Schulen

Orientierung im Gefühlsgarten

Andreas Weiß

Andreas Weiß interessiert sich für die Gefühle seiner Schüler:innen. Foto: DRS/Guzy

Religionsunterricht will nicht nur Wissen vermitteln, sondern Kinder in ihrer Lebenswelt stärken – ein Praxisbeispiel aus einer Grundschule.

Nach zwei Liedern und einem Gebet dürfen die Schüler:innen der beiden jahrgangsgemischten Klassen Spielfiguren auf die auf dem Boden verteilten Fotokarten legen. Diese zeigen Menschen mit verschiedenem Gefühlsausdruck. Denn in den ersten Religionsunterrichtsstunden des Schuljahres sollen die Dritt- und Viertklässler der Grundschule Dahenfeld lernen über Gefühle zu sprechen.

Lehrer Andreas Weiß ruft einige von ihnen auf, um zu erfahren, auf welche Karte sie ihre Figur gesetzt haben. Ihr gehe es gut, weil sie schwimmen war, sagt eine Schülerin. „Wie heißt das Gefühl?“, fragt Weiß. „Glücklich“, ist aus der im Sitzkreis versammelten Schülerschar zu hören.

Wenn die Worte fehlen

„Viele Kinder tun sich schwer, eine Situation zu beschreiben, wenn es um Gefühle geht. Ihnen fehlen die Worte dafür“, sagt Weiß nach der Religionsstunde. Der 37-Jährige unterrichtet nicht nur an der Grundschule Dahenfeld, sondern ist auch Fachberater für katholische Religion am Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung und gehört zugleich zum Team des Religionspädagogischen Instituts Heilbronn. Die ritualisierte Gefühlsrunde soll die Kinder sprachfähig machen. Gefühle verbalisieren zu können, helfe bei der Streitschlichtung, nennt Weiß ein praktisches Anwendungsbeispiel.

Blick zurück in die Unterrichtsstunde: „Schlechte Gefühle sind nicht schlecht, weil sie an sich schlecht sind, sondern weil sie sich schlecht anfühlen“, hat ein Schüler als Merkspruch von daheim mitgebracht. Doch welche verschiedenen Empfindungen können im Herzen zu Hause sein? Weiß legt einen Stapel mit ausgeschnittenen Formen in den Kreis der Schüler:innen.

Emotionen im Herzen

Ein Luftballon symbolisiert Situationen, wenn es einem leicht ums Herz ist; ein Elefant, wenn das Herz sich schwer anfühlt. Die Silhouette eines Baums erzählt davon, dass man sich manchmal einfach nur verstecken möchte. Und der Umriss eines Monsters steht für Momente, wenn das „Herz ängstlich ist“.

„Wenn man lernt seine Gefühle wahrzunehmen, kann man sie leichter akzeptieren. Das öffnet Perspektiven“, erklärt Weiß den Hintergrund seines Vorgehens. Die Schulstunde zeigt für die katholische Schuldekanin Elisabeth Ott anschaulich, wie Religionsunterricht die Resilienz von Kindern und Jugendlichen fördern kann. Das katholische Schuldekanatamt Heilbronn widmet dem Thema eine Ausstellung im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Egal?“. Mit dieser machen die Erzdiözese Freiburg, die Diözese Rottenburg-Stuttgart, die Evangelische Landeskirche in Baden und die Evangelische Landeskirche in Württemberg auf die nach wie vor hohe Bedeutung des Religionsunterrichts aufmerksam. Die Veranstaltungsreihe soll verdeutlichen, dass es gerade auch angesichts der vielfältigen Krisenerfahrungen der Gegenwart für Kinder und Jugendliche wichtig ist, die Fragen nach dem Woher, Wohin und Wozu des Lebens auch in der Schule bearbeiten zu können.

Rituale als Hilfe

„In der Schule wird von den Kindern Wohlverhalten und Lernen erwartet. Sie müssen sich in den Unterricht einfügen. Für alles, was sie sonst so mit sich schleppen, bleibt keine Zeit“, sagt Ott. Der Religionsunterricht biete dagegen Räume, wo sie Sorgen, Unsicherheiten und Fragen äußern könnten. Den Kindern werde das Angebot gemacht, hilfreiche Rituale und religiöse Ausdrucksformen zu erleben. Wissen über Religion und Glaube bauen dann darauf auf.

So wird Weiß seinen Schüler:innen in Dahenfeld in kommenden Unterrichtsstunden biblische Erzählungen mit Hilfe von Emotionen erschließen. Was empfand wohl David, als er Goliat gegenübertrat? Gegen Ende dieser Religionsstunde dürfen die Kinder aber erst einmal einen Gefühlsgarten in ihre Hefte malen, bevor sie sich zum Abschlusssegensritual wieder im Kreis versammeln. Nach und nach entstehen Gartenbilder, in die die Kinder zwischen Blumen und Pflanzen all die Gefühlsbezeichnungen schreiben, die sie mittlerweile kennen.

Religionsunterricht und Resilienz

„Wie können Glaube und Religion Kinder und Jugendliche stärken?“ Darauf gibt eine Ausstellung im Religionspädagogischen Institut Heilbronn, Bahnhofstraße 13, eine Antwort anhand von Beiträgen und Materialien aus dem Religionsunterricht und der Schulseelsorge. Die Ausstellungseröffnung mit Workshop findet am Montag, 9. Oktober, von 17 bis 19 Uhr statt. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Die Veranstaltung ist ein Beitrag zur Reihe „Egal?“ der evangelischen und katholischen Kirchen in Baden-Württemberg, die die Bedeutung des Religionsunterrichts thematisiert.

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