Geflüchtete

Pfarrer bringt syrisches Waisenkind zu Verwandten

Gruppenfoto im Wohnzimmer der Familie mit Luftballons und Mond-Sterne-Beleuchtung an der Wand.

Kafaa und Mohamad Hourie (hinten 2./3.v.l.), ihre vier Kinder und der Großvater des Jungen (l.) freuen sich über ihr neues Familienmitglied und danken Pater Alfred Tönnis OMI (2.v.r.), der das Waisenkind Mohamad Omar aus Syrien über den Libanon nach Deutschland brachte - Foto: DRS/Waggershauser

Nach mehreren dramatischen Rückschlägen landet Pater Alfred Tönnis zusammen mit dem dreijährigen Mohamad Omar in Deutschland.

Die Freude bei Familie Hourie aus Bad Buchau war am Freitagnacht riesengroß. Kafaa und Mohamad Hourie mit ihren vier Kindern kannten den inzwischen dreijährigen Großneffen Mohamad Omar bisher nur von regelmäßigen Videochats. 19 lange Monate dauerte die Odyssee durch die Behörden in Deutschland, Syrien und dem Libanon, bis sie ihren Adoptivsohn nun in die Arme schließen konnten. An ihrer Seite kämpfte Pater Alfred Tönnis, Mitglied des Oblatenordens und Pfarrer der Seelsorgeeinheit Bussen im westlichen Landkreis Biberach. Er engagiert sich schon länger für Geflüchtete und kennt die syrische Familie Hourie seit ihrer Ankunft in der Region vor neun Jahren.

„Es ist unvorstellbar, was dieses Kind in seinem jungen Leben schon alles mitmachen musste“, stellt der Geistliche fest. Und er erzählt, dass Mohamad Omars Vater als im Krieg vermisst gilt. Seine Mutter und seine Schwester starben im Jahr 2021 bei einem schweren Verkehrsunfall in Aleppo. Der kleine Junge überlebte, weil er aus dem Auto geschleudert wurde. Er kam zunächst bei einer Familie unter, sollte dann aber in ein Waisenhaus. „Die einzigen Verwandten kamen zu mir und fragten, ob nicht die Möglichkeit bestehen würde, dieses Kind nach Deutschland zu holen“, berichtet Pater Alfred. Er setzte daraufhin sämtliche Hebel in Bewegung.

Vorläufige Endstation im Libanon

Nach neun Monaten schienen alle Hürden überwunden. Das Scharia-Gericht in Damaskus, das Landratsamt Biberach und weitere Behörden hatten der Adoption und der Familienzusammenführung zugestimmt. Pater Alfred reiste im November letzten Jahres über den Libanon an die syrische Grenze, um das Kind in Empfang zu nehmen und nach Deutschland zu bringen. Auch er hatte über Videochats Kontakt zu dem Jungen aufgebaut. Die gemeinsame Reise endete jedoch kurze Zeit später in Beirut. Obwohl alle anderen Papiere vorhanden waren, fehlte das Visum für Mohamad Omar. Der Ordensmann reiste allein zurück, konnte den Zweijährigen aber zuvor übergangsweise in einer Familie im Libanon unterbringen.

Hinter der Aktion stehen etliche Unterstützer:innen und Spender:innen. „Viele haben nun versucht, im Hintergrund kreativ zu helfen“, erklärt Pater Alfred. Aufgrund der dramatischen Situation und der vielfältigen Beziehungen schaffte er es, im Januar dieses Jahres einen Sondertermin in Beirut zu bekommen, um das Visum zu beantragen: aus seiner Sicht erst, aus Sicht der überlasteten deutschen Botschaft schon. Dass es danach nochmals acht Monate dauern würde, bis der positive Bescheid eintrifft, ahnte damals niemand. „Ich habe oft auf dem Bussen für diesen ‚Nachwuchs‘ gebetet“, gesteht der Priester. Er hatte aber auch schon daran gedacht, sich für das Kindswohl vor dem Auswärtigen Amt in Berlin festzukleben.

Ausreise erneut mit Hindernissen

Das blieb ihm erspart, denn Anfang September kam die erlösende Nachricht aus Beirut. „Sie haben mir geschrieben, dass ich das Visum abholen kann“, ließ Pater Alfred wissen. Die Tickets für den Rückflug mit Mohamad Omar nach Deutschland buchte er für den 27. September. War das nun das Happy End? „Wir müssen alles abblasen“, schrieb der verzweifelte Geistliche bereits am frühen Mittwochmorgen, dem geplanten Abflugtag. Bei dem Jungen fehlte der Stempel für die Einreise von Syrien in den Libanon im November 2022. Es vergingen bange Stunden. Schließlich schaltete sich sogar der libanesische Einwanderungsminister ein. Pater Alfred sah sich schon allein im Flugzeug nach Deutschland, als es am Donnerstagnachmittag plötzlich hieß: „Das Kind kommt mit.“

Trotz aller Hürden und Rückschläge, die letztlich vor allem den kleinen Mohamad Omar trafen, sieht es Pater Alfred als Mutmachgeschichte. „Mit dieser Aktion rette ich ja nicht die Welt, aber für diesen einen dreijährigen Jungen ändert sich seine Welt in eine hoffnungsvollere Welt“, ist der Bussenpfarrer überzeugt. Und er möchte ein Zeichen setzen für den interreligiösen Dialog, wenn ein katholischer Priester von der christlichen Botschaft motiviert einem muslimischen Jungen und seiner neuen Familie eine Perspektive gibt. Eine Ermutigung an alle, die sich für Geflüchtete einsetzen und oft resignieren. „Jetzt wird die Ankunft aber erst mal gefeiert und dann geschlafen“, sagt Pater Alfred und atmet tief durch.

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