gut?“ eben: „Mir geht es gerade schlecht, es ist nicht alles gut.“